Sommercamp zum selbstbestimmten Leben behinderter Menschen in Graz

Das Sommercamp zum selbstbestimmten Leben für Menschen mit Behinderung fand dieses Jahr vom 3. bis 7. August 2009 in Graz, der Hauptstadt der Steiermark, statt.

Hier trafen sich Aktivisten aus der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung. Die „Camp-Eltern“ Barbara und Klaus Tolliner hatten für diese fünf Tage ein barrierefreies Gästehaus ausfindig gemacht.

Dieses Jahr stand die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Mittelpunkt des Treffens.

Die Teilhabe und die selbstbestimmte Lebensführung stehen wie immer im Vordergrund für Menschen mit Behinderung. Wir fordern ein vermögensunabhängiges Leistungsgesetz. Persönliche Assistenz ist für ein selbstbestimmtes Leben unabdingbar und unbedingt erforderlich, so die Stimmen der Teilnehmer des vierten Sommercamps.

Ein weiterer wichtiger Punkt des Camps war es, die Unterschiede der Regelungen in Österreich bzw. Deutschland zu besprechen. Bei einem Spaziergang in die Innenstadt von Graz war deutlich zu sehen, dass hier die Barrierefreiheit groß geschrieben wird. Die Abflachungen von Gehwegen sind Nullabsenkungen und für blinde Menschen gibt es Rillenplatten die wie ein T angeordnet sind und deswegen gut ertastbar.

Ein weiterer Unterschied ist die Bezahlung und Einstellungskriterien für Persönliche Assistenz. Menschen, die Assistenz benötigen, können beispielsweise in Wien ohne weiteres bis zu einer bestimmten Stundenanzahl ihre Familienangehörigen einstellen. Sie können Ihren Persönlichen Assistenten gut bezahlen, weil ihnen 16 Euro pro Stunde für Gehälter, Sozialversicherung und Steuerberater zur Verfügung stehen. Bis die deutsche Gesetzgebung soweit ist, können noch Jahrzehnte vergehen.

Ausflugziele in Graz waren ein Spaziergang auf den Schlossberg, der mit Aufzug zu befahren ist sowie die Besichtigung der Mur Inseln. Die Mur fließt fast durch die ganze Steiermark bis zur slowenischen Grenze.

Den inhaltlichen Teil des Camps gestalteten unter anderem Magister Herbert Haupt, Anwalt für Gleichstellungsfragen, und wir konnten die Vertretung des Bürgermeisters zu einem gemeinsamen Abendessen gewinnen. Auch die Teilnehmer wie z.B. Ingo Wildermann gestalteten Workshops:

  • Wir machen Politik: Hierzu gehörte eine rege Diskussion zum Thema
  • Eine Teilnehmerin aus Deutschland berichtete, wie man den Antrag stellt, damit man das Sommercamp oder Ähnliches bezahlt bekommt.
  • Grenzenloses, barrierefreies Reisen
  • Persönliche Assistenz und Teilhabe
  • Projektwerkstatt
  • Workshop Frauen und Mädchen mit Behinderung
  • Salamanca – wie funktioniert Inklusion?

Leider waren die Workshops teilweise gleichzeitig, so dass ich nicht an jedem teilnehmen konnte. Hier meine Workshops näher erläutert, an denen ich teilgenommen habe:

  • Frauen und Mädchen mit Behinderung: Eine Linzer Gruppe von Frauen und Mädchen mit Behinderung trifft sich, um ein gemeinsames Netzwerk für Frauen und Mädchen mit Behinderung zu gründen. Diese Gruppe nimmt sich unsere Gruppe zum Leitbild. Auch wir vom bayerischen Netzwerk für Frauen und Mädchen mit Behinderung waren zu Anfang ein Frauengesprächskreis der Münchner Volkshochschule. Ich konnte in dem Workshop der Leiterin viele von unseren Erfahrungen mitgeben, z.B. die Umsetzung der gynäkologischen Ambulanz sowie unser Satzungsaufbau des Netzwerks.
  • UN-Konvention, was ist das?: Die Workshopleiter berichteten jeweils über ihre Erfahrungen und die Umsetzungsmöglichkeiten der UN-Konvention in Österreich und Deutschland. Ottmar Miles-Paul ist Landesbehindertenbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz und Martin Ladstätter ist Mitglied von BIZEPS – Zentrums für Selbstbestimmtes Leben in Wien. Anschließend diskutierten die Teilnehmer mit den Workshopleitern über die Umsetzung der Menschenrechtskonvention in den Ländern Österreich und Deutschland.
  • Assistenz und Teilhabe: Ingo Wildermann, ein Teilnehmer des Camps, berichtete mithilfe seines Assistenten und seiner Kommunikationsunterstützung von seinem Leben in einer stationären Wohngruppe und wie er es schaffte, trotz der Tatsache, dass er dort wohnt Stundenweise persönliche Assistenz zu bekommen. In seinem Vortrag brachte er es auf den Punkt: Jeder behinderte Mensch braucht Assistenz, auch wenn er in einem Heim lebt. Nur so kann er den Strukturen des Heimes entkommen. Ingo wird morgens von seiner Assistenz abgeholt und verbringt den Tag mit Michael. Aufgrund seiner Behinderung kann er nur seinen Kopf bewegen, trotzdem ist Ingo das selbstbestimmte Leben wichtig und er kann es nach seinen Wünschen ausleben.

Wie oben beschrieben unternahmen wir einen Ausflug in die Innenstadt von Graz. Mir geht es mit solchen Camps immer gut, denn hier macht sich geballte Power von Aktivisten breit. Auch dieses Jahr kam ich mit vielen neuen Eindrücken und neu geknüpften Kontakten wieder nach München zurück.

Das nächste Camp findet vom 2. bis 6. August 2010 in Duderstadt in der Nähe von Göttingen statt. Ich kann nur alle dazu animieren mitzukommen. Ein solches Camp hilft in der weiteren Persönlichkeitsentwicklung, wenn man etwas für die verbesserte Teilhabe von Menschen mit Behinderung bewirken möchte.

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