30 Jahre Teletext, 29 Jahre Untertitelung

„Noch einmal: Was machst Du? Fernsehen für Taubstumme? Im Ernst? Warum nicht gleich für Blinde!“ Bericht von Hannes Märk in der Zeitschrift Monat der ÖAR.

Teletext im ORF
BIZEPS

Ungefähr so wurde vor Jahren in Österreich das Thema „Barrierefreier Zugang zu den Medien“ abgehandelt. Und zwar nicht nur im ORF. Inzwischen ist der beleidigende Begriff „taubstumm“ aus den Medien weitgehend verschwunden, und auch sonst hat sich vieles verändert. Auch im ORF.
Am Anfang war das Wort. Als der ORF im Jänner 1980 den Teletext einführte, hatten die stark schwerhörigen und gehörlosen Menschen, die mit gesprochener Sprache auf dem Fernsehschirm wenig bis nichts anfangen konnten, plötzlich Zugang zu den wichtigsten Nachrichten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Sport. Die BBC hatte die Idee, die in allen Haushalten vorhandenen TV-Monitore auch als Informationsquelle für die hörbehinderten FernsehzuseherInnen zu nutzen. So ganz nebenbei wurde daraus rasch ein Massenmedium.
Noch im Sommer 1980 bestellte der ORF einen Teletextrechner der zweiten Generation. Jetzt konnten wir sogar Teletext-Untertitel produzieren. Mit dieser frohen Kunde ging ich zu einem Vorstandstreffen des Österreichischen Gehörlosenbundes.
Ich erzählte den fünf eher skeptisch wirkenden Herren in dunklen Anzügen, dass für die gehörlosen Menschen jetzt ein neues Zeitalter anbrechen werde und dass … „Herr Märk!“, unterbrach mich der Präsident, „ wir hören nicht, wir müssen von ihren Lippen ablesen. Bitte sprechen Sie langsam und deutlich!“ Aha. Irgendwie funktionierte die Kommunikation dann doch noch überraschend gut, und unser Plan, im Dezember mit der Untertitelung des täglichen Lebenshilfemagazins „WIR“ und den eigenproduzierten „Tatort“-Krimis zu beginnen, wurde gutgeheißen.
Das Untertitel-Angebot wuchs dann langsam aber stetig, in den ersten Jahren waren es vor allem Filme und Serien. Die erste große Umfrage, mit der wir die speziellen Bedürfnisse unserer Zielgruppe erkunden wollten, brachten dann die große Überraschung: Ganz vorne auf der Liste jener Sendungen, die unsere Kunden untertitelt haben wollten, standen Informationssendungen. In diesem Bereich gab es offenbar ein riesiges Defizit.
Mit viel Bauchweh begannen wir im Jänner 1985 mit der Untertitelung der täglichen „Zeit im Bild“ m 19:30 Uhr, schrittweise folgten dann alle Wochenmagazine des Aktuellen Dienstes (Inlandsreport, Auslandsreport usw.), diverse Dokumentationen und die Reihe „Universum“.
Neben der Informationsoffensive wurde die Untertitelung aber auch in den Bereichen Filme und Serien, Unterhaltung, Jugend und Familie, Religion und Sport stetig erweitert. Derzeit bieten wir rund 35% aller Sendungen auf ORF 1 und ORF 2 mit Untertiteln an.
30 Jahre Teletext und 29 Jahre Untertitelung. Was hat sich in dieser Zeit nicht alles verändert! Inzwischen gibt es Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsgesetze, und es gibt eine junge Generation von hörbehinderten Menschen, die ihre Rechte kennt und sie auch einfordert. Webbasierende Online-Sender bringen Nachrichten und Reportagen in Österreichischer Gebärdensprache (ÖGS). Hörbehinderte Menschen betreiben Beratungs- und Fortbildungseinrichtungen für hörbehinderte Menschen. Im Österreichischen Parlament sitzt eine gehörlose Abgeordnete.
Was ist mit dem ORF? Generaldirektor Wrabetz will die Programme des ORF jetzt in großen Schritten barrierefrei machen, die Politik hilft bei der Finanzierung. Und der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr will gehen.
Hannes Märk ist seit 1974 als Journalist beim ORF. Zuletzt leitete er das Hörbehinderten-Service und verlässt den ORF mit Jahreswechsel.

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