Wie lange heute morgen meine Körperpflege gedauert hat, ist meine Privatsache

Müssen Menschen mit Behinderung zugunsten der Qualitätssicherung ihrer Pflege auf Intimsphäre verzichten?

Andrea Fröschl
Fröschl, Andrea

Diese Frage stellen sich seit Herbst 2009 die Bewohnerinnen und Bewohner der CASA – einer Außenstelle des Behindertendorfes Altenhof (von „assista“) in Linz.

Laut gesetzlicher Dokumentationspflicht, muss jede Pflegetätigkeit aufgezeichnet werden. Was zum Schutz der Betroffenen gedacht war, ist alles andere als unumstritten.

Die Kirchenzeitung der Diözese Linz hat in ihrer Ausgabe vom 18. Jänner 2010 zwei Betroffene zu den konkreten Auswirkungen auf ihre Lebenssituation befragt.

Massiver Eingriff in die Privatsphäre

Brigitte Moosbrugger, berufstätige Rollstuhlfahrerin, nimmt zweieinhalb Stunden Pflege täglich in Anspruch, um ihre körperlichen Einschränkungen ausgleichen zu können. Obwohl die frühere Bewohnerin des Behindertendorfes Altenhof seit der Gründung der CASA 1997 dort in ihrer eigenen Wohnung lebt, bleibt ihr der massive Eingriff in die Privatsphäre durch die Pflegedokumentation nicht erspart.

Über die Pflege, die sie täglich in Anspruch nimmt, wird eine exakte Dokumentation geführt, in die laut Gesetz nicht nur sie, als Betroffene, sondern auch Pflegepersonen und Angehörige Einsicht nehmen können. „Ich finde das als Diskriminierung“, hält sie knapp und unmissverständlich fest. Früher reichte es aus, dass die Pfleger/innen die Zeit aufschrieben, ist dem Artikel zu entnehmen.

Zeit könnte sinnbringender eingesetzt werden

Andrea Fröschl, ebenfalls Bewohnerin der CASA, weist zudem auf den relativ hohen Zeitaufwand der Dokumentation hin. Dieser könne schon eine halbe Stunde pro Tag betragen. Diese Zeit könnte wohl sinnbringender eingesetzt werden.

Dass neben dem Zeitaufwand festgehalten wird, welche Medikamente verabreicht wurden, scheint auch den Betroffenen plausibel, wobei Moosbrugger die Aussagekraft der Aufzeichnungen im Streitfall bezweifelt, denn: „Wer dokumentiert schon eigene Fehler!“

Der Geschäftsführer von „assista“, Dr. Heinz Mairhofer, kann das Unbehagen der Betroffenen nachvollziehen. Er möchte gemeinsam mit den Beteiligten Wege finden, wie der Persönlichkeitsschutz mit der Gesetzeslage in Einklang gebracht werden kann. Hierfür will Dr. Mairhofer den gesetzlichen Spielraum prüfen. So ist dort von einer „Dokumentation auf geeeignete Weise“ die Rede.

Nicht zuletzt versichert der Geschäftsführer, dass in Altenhof wohl den Sachwalterinnen und Sachwaltern Einsicht gewährt werde, nicht jedoch den Angehörigen.

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