Mario Kowald: „Wir sind eine Stadt der Menschenrechte“

In einem ausführlichen BIZEPS-INFO Interview erzählt der Grazer ÖVP-Gemeinderat Mag. Mario Kowald über aktuelle Projekte zur Schaffung von Barrierefreiheit in der Steiermärkischen Landeshauptstadt.

Martin Ladstätter interviewt Mario Kowald
kobinet/rba

Ein Punkt beim Sommercamp für ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen vom 1. bis 5. August 2011 in Graz war die Besichtigung des Grazer Rathauses.

In Vertretung des Bürgermeisters, Mag. Siegfried Nagl (ÖVP), empfing der blinde ÖVP-Gemeinderat Mag. Mario Kowald die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Sommercamps im Gemeinderatssaal und lud anschließend im Stadtsenatssitzungssaal zu einem Buffet.

BIZEPS-INFO nutzte die Gelegenheit für ein ausführliches Interview mit dem ÖVP-Lokalpolitiker.

Laufbahn des ÖVP-Gemeinderates Mag. Mario Kowald

Der blinde Jurist wurde 1975 geboren und hat einige Jahre beim Bundessozialamt Landestelle Steiermark gearbeitet. „Dort durfte ich die Arbeitsassistenz mitaufbauen“, erzählt er im Interview und berichtet, dass er vor seiner politischen Laufbahn bei NGOs tätig war.

Er leitete vier Jahre lang den Steiermärkischen Blinden- und Sehbehindertenverband und war auch jahrelang Vertreter der Aktionsgemeinschaft an der Österreichischen Hochschülerschaft. Anschließend arbeitete er in Gremien des ÖAAB mit und war Sprecher für Menschen mit Behinderungen.

Seit der Wahl im Jänner 2008 sitzt er als Abgeordneter für die ÖVP im Gemeinderat. Der Gemeinderat umfasst 56 Abgeordnete. Sein Platz im 1550 erbauten Rathaus ist übrigens mit einer Braillebeschriftung versehen, zeigte er den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Sommercamps.

Tourismus: Vermarktung forcieren

Beim Sommercamp 2011 in Graz referierte Mag. Karin Ofenbeck zum Thema barrierefreier Städtetourismus und verglich Erfurt und Graz.

Mario Kowald möchte das Potential von Graz nutzen. 2003 war Graz Europäische Kulturhauptstadt. „Von da an hatte Graz einen Aufschwung“, blickt er zurück.

„Im Bereich barrierefreier Tourismus hat sich aber noch zu wenig getan“, hält er selbstkritisch fest und verweist darauf, dass „keine Broschüren bestehen und dass die Vermarktung zu wenig forciert wird“.

Auch Bürgermeister Mag. Siegfried Nagl hat erst kürzlich bei der Veranstaltung „Ist unsere Politik blind?“ am 3. August in Graz „Handlungsbedarf“ gesehen. Es gebe beispielsweise „ein Manko im Hotelbereich“.

Mario Kowald kündigte gegenüber BIZEPS-INFO an: „Wir werden uns mit dem Tourismus-Chef zusammensetzen und Verbesserungen vornehmen. Es muss jetzt unser Ziel sein, einen Folder anzubieten, der die barrierefreien Tourismus-Infomationen enthält.“ Ziel sind noch mehr behinderte Gäste, die gerne „Geld da lassen“ – die Infrastruktur in Graz ist schon jetzt sehr gut.

Barrierefreiheit ausbauen

Die Kultureinrichtungen sind Dank des Jahres 2003 (Graz war Europäische Kulturhauptstadt) recht gut. Nun wird auch der öffentliche Nahverkehr laufend verbessert. „Bis 2013 wird jede Straßenbahn einen Niederflurteil haben“, kündigt der ÖVP-Gemeinderat an. Man setze in Graz primär auf manuelle Rampen, weil „die elektronischen Rampen teilweise fehleranfällig sind“ – siehe Video.

Im Frühjahr wurde weiters beschlossen, „für 100.000 Euro das Rathaus und das Grazer Amtshaus barrierefrei umzugestalten“, informiert Kowald und ergänzt: Der Umbau erfolgt „wahrscheinlich bis 2012“.

Barrierefreiheit ist ihm ein wichtiges Anliegen und passe auch gut zu Graz, erwähnt er. „Wir sind eine Stadt der Menschenrechte“, hält er selbstbewusst fest.

„B-Wohnungen in einem schlechten Zustand“

Seit 1965 gibt es in Graz „Behindertenwohnungen, die auch teilweise „B-Wohnungen“ genannt werden. Sie entsprechen bei weitem nicht mehr dem heutigen Standard. „B-Wohnungen sind in einem schlechten Zustand in Bezug auf Barrierefreiheit“, zeigt der ÖVP-Lokalpolitker im Gespräch auf. Er habe daher im Gemeinderat im Juni einen Antrag auf Evaluierung eingebracht, der „wohlwollend angenommen wurde“, berichtet er.

Er habe Gespräche mit der KPÖ (für Wohnbau zuständig) und SPÖ (für Soziales) geführt und hofft, dass diese Wohnungen wieder dem Wohnungsamt zugeordnet werden. „Auch die Grünen sind dafür.“

Das Wohnungsamt ist übrigens seit Juli 2011 barrierefrei erreichbar, führt er aus und hofft, dass für wohnungssuchende behinderte Grazerinnen und Grazer in Zukunft wieder das Wohnungsamt zuständig ist – „wie für andere auch“. Ende des Jahres erwarte er diesbezüglich eine Abstimmung und Entscheidung.

Mehr behinderte Menschen in die Politik

Mehrfach betont er beim Sommercamp in Graz – an dem er heuer teilgenommen hat – die „Notwendigkeit der Selbstvertretung behinderter Menschen in der Politik“ und kritisiert, dass derzeit von den politischen Parteien kaum selbstbetroffene Expertinnen und Experten aufgestellt würden.

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