Mitnahme im Bus wegen Elektrorollstuhl verweigert

  • SchlichtungswerberIn: Markus Ladstätter
  • Unterstützt von: Martin Ladstätter
  • Schlichtungspartner: WIENER LINIEN GmbH & Co KG
  • Zeitraum: 28. April 2007 bis 3. Juli 2007
  • Bundesland: Wien
  • Gesetzesgrundlage: BGStG
  • Einigung: Nein
  • Klage: Ja

Schlichtungsantrag

Ich benütze einen Elektrorollstuhl und habe ein Semesterticket für Studenten, weil ich sehr oft mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahre und auch mit dem Service zufrieden bin. Doch am 26. April 2007 hat sich folgender Vorfall ereignet.

Ich wollte um 10:17 Uhr, wie fast täglich, mit dem Autobus zur U-Bahn fahren. Der Busfahrer hat sich allerdings geweigert mir die Rampe herauszuklappen und mich mitzunehmen, mit dem Argument „Elektrorollstühle sind verboten, die biegen die Rampen durch“. Auf meinen Hinweis, dass ich mich deshalb bei seinem Vorgesetzten beschweren werde meinte er nur: „Machen Sie das ruhig“. Er fuhr weg und ließ mich an der Station zurück.

Ich fühlte mich dadurch in meiner Menschenwürde herabgesetzt und gekränkt. Ich erwarte mir von den WIENER LINIEN als gleichberechtigter Kunde behandelt zu werden. Des weiteren erwarte ich mir ein Entschuldigungsschreiben sowie Schadensersatz.

Anmerkungen/Bewertung

“Aufgrund der bekannt gegebenen Maße Ihres Rollstuhles sollte aber die Frage, ob damit die Klapprampe bedienbar ist oder nicht, ganz klar mit ‘Ja’ beantwortbar gewesen sein. Sollte unser Mitarbeiter daher Ihnen gegenüber die Mitnahme aus diesem Grund abgelehnt haben, hat er damit eindeutig gegen die geltenden und auch gegenüber den Lenkern kommunizierten Verhaltensregeln der WIENER LINIEN verstoßen”, teilen die WIENER LINIEN am 25. Mai 2007 im Vorfeld der Schlichtung schriftlich mit.

Die WIENER LINIEN machen bei der Schlichtungsverhandlung am 3. Juli 2007 unmissverständlich klar, dass sie “grundsätzlich nicht bereit sind Schadenersatz zu bezahlen”.

Es könnte sein, dass in diesem Fall “der Fahrer mit dem linken Fuß aufgestanden ist”, aber die WIENER LINIEN haben “alles gemacht, was wir machen können”, so der Standpunkt der Vertreter der WIENER LINIEN. Sie haben alle organisatorischen Maßnahmen geschaffen und sehen daher nicht ein, für Fehlleistungen einzelner zu bezahlen.

“Die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Mediation wurde angeboten, aber zum Thema Schadenersatz von den WIENER LINIEN abgelehnt”, hält das Bundessozialamt fest.

Bewertung durch Markus Ladstätter

Die Schlichtung war mir sehr wichtig, da derartige Vorfälle das Benützen der öffentlichen Verkehrsmittel für Menschen mit Behinderungen immens erschweren. Man wird vom Kunden zum Bittsteller degradiert.

Bei der Schlichtung war ich sehr verwundert, wie uneinsichtig die WIENER LINIEN waren, zumal ich bis jetzt immer ein sehr positives Bild von ihnen hatte. Ich habe mich vom Verhalten bei der Schlichtung (und vom Entschuldigungsschreiben) „gefrotzelt“ gefühlt, und wurde dadurch erst recht darin bestärkt, eine Klage einzubringen.

Artikel auf BIZEPS-INFO:

Mitnahme im Bus wegen Elektrorollstuhl verweigert

Klage

  • Zeitraum: 28.08.2007 bis 15.12.2008
  • Unterstützt von: Martin Ladstätter
  • Ziel: Schadensersatz in der Höhe von 400 Euro

Urteil

Aus dem Urteil vom 8. April 2008: „Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagevertreters binnen 14 Tagen 400 Euro samt 4 % Zinsen seit 19. September 2007 sowie die mit 55 Euro bestimmten Barauslagen zu bezahlen“.

Weiters wurde festgehalten: „Das Gericht legte den Sachverhaltsfeststellungen die überaus glaubwürdige Aussage des Klägers zugrunde. Er vermochte glaubhaft darzulegen, dass der Buslenker ihn ohne triftigen Grund, insbesondere ohne, dass bereits zwei Kinderwägen im Businneren vorhanden gewesen wären, die Mitnahme verweigerte“. Zusätzlich wurde festgehalten: „Da die beklagte Partei jedenfalls für das Verhalten ihrer Dienstnehmer gemäß § 1313a ABGB haftet, war spruchgemäß zu entscheiden“.

Die WIENER LINIEN haben am 13. Mai 2008 gegen das Urteil Berufung eingelegt. Das Urteil „wird zu Gänze wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten“, wird schriftlich festgehalten. Das Handelsgericht Wien hält am 15. Dezember 2008 fest: „Das Handelsgericht Wien hat als Berufungsgericht … über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 8.4.2008 … in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt: Der Berufung wird nicht Folge gegeben. … Die Revision ist jedenfalls unzulässig.“

Bewertung durch Markus Ladstätter

Ich bin erfreut, dass das Gericht diese Diskriminierung nicht als Lappalie abgetan hat, wie dies oft von der beklagten Partei versucht wurde. Vielmehr hat das Gericht bestätigt, wie wichtig öffentliche Verkehrsmittel für die Mobilität behinderter Menschen sind. Jetzt im Nachhinein wurde mir erst wieder bewusst, dass der ganze Prozess (Schlichtung und Klage) mehr als eineinhalb Jahre gedauert hat.

Mir persönlich hat das ganze Verfahren auch gezeigt, weshalb sich viele Menschen gar nicht dazu aufraffen, Diskriminierungen aufzuzeigen und zu bekämpfen, denn es benötigt Durchhaltevermögen und die finanziellen Mittel, eine Klage anzustrengen. Dabei war mir zum Glück der Klagsverband eine große Unterstützung, indem er die Klage und meine anwaltliche Vertretung finanziert hat.

Wäre schon bei der Schlichtung ein positiveres Gesprächsklima möglich gewesen, dann weiß ich nicht, ob es überhaupt zu einer Klage hätte kommen müssen.

Juristische Bewertung

Das Behindertengleichstellungsgesetz verbietet Diskriminierung aufgrund der Behinderung bei der Versorgung mit Dienstleistungen. Die Verweigerung der Beförderung trotz gültigen Fahrausweises stellt zweifellos eine solche Diskriminierung dar. Der Kläger hat diese Diskriminierung im Schlichtungsverfahren geltend gemacht. Da die Wiener Linien darauf nicht eingestiegen sind, sprachen beide gerichtliche Instanzen dem Kläger – wie zu erwarten war – den geforderten Schadenersatz von 400 Euro zu.

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