Justizministerin möchte Schadensrecht ändern

Ist ein behinderter Mensch ein Schadensfall? Diese Frage stellte sich angesichts der Rechtsprechung, welche mehrfach kritisiert wurde. Die Justizministerin will nun - ohne Rücksprache mit der SPÖ - eine Klarstellung im Gesetz.

Claudia Bandion-Ortner
Bundesministerium für Justiz

Die Rechtsprechung lässt sich leicht dahin (miss-)verstehen, dass ein behindertes Kind als „Schaden“ begriffen wird, auch wenn sich die Gerichte bemühen, diesen Eindruck zu zerstreuen, ist der Presseunterlage zu entnehmen.

Die von der ÖVP nominierte Justizministerin, Mag. Claudia Bandion-Ortner, stellte am 16. Dezember 2010 eine geplante Gesetzesänderung (Schadenersatzrechts-Änderungsgesetz 2011 soll mit 1. Juni 2011 in Kraft treten) vor.

Wo liegt das Problem?

„Nach geltendem Recht kann nämlich die Geburt behinderter Kinder Schadenersatzansprüche auslösen, auch wenn das Verhalten des behandelnden Arztes eine Behinderung nicht schuldhaft herbeigeführt hat“, gibt das Justizministerium in der Presseunterlage unumwunden zu und führt weiters aus: Obwohl es in der geltenden Rechtsprechung nicht um die Frage geht, ob ein Kind ein Schaden ist, sondern lediglich um die Überwälzung der Unterhaltspflicht der Eltern auf den Arzt, kann die Rechtsprechung leicht dahingehend (miss-)verstanden werden, dass ein behindertes Kind als „Schaden“ begriffen wird.

So eindeutig wie das Ministerium dies darstellen wollte, ist die Angelegenheit allerdings nicht, wie der Artikel „Schadenersatz für unerwünschtes Leben (Wrongful birth)“ von Dr. Barbara Günther zu den Gerichtsentscheidungen der letzten Jahre zeigt.

Mit der von der Justizministerin vorgeschlagenen Regelung soll in einem ersten Schritt im Paragraf 1293 des ABGB klargestellt werden: „Aus dem Umstand der Geburt eines Kindes können weder das Kind noch die Eltern noch andere Personen Schadenersatzansprüche geltend machen. Ausgenommen davon sind Schadenersatzansprüche aus einer Verletzung des Kindes während der Schwangerschaft oder der Geburt.“

Regierungsprogramm

Im SPÖ-ÖVP Regierungsprogramm vom 23. November 2008 wurde das Thema erwähnt und eine Klarstellung angekündigt: „Dabei ist außer Streit zu stellen, dass selbstverständlich die Geburt und Existenz eines Kindes mit Behinderung kein Schaden ist, wie groß die Betroffenheit und Trauer der Eltern über die Tatsache der Behinderung ihres Kindes auch sein mag. Das Kind mit all seinen Eigenschaften, selbstverständlich auch mit einer oder mehreren Behinderungen, ist der Gesellschaft und der Rechtsordnung in höchstem Maße willkommen und verdient gerade im Falle von Behinderung die größtmögliche Zuwendung und Förderung.“

Dass gerade jetzt diese Änderung kommt, wo gleichzeitig die Förderungen für Familien – insbesondere für Familien mit behinderten Kindern – massiv gekürzt werden, ist schon bemerkenswert.

Vorschlag wird mehrheitlich begrüßt

In Aussendungen begrüßten ziemlich gleichlautend sowohl die Katholische sowie die Evangelische Kirche, die Ärztekammer, die Aktion Leben, der Österreichische Familienverband, die Abgeordnete Donnerbauer (ÖVP) sowie die Abgeordneten Huainigg (ÖVP) und Fichtenbauer (FPÖ).

Dadurch werde ein großer Druck sowohl von Eltern als auch von Ärzten genommen, erklärt Lebenshilfe-Bundesgeschäftsführer Albert Brandstätter. „Allerdings ist das für die Lebenshilfe nur ein erster Schritt: Familien mit behinderten Kindern brauchen einen Rechtsanspruch für verstärkte Unterstützungsleistungen und bedarfsgerechte finanzielle Absicherungen für den behinderungsbedingten Mehraufwand.“

Doch hier werden in den nächsten Tagen mit dem Sparpaket (Stichwort: Pflegegeld, Familienleistungen, Abgeltung eines behinderungsbedingten Mehraufwandes) genau gegenteilige Schritte unternommen.

SPÖ zeigt sich verärgert und stimmt derzeit nicht zu

Der SPÖ-Justizsprecher, Hannes Jarolim, zeigt sich vom Vorgehen der Justizministerin verärgert. Er stellt klar, dass der Vorschlag von der ÖVP nominierten Justizministerin „ohne jeglichen Kontakt mit dem Koalitionspartner“ erfolgt ist. Daraus folgt, dass eine Gesetzesänderung nicht als feststehend verkündet werden kann. Man soll nicht „durch ideologische Vorbehalte eine letztlich falsche Regelung“ schaffen.

„Das ist kein akzeptabler Koalitionsstil und es wird sicher noch intensiver Gespräche bedürfen, um in dieser wichtigen Causa abseits von vordergründig populistischen Meldungen ethisch vertretbare Lösungen zu finden“, so Jarolim.

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