Deutschland: Chronik eines angekündigten Rechtsbruchs

Kommentar von Von H.-Günter Heiden

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CSU-Verkehrsstaatssekretär Andreas Scheuer (36) liebt kernige Sprüche: “Sagen was man denkt und tun, was man sagt” – so stellt er auf seiner Homepage den Leitsatz für sein tägliches Handeln dar. Eindeutig rechtsbrechendes Handeln hat er für Mittwoch, den 3. August angekündigt: Dann nämlich soll im Bundeskabinett eine Novelle zum Personenbeförderungsgesetz durchgewunken werden. Der befremdliche Inhalt: Die Liberalisierung des Fernbusverkehrs ab 2012 ohne barrierefreie Fernbusse, vorausgesetzt Bundestag und Bundesrat stimmen im Herbst zu.

Bereits am 11. März 2011 hatte Scheuer auf eine Frage des Abgeordneten Ilja Seifert (Die Linke) geantwortet: Die Bundesregierung beabsichtige nicht, die Genehmigung für den innerstaatlichen Busverkehr an den Einsatz barrierefreier Busse zu binden. Ein klarer Verstoß gegen Artikel 9 der UN-Konvention! Diese unerschütterliche Haltung bekräftigte Scheuer dann noch einmal wortgleich in einer Antwort an den Abgeordneten Markus Kurth (Bündnis90/Die Grünen) am 20. Juli.

Die Konsequenz im Alltag ab 2012 wird also sein: Die einen, die noch gut zu Fuß sind, dürfen in die Busse rein, die anderen, die auf Rollstuhlrädern kommen, müssen draußen bleiben!

Vermarktet wird der schöne neue Fernbusverkehr übrigens auch damit, dass es so eine preisgünstige Alternative für Reisende mit kleinem Geldbeutel geben werde. Merke: Wer es nicht so dicke im Portemonnaie hat, sollte wenigstens gut zu Fuß sein.

Da kann ich nur hoffen, dass jetzt keiner an das böse Wort “Apartheid” gedacht hat. Obwohl – ein konkreter Tatbestand aus der Anti-Apartheid-Konvention der UNO von 1973 lautet: “Gesetzliche und andere Maßnahmen, die darauf abzielen, die Teilnahme am politischen, sozialen und kulturellen Leben zu verhindern”. Okay, das hat sich auf die Hautfarbe bezogen, aber da kann man doch ins Grübeln kommen, oder?

Apropos Bus und Trennung nach schwarzer und weißer Hautfarbe: Da fällt mir noch etwas anderes ein: Am 1. Dezember 1955 weigerte sich die schwarze Näherin Rosa Parks in Montgomery (Alabama), für einen weißen Fahrgast Platz zu machen. Sie hatte sich in den Teil des Busses gesetzt, der für Weiße reserviert war. Diese Begebenheit war ein Auslöser für die nachfolgende Bürgerrechtsbewegung der schwarzen Amerikaner. In der Bundesrepublik hieß später ein Slogan der Behindertenbewegung “Busse und Bahnen für alle!”.

Will die Regierung beim Fernverkehr jetzt die Fehler wiederholen, die beim Nahverkehr in jahrelanger Kleinarbeit behoben wurden (und immer noch werden)?

Noch einmal zurück zum O-Ton von Staatssekretär Scheuer: “… beabsichtigt die Bundesregierung nicht, die Genehmigung für den Busfernlinienverkehr an den Einsatz barrierefreier Busse zu binden.” Das heißt doch nichts anderes als: Wir beabsichtigen, auf Dauer gegen geltendes Recht zu verstoßen und scheren uns keinen Deut um die UN-Konvention! Aktionsplan hin, Staatenbericht her. Danke für die Transparenz, Herr Scheuer!

Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Am 3. August soll im Kabinett auch der 1. Staatenbericht Deutschlands verabschiedet werden. Darin wird berichtet, wie vorbildlich hierzulande in den vergangenen zwei Jahren die UN-Behindertenrechtskonvention umgesetzt wurde. Ein Schelm, der Böses dabei denkt!

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