Ich habe einen Traum

Birgit und Ilse Mayer sowie deren Beraterin Jasna Puskaric stellten im Rahmen des BIZEPS-Kongresses zur Persönlichen Assistenz im April 2011 eine Beratungssituation nach.

Birgit und Ilse Mayer sowie Jasna Puskaric
BIZEPS

„Ich habe einen Traum“, steht im Programm, wies die Moderatorin, Maria Brandl, auf den folgenden Programmpunkt hin. „Große Worte. Die Frau Mayer hat mir gesagt, sie hat diese natürlich von Martin Luther King übernommen“, berichtete Brandl.

Birgit Mayer – als Vertreterin jener Gruppe von Menschen die derzeit keinen Anspruch auf die Pflegegeldergänzungsleistung hat – träumt. Sie hat ein wenig Persönliche Assistenz doch keinen Anspruch auf Pflegegeldergänzungsleistung.

Auch ihre Mutter, Ilse Mayer träumt. Begleitet wurde dieses Rollenspiel von der WAG-Beraterin Jasna Puskaric, die wissen wollte, was dies für Träume sind und wie sie Realität werden können.

„Sie haben ja schon seit einigen Jahren Assistenz und nutzen diese für die Grundbedürfnisse in der Früh, zum Aufstehen, sehr viel eben, um die Mutter zu entlasten“, leitete Jasna Puskaric das Gespräch ein und führte aus: „Und ich kann mich erinnern, dass Sie mir gesagt haben, das war der ausschlaggebende Grund dafür, dass Sie es endlich einmal probiert haben, mit Persönlicher Assistenz in Urlaub zu fahren.“

Mein erster Urlaub ohne Mutter oder Vater

Ilse Mayer bejahte dies. Sie hatte ihre Erlebnisse verschriftlicht und ließ die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kongresses daran teilhaben: „Letzten Sommer bin ich mit zwei Assistentinnen und meiner Cousine nach Amsterdam geflogen. Wir waren drei Nächte und vier Tage dort. Das war der erste Urlaub ohne Mutter oder Vater. Damals war ich 26 Jahre alt. Wir sind mit der AUA hin- und zurückgeflogen. Körperpflege, WC, Anziehen, Rollstuhl schieben, machten sich meine Assistentinnen untereinander aus. Meine Cousine hat immer wieder ausgeholfen beim Rollischieben, Organisieren und so weiter. Meine Assistentinnen hätten alles allein machen können, aber meine Cousine kam mit, weil sie wie eine Freundin für mich ist“, war dem Bericht zu entnehmen.

Wie ist es ihr ergangen? „Ich habe überhaupt keine Angst gehabt, ohne meine Mutter wegzufahren. Meinen Assistentinnen vertraue ich und meiner Cousine sowieso, also ist mir meine Mutter nicht abgegangen. Es war für mich ein ganz anderes Gefühl, als mit meiner Mutter oder meinem Vater und meinen Schwestern wegzufahren. Ich habe diese Freiheit sehr genossen, weil ich sie nicht gekannt habe, und ich war froh, Urlaub machen zu können, ein bisschen, wie andere junge Leute auch. Heuer möchte ich gerne wieder einen Städtetrip unternehmen, ohne Mutter, ohne Vater. Das ist mein Traum.“

Anfangs war ich natürlich etwas aufgeregt

Im Beratungsgespräch wollte Jasna Puskaric wissen, wie es der Mutter dabei ergangen ist. „Also, anfangs war ich natürlich auch etwas aufgeregt, aber ich habe gesehen, dass das alles wunderbar funktioniert. Das war der Birgit ihr Traumurlaub sozusagen“, erinnerte sich Ilse Mayer an den Urlaub ihrer Tochter.

Im Anschluss erzählte sie über den Alltag. „Weil, es gibt nicht nur Urlaub im Leben, und es gibt auch Träume für den Alltag“ und sie zählte auf, „wie sie es gerne hätte, wie es funktionieren kann, auch wenn sie nicht in die Zielgruppe vom FSW fällt, weil sie eine Lernbehinderung hat. Aber sie ist nicht hilfloser; sie kann sich wirklich sehr gut Hilfe organisieren, wenn sie es braucht“.

Zuerst befürchtete sie, dass Persönliche Assistenz ein „irrsinnigem Organisationsaufwand“ sei. „Aber wir haben es dann doch in Angriff genommen“ und die ersten Erfahrungen mit den Assistentinnen waren sehr gut. „Ich habe dann irgendwie gemerkt, ja, die Birgit blüht auf. Es geht nicht mehr nur um Körperpflege, sondern sie geht zu Starbucks oder sie geht ins Kino auch hier und da mal.“

Das ganze habe dann „fast unbemerkt an Dynamik gewonnen; auf einmal habe ich gemerkt, das funktioniert so gut, und ich tue nicht viel. Die Assistentinnen haben sich das untereinander ausgemacht mit der Birgit, wer wann kommt“. Abschließend hielt sie fest: „Und wie wir gehört haben, hat sie ja den Wunsch oder den Traum nach einem selbstbestimmten Leben auch, und eben nicht kategorisiert zu werden als unfähig, eigene Entscheidungen zu treffen.“ Sie hofft auf ein Umdenken beim Fonds Soziales Wien „weil, eine Investition in Lebensqualität kann nie schlecht sein“.

Es reicht derzeit nicht

Doch die wenigen Stunden an Persönlicher Assistenz – die sie sich derzeit organisieren kann – reichen für Birgit Mayer bei weitem nicht, teilte sie mit. Sie wird weiter dafür kämpfen, dass sie eines Tages genug Stunden bewilligt bekommt, damit sie selbstbestimmt leben kann.

Über die Veranstaltung

Der Kongress zur Persönlichen Assistenz am 14. und 15. April 2011 in Wien wurde von BIZEPS-Zentrum für Selbstbestimmtes Leben organisiert und vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gefördert. Fotos vom Kongress sind auf Flickr zu sehen. Hier finden Sie die Liste aller Vorträge.

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