ALLGEMEINES VERWALTUNGSVERFAHRENSGESETZ

Text:

§ 13 Verkehr zwischen Behörden und Beteiligten - Anbringen
"(3) Formgebrechen schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr dem Einschreiter die Behebung der Formgebrechen mit der Wirkung aufzutragen, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird das Formgebrechen rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht."


Kommentar:

Dadurch, daß keine gesetzliche Verpflichtung besteht, den Verbesserungsauftrag mündlich oder in Blindenschrift zu erteilen, entsteht sehbehinderten und blinden Personen insoweit ein Nachteil, als sie nach den derzeitigen rechtlichen Verhältnissen unter Umständen nicht rechtzeitig - also innerhalb der gesetzten Frist, die in der Regel ca. 14 Tage betragen wird - von diesem Verbesserungsauftrag Kenntnis erlangen können.

Die Folge wäre, daß mangels Verbesserung des Formgebrechens der Antrag des/der EinschreiterIn zurückgewiesen würde; wenngleich in einem solchen Fall wohl eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand denkbar ist, so würde dennoch - schon durch die zeitliche Verzögerung und die zusätzlichen erforderlichen Verfahrensschritte - die Rechtsposition dieser Personengruppe gegenüber nichtbehinderten Beteiligten bzw. Parteien verschlechtert.


Vorschlag:

Als Lösungsansatz wird vorgeschlagen, sehbehinderten und blinden Beteiligten bzw. Parteien bereits bei Einleitung eines Verwaltungsverfahrens das Recht einzuräumen, alle während des Verfahrens ergehenden schriftlichen Mitteilungen auf Diskette oder Kassette zu erhalten.


Gesetzgebung / Initiativen:

bisher keine


Text:

§ 13 Verkehr zwischen Behörden und Beteiligten - Anbringen
"(5) Zur Entgegennahme mündlicher Anbringen ist die Behörde, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit, zur Entgegennahme schriftlicher Eingaben nur während der Amtsstunden verpflichtet. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind bei der Behörde durch Anschlag kundzumachen."


Kommentar:

Da die Kundmachung der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit bzw. die Amtsstunden durch Anschlag - also in einer für sehbehinderte und blinde Personen nicht lesbaren Form - erfolgt, ist darin ein Nachteil für diese Personengruppe zu entdecken. Ebenso sind auch bewegungsbehinderte und alte Menschen benachteiligt, weil ihnen die Überwindung der Wegstrecke zur Behörde oftmals nicht zugemutet werden kann und vielfach jene Bereiche, in denen sich derartige Anschlagtafeln befinden, auch - insbesondere für RollstuhlfahrerInnen - nicht oder nur sehr schwer zugänglich sind, sodaß auch diese Personengruppen nicht oder nur unter erheblichen Anstrengungen Kenntnis von derartigen Aushängen erlangen können. Darüber hinaus sind dem § 13 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz ähnliche Bestimmungen analog zu novellieren. Insbesondere handelt es sich dabei um: § 42 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz.


Vorschlag:

Zur Abhilfe wird die Einrichtung eines telefonisch abrufbaren Service-Tonbandes der Behörde vorgeschlagen.


Gesetzgebung / Initiativen:

bisher keine


Text:

§ 17 Akteneinsicht
"(1) Die Behörde hat, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten; die Parteien können sich davon an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten auf ihre Kosten Kopien anfertigen lassen."


Kommentar:

Durch diese Bestimmung entsteht für sehbehinderte und blinde Personen insoweit ein Nachteil, als diesen in der Praxis die persönliche Ausübung des Rechtes auf Akteneinsicht mangels der Zurverfügungstellung technischer Hilfsmittel - Kopien in Blindenschrift - verwehrt bleibt. Darüber hinaus besteht auch keine Rechtspflicht des Verwaltungsorgans, Akten bzw. Aktenteile der Partei vorzulesen. Hinsichtlich bewegungsbehinderter und alter Menschen ist die Wahrnehmung des Rechtes auf Akteneinsicht oftmals auch deshalb erschwert oder unmöglich, weil die dafür vorgesehenen Räumlichkeiten nicht barrierefrei - also etwa mit Rollstuhlrampen, Aufzügen, ausreichend breiten Türen ohne Selbstschließer, elektrischen Türen etc. - erreichbar sind.


Vorschlag:

Folgende Lösungsmöglichkeiten werden angeboten:

* Die Betrauung einer Person, deren Vollmacht auf die Wahrnehmung der Akteneinsicht für den behinderten Menschen beschränkt wäre (Problem: eventuell anfallende Kosten müßten jedoch von der jeweiligen Gebietskörperschaft getragen werden).

* Die mündliche Verlesung von Aktenteilen durch ein Behördenorgan sowie Aufnahme auf ein Tonband muß zu einem gesetzlich geregelten subjektiven Recht werden. (Problem: nicht vorlesbare Akten wie z. B. Baupläne im Bauverfahren; je nach den technischen Möglichkeiten sollten diese etwa auch in tastbarer Form erstellt werden, wobei die Kosten von der jeweiligen Gebietskörperschaft zu tragen wären.)

* Einscannen der Akten in den Computer sowie Ausdruck in Blindenschrift sollte ebenfalls als gesetzlich geregeltes subjektives Recht aufgenommen werden.

* Überdies sollte bewegungsbehinderten oder alten Menschen die Akteneinsicht jedenfalls an einem Ort gewährt werden, dessen Aufsuchung ihnen zumutbar ist und der auch barrierefrei erreichbar ist. Auch diese Maßnahme muß als gesetzlich geregeltes subjektives Recht aufgenommen werden.


Gesetzgebung / Initiativen:

bisher keine


Text:

§ 39a Dolmetscher und Übersetzer
"(1) Ist eine Partei oder eine zu vernehmende Person der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig, taubstumm, taub oder stumm, so ist erforderlichenfalls der der Behörde beigegebene oder zur Verfügung stehende Dolmetscher (Amtsdolmetscher) beizuziehen. Die §§ 52 Abs. 2 bis 4 und 53 sind anzuwenden."


Kommentar:

§ 39a Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz regelt die Beiziehung von (Gebärden-) DolmetscherInnen für "taubstumme, taube und stumme" Personen, die Partei oder zu vernehmende Personen (Zeugen, Beteiligte) sind, im Ermittlungsverfahren. Gemäß § 76 Abs. 5 leg.cit. sind die DolmetscherInnengebühren, soweit keine Kostenersatzpflicht der Beteiligten besteht, vom Rechtsträger, für den die Behörde einschreitet, zu tragen. Durch die Regelung des § 39a Abs. 1 entsteht für Behindertengruppen in mehrfacher Hinsicht ein Nachteil: Einerseits ist die - in der Regel unentgeltliche - Zurverfügungstellung von DolmetscherInnen auf bestimmte Arten von Behinderungen begrenzt. Andererseits ist der Anwendungsbereich dieser Bestimmung auf das Ermittlungsverfahren beschränkt.

Zur Stellung eines Antrages zwecks Einleitung eines Verwaltungsverfahrens bzw. zur Einbringung eines Rechtsmittels müssen sich daher bestimmte behinderte Menschen eines gewillkürten Vertreters im Sinne des § 10 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz bedienen, woraus diesen Kosten erwachsen können. Überdies stellt die verwendete Terminologie - taubstumm, taub, stumm - eine sprachliche Diskriminierung dar.


Vorschlag:

Als Lösungsansatz wird die gesetzliche Regelung des Ersatzes der "behinderungsbedingten Mehraufwendungen" in den die Kosten betreffenden Bestimmungen des Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (derzeit §§ 74 ff.) angeregt. Mit einer derartigen Regelung würde es einerseits - ob ihrer allgemeinen Formulierung - zu keiner unsachlichen Differenzierung verschiedenster Behindertengruppen kommen, und es würde auch eine finanzielle Benachteiligung behinderter Menschen hintangehalten. Im § 39a sind die Worte "taubstumm, taub oder stumm" durch eine zeitgemäße Bezeichnung zu ersetzen.


Gesetzgebung / Initiativen:

bisher keine


Text:

§ 40 Mündliche Verhandlung
"(1) Mündliche Verhandlungen sind unter Zuziehung aller bekannten Beteiligten sowie der erforderlichen Zeugen und Sachverständigen vorzunehmen und, sofern sie mit einem Augenschein verbunden sind, womöglich an Ort und Stelle, sonst am Sitz der Behörde oder an dem Ort abzuhalten, der nach der Sachlage am zweckmäßigsten erscheint."


Kommentar:

Die Bestimmung in der derzeit geltenden Fassung räumt kein zwingendes Recht für behinderte Menschen ein, daß auf ihre speziellen Bedürfnisse bei der Auswahl des Ortes für eine mündliche Verhandlung Rücksicht zu nehmen ist. Diesbezüglich wäre man daher ständig auf das Entgegenkommen des Verwaltungsorganes angewiesen.


Vorschlag:

Es wird vorgeschlagen, § 40 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (Ort der mündlichen Verhandlung) derart zu gestalten, daß bei der Wahl des Ortes der mündlichen Verhandlung auf (körperliche) Behinderungen von Parteien oder Beteiligten zwingend Rücksicht zu nehmen ist.


Gesetzgebung / Initiativen:

bisher keine


Text:

§ 42 Verwaltungsverfahren
"(1) Wurde eine mündliche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde oder auch durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung bekanntgemacht, so hat dies zur Folge, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht wurden, keine Berücksichtigung finden ..."


Kommentar:

siehe Kommentar § 13 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz


Vorschlag:

Als Lösungsansatz wird - vor allem für Massenverfahren - die Aufnahme zeitgemäßer Medien (wie z. B. Rundfunk, Fernsehen, Telefontonbandservice und Internet) vorgeschlagen.


Gesetzgebung / Initiativen:

bisher keine


Text:

§ 62 Erlassung von Bescheiden
"(1) Wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Bescheide sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden."


Kommentar:

Im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz ist - außer in Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) - die mündliche Verkündung eines Bescheides nicht zwingend vorgesehen. Für sehbehinderte und blinde Personen bedeutet dies, daß sie sich die schriftliche Ausfertigung des Bescheides von einer Hilfsperson vorlesen lassen müssen: Zwar kann die Ausfertigung von Bescheiden gemäß § 18 Abs. 3 leg.cit. durch Verordnung in jeder technisch möglichen Weise vorgesehen werden, doch ist die Ausfertigung von Erledigungen in Blindenschrift, auf Diskette oder Tonband bisher noch nicht vorgesehen.


Vorschlag:

Als Lösungsansatz wird - wie bereits erwähnt - vorgeschlagen, daß behinderten Menschen bereits bei Einleitung eines Verwaltungsverfahrens das Recht einzuräumen ist, alle während des Verfahrens ergehenden schriftlichen Mitteilungen auf Diskette oder Kassette zu erhalten. Auch die Zustellung eines Bescheides soll erst als erfolgt gelten, wenn er mit dem vereinbarten Kommunikationsmittel zugesandt wurde.


Gesetzgebung / Initiativen:

bisher keine


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