Menschenrechtspolitisches Entwicklungsland

Österreich hat im Jahr 2008 die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifiziert. Und nun? Ein Kommentar für die Zeitschrift "Gebärdensache 2/2010".

Flagge Österreich
BIZEPS

„Endlich!“, könnte man frohlocken, wenn da nicht die typisch österreichische Eigenart des schlampigen Umgangs mit Menschenrechten wäre.

Es kam, wie es kommen musste. In einem Land wie Österreich, das im Bereich der Menschenrechte und deren Einhaltung höchst unterentwickelt ist, wurde im Jahr 2008 ein Vertrag über Menschenrechte unterschrieben und ratifiziert. Nun, wo es um Einhaltung geht, herrscht Desinteresse.

Was steht in diesem Menschenrechtsvertrag? Die UN-Konvention schreibt eindeutig vor, dass keine Aussonderung im Bildungsbereich stattfinden darf, die Staaten verpflichten sich, auch die Barrierefreiheit zu gewährleisten.

Kurzum: Die Konvention ist ein großartiges Menschenrechtsdokument. Wir können alle stolz sein, dass unsere Menschenrechte außer Streit gestellt wurden. Es sind keine Wünsche oder Bitten mehr; nein, es sind unsere Rechte.

Vieles muss sich ändern

Ganz verstanden hat die Politik diesen Änderungsbedarf durch die nunmehr garantierten Rechte noch nicht. Häufig begegnet man noch immer einer Haltung, wie „das war schon immer so“ oder manches Mal sogar „da könnte ja jeder kommen“ oder „dafür haben wir derzeit kein Geld“.

Doch betrachten wir einmal die Fakten genauer: Nur ein Drittel der Sendungen im ORF werden untertitelt. Das Bildungswesen für gehörlose Personen ist desolat. Lehrerinnen und Lehrer – selbst in Gehörlosenschulen – müssen nicht ordentlich die Österreichische Gebärdensprache beherrschen. Dolmetschung wird nur unzureichend finanziert. Die Aufzählung der Missstände könnte noch lange fortgesetzt werden.

Wie bitte?

Wenn man nun die garantierten Rechte der UN-Konvention betrachtet und mit dem Ist-Zustand vergleicht, zeigt sich der gigantische Handlungsbedarf der Republik.

Doch wie gänzlich anders beurteilt die Verwaltung diesen Umstand. In einer kürzlich bekannt gewordenen Anfragebeantwortung schreibt das Sozialministerium: „Wie anlässlich der Ratifizierung des Übereinkommens in den erläuternden parlamentarischen Materialien festgestellt wurde, sieht Österreich die wesentlichen Inhalte der Konvention durch die Rechtswirklichkeit für erfüllt an“.

„Wie bitte?“, schießt es einem beim Lesen dieser Zeilen durch den Kopf. Das Ministerium sagt damit – mehr oder weniger deutlich – : Wir sind der Meinung, dass wir die Konvention im Wesentlichen erfüllen.

Diese Antwort ist natürlich eine Frechheit, weil damit versucht wird, unsere Menschenrechte kleinzureden. Doch das kann nicht gelingen, weil Österreich diesen Menschenrechtsvertrag unterschrieben hat. Und Verträge sind bekanntlich einzuhalten; egal ob es ein Mietvertrag oder ein Menschenrechtsvertrag ist.

„Österreich ist menschenrechtspolitisches Entwicklungsland“. Das wird natürlich bei uns in Österreich nicht so gerne gehört, aber ich bin der Meinung, dass es so ist.

Aber es besteht Hoffnung. Wir können dies gemeinsam ändern. Unser Werkzeug ist die UN-Konvention. Packen wir es an!

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