Persönliche Assistenz in der Steiermark: 450,40 Euro monatlich oder ab ins Heim?

Was in der Steiermark begann wie eine revolutionäre, UN-Konventions-konforme Idee, entwickelt sich nun zur alles entscheidenden Frage: 450,40 € monatlich oder ab ins Heim

Tafel mit dem Aufdruck Steiermark
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Als es möglich war, Persönliche Assistenz zu beantragen, tat ich das, wie auch viele andere Leute, vor dem Hintergrund, ein selbstbestimmtes Leben, möglichst so wie es mir vorschwebt, zu führen. Dies war mir in den letzten beiden Jahren auch einigermaßen möglich, bis dann der Tag des Neuantrags kam.

Nach langer, langer Zeit bekam ich einen Brief, ich möge mich zu einem bestimmten Termin im so genannten IHB-Verein (Verein zur Feststellung des individuellen Hilfebedarfs) einfinden, um über meinen Antrag auf Persönliche Assistenz zu befunden. Gesagt, getan.

Das Gespräch selbst mutete etwas seltsam an, nicht zuletzt auch, da ich bei meinem ersten Antrag auf Persönliche Assistenz schon einmal aufkreuzen musste, sich seither gesundheitlich (Gott sei Dank) bei mir nichts geändert hat, ich mir dort aber vorkam, als würde man mich das erste Mal sehen.

Nun gut, man darf ja nicht so sein, schließlich ist das bei uns befundeten Menschen halt so. Letzten Endes lohnte es sich dennoch, dorthin zu gehen, denn am Schluss erfuhr ich, dass Persönliche Assistenz laut der aktuellen Leistungs- und Entgeltverordnung des Landes Steiermark anstelle von Freizeitassistenz/Familienentlastung genehmigt wird.

Was bedeutet das?

Was dies bedeutet, war mir von Anfang an klar: maximale Jahresstundenanzahl von 240. Viele Stunden? Ja, für einen Tag bestimmt, für 10 Tage auch, jedoch für ein ganzes Jahr? 0,65 Stunden durch diese Leistung täglich finanzieren? Ich finde, das ist dann gar nicht sooo viel!?

Außerdem: „Anstelle von Freizeitassistenz“? Wo beginnt (meine) Freizeit beziehungsweise wo hört diese auf und beginnt das Wohnen?

Völlig verwirrt entschloss ich mich, die Möglichkeit der Recherche anzuwenden: Wikipedia, die da schreibt: „Freizeit im Sinne von arbeitsfreier Zeit ist der Zeitraum, über den der Einzelne frei verfügen kann und in dem er frei von bindenden Verpflichtungen ist. Diese Zeit steht für die Erholung von den Anstrengungen beruflicher und sonstiger Obliegenheiten zur Verfügung. Sie wird aber nicht nur dafür, sondern auch für vielfältige andere Aktivitäten genutzt. Das Wort geht auf die spätmittelalterlichen Rechtsbegriffe „Freye-zeyt“ und ‚frey zeit’ zurück und benannte damals die Zeit des ‚Marktfriedens’. „

Auch diese Definition ließ mich mit lauter Fragezeichen zurück. Also, einfach die Definition abwarten, die mir die Behörde bietet.

Greencard

Verhältnismäßig kurze Zeit darauf, war es auch schon so weit und tatsächlich: 240 Stunden Persönliche Assistenz im Jahr anstelle von Freizeitassistenz. Spricht mich nun etwa die Behörde vom Arbeiten frei und vergibt an mich die Greencard, ab nun nur noch Freizeit machen zu dürfen? Wohl kaum …

Im Sinne der staatsbürgerlichen Pflicht, tat ich das, was man mir im Schreiben anbot, nämlich, dass ich, durch das sogenannte Parteiengehör zur aktuellen Entscheidung Stellung nehmen darf. Noch kürzere Zeit später bekam ich nun einen Bescheid, schwarz auf weiß befundet: 240 Jahrestunden.

Persönliches Sparpaket

Als logische Konsequenz daraus habe ich mich nun an die Arbeit gemacht, mein persönliches Sparpaket zu schnüren und mir zu überlegen, wo ich knapp 47 %, die ich nun weniger bekomme, einspare. Schon bald wurde ich auch fündig, nämlich

  • Ich kaufe nicht mehr ein, dann brauche ich nichts mehr zu essen: weniger gesundheitlich gefährdende Nahrung werde ich dadurch zu mir nehmen und somit zu Einsparungen beitragen.
  • Ich ändere meine Adresse beziehungsweise mache einen Nachsendeauftrag zum Land Steiermark, dadurch brauche ich keine Hilfe mehr beim Post bearbeiten.
  • Ich unternehme in meiner Freizeit nichts mehr, dann brauche ich da auch niemand mehr, schließlich trage ich dadurch ja kräftig zur Wirtschaftsförderung bei.
  • Ich kaufe mir nur pürierte Sachen, dann brauche ich auch niemanden mehr, der mir beispielsweise beim Schneiden hilft. Obendrein erspare ich mir dadurch den Zahnarzt.

Noch sind ja nicht Wahlen!

Ja, aber Hoppla, gibt es da nicht ein Behindertengesetz und eine UN-Konvention? Ja aber bitte schön, seien Sie doch nicht so kleinlich, schließlich sagt Ihnen das steirische Behindertengesetz in § 29: „Die Höhe des monatlichen Entgeltes für die Hilfen gemäß den §§ 21 und 22 ist begrenzt mit der Höhe des monatlichen Entgeltes für eine vergleichbare vollstationäre Hilfeleistung.“ Und da ist es sehr wohl billiger, mich ins fremdsprachige Ausland zu verlegen, als im Heimatland zu unterstützen.

Sozialpolitische Verantwortung? Aber, Moment! Noch sind ja nicht Wahlen! DEINE Zeit kommt erst kurz davor, in der man dir sagen wird, welche Wichtigkeit du parteiübergreifend hast. Wie viele Menschen können das von sich behaupten!?

Und nach den Wahlen? Ja was willst du noch? Drei Wochen Wichtigkeit genügen dir nicht? Du gehörst wirklich in ein Heim für 24-Stunden-Kritiker!

PS: Selbstverständlich wurde der gesamte (behördliche) diesbezügliche Schriftverkehr nicht digital abgewickelt, schließlich würde ich dann ja ganz (selbst)bestimmt dem Schriftverkehr folgen können …

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