Schon nach einer Woche: ORF tanzt der Politik auf der Nase herum

Kaum ist das ORF-Gesetz beschlossen, rückt der ORF von seinen Zusagen ab. Das fällt ihm leicht, weil das ORF-Gesetz keine konkreten Vorgaben zur Barrierefreiheit enthält.

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Der ORF hat in den letzten Jahren die Barrierefreiheit – trotz gesetzlicher Bestimmung im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz – nicht sehr ernst genommen. Doch mit der Novelle des ORF-Gesetzes sollten ihm klare Vorgabe gemacht werden, war mehrfach angekündigt worden.

ORF kommt unter Druck

Begonnen hat es mit den Schlichtungen der letzten Jahre. Zuerst behauptete der ORF, dass das Behindertengleichstellungsgesetz für ihn nicht gelte. Eine kühne Behauptung, die sich schnell als falsch herausstellte.

In einer Schlichtung im Jahr 2006 bekannte sich der ORF daher erstmals verbindlich zu einer „100%igen Untertitelung des kompletten Programmes“. Weiters hieß es: „Wir verpflichten uns, 50 % unserer Programme spätestens bis 31. Dezember 2016 (Ende der nächstfolgenden Geschäftsführungsperiode) zu untertiteln.“

In einer weiteren Schlichtung im Jahr 2007 wurde vereinbart, dass Online-Videos, für die Transkripte vorliegen, untertitelt werden. Spätestens seit dieser Schlichtung wurde dem ORF klar, dass rechtsverbindlichen Vereinbarung von Bedeutung sind. Diese wurde nämlich nicht eingehalten und vor Gericht eingeklagt. (Siehe Verlauf der Klage)

Im Jahr 2008 wurde in noch einer Schlichtung schriftlich festgehalten: „Für den Fall, dass ein grundlegender Relaunch der ORF Internet-Seiten news.ORF.at, sport.ORF.at, oe1.ORF.at, oe3.ORF.at, oesterreich.ORF.at und science.ORF.at vorgenommen wird, verpflichtet sich der ORF diesen Relaunch nach dem aktuellen barrierefreien Standard der futurezone vorzunehmen.“

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit (laut Behindertengleichstellungsgesetz), trotzdem wurde es schriftlich vereinbart – und vom ORF auch eingehalten. Sowohl futurezone und fm4.orf.at als auch oe1.orf.at versuchte man im Zuge einer Überarbeitung möglichst barrierefrei zu gestalten. Die Überarbeitung von news.orf.at ist zugesagt und bereits in Arbeit.

ORF-Gesetz in Verhandlung

Nachdem klar war, dass der ORF ein neues ORF-Gesetz bekommen wird, gab es ein Treffen mit Behindertenorganisationen am 9. Dezember 2009 im ORF-Zentrum.

Nun zeigte sich, dass der Druck auf den ORF immer größer wurde, da auch immer öfter Politikerinnen und Politiker klare Vorgaben für den ORF forderten.

Am 23. Dezember 2009 informierte der ORF über das Treffen mit einer Aussendung unter dem Titel „Weiterer Ausbau der Barrierefreiheit von ORF-Programmen – Untertitelungsanteil für 2011 auf 55 Prozent, mehr Service für sehbehinderte Menschen

ORF-Generaldirektor Dr. Alexander Wrabetz hält darin fest: „Die im Entwurf des neuen ORF-Gesetzes in Aussicht gestellte Teilrefundierung der Entgelte aus gebührenbefreiten Haushalten gibt uns die Möglichkeit, unsere Bemühungen für hör- und sehbehinderte Menschen zu intensivieren und massiv zu erweitern.“

Dann wird es in der Aussendung konkret: „Derzeit untertitelt der ORF rund 33 Prozent seines TV-Angebots in ORF 1 und ORF 2. Das ambitionierte Ziel ist nun, diesen Anteil bis Ende 2010 auf 45 Prozent zu steigern und bis Ende 2011 rund 55 Prozent zu erreichen.“

ORF-Gesetz beschlossen

Auch wenn klar ist, dass die Barrierefreiheit des ORF nicht von der Refundierung einer Gebührenbefreiung abhängen kann, beschloss der Gesetzgeber am 17. Juni 2010 das ORF-Gesetz und sicherte der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt – zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren – noch 160 Millionen Euro (Zwei Jahre 50 Millionen Euro, dann zwei Jahre 30 Millionen Euro) an Budgetmitteln zu.

Doch das ORF-Gesetz enthält nicht – wie mehrfach gefordert – klare Vorgaben an den ORF. Schlussendlich gab das Bekenntnis, dass der ORF mehr untertiteln soll, sich auf einen Plan mit Behindertenorganisationen zu verständigen hat und eine Untertitelung aller Sendungen anzustreben sei. Die Politik zeigt sich trotzdem erfreut.

Klar und verbindlich wurde das ORF-Gesetz beim Thema Barrierefreiheit nicht, bei anderen Themen allerdings sehr wohl. Da wurde exakt geregelt, wie hoch die Frauenförderung sein muss, wie hoch die maximalen Werbeeinnahmen sein dürfen oder wie viele Berichte die Bundesländer liefern dürfen. Einer der in der Öffentlichkeit heftig diskutierten – ganz klaren Punkte – war auch die verpflichtende Einstellung der futurezone; pikanterweise eines der wenigen derzeit barrierefreien Internetangebote des ORF.

ORF setzt nächste Schritte

Nicht einmal eine Woche später, nämlich am 23. Juni 2010, gibt es wieder eine Aussendung des ORF. Darin informiert Wrabetz über, „die aufgrund der teilweisen Refundierung von Mitteln aus der Programmentgeltbefreiung“ geplanten Maßnahmen für das Jahr 2010. Genannt wird u. a. „Erhöhung der Untertitelung auf von 36 auf 40 Prozent im Jahr 2010“.

Das ist bemerkenswert: Zuerst vereinbart man mit den Organisationen 45 % Untertitelungsquote am Ende des Jahres 2010, dann schafft man es (mit angeblicher Unterstützung des Medienstaatssekretärs), eine gesetzliche Festlegung zu verhindern; bekommt trotzdem die 160 Millionen Euro und kürzt einseitig die Vereinbarung. Vom ORF kann man noch etwas lernen.

Ich bin gespannt, wie die Politik auf diesen Affront reagieren und auch, wie das ORF-Gesetz noch weiter ausgelegt werden wird.

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