Wie soll die Pflegevorsorge weiterentwickelt werden

"Wie kam es zur Pflegevorsorge?", "Wie ist der Ist-Zustand?" und "Wohin sollte sich das Gesetz weiterentwickeln?" waren einige der Fragen, mit denen sich DSA Manfred Srb bei seinem Referat beim BIZEPS-Kongress beschäftigte.

Manfred Srb
BIZEPS

Eröffnet hatte Manfred Srb seinen Vortrag beim BIZEPS-Kongress am 15. April 2011 mit einem Blick in die Vergangenheit und beschäftigte sich mit der Frage, wie es zur Pflegevorsorge kam – „Manche waren damals schon dabei, manche waren noch nicht dabei, weil sie ganz einfach damals zu jung waren.“

Es „stechen einem sofort einige Parallelen ins Auge“, wenn man die damaligen Diskussionen der „auslaufenden 80er Jahre und den Beginn der 90er Jahre“ rund um die Pflegevorsorge mit der jetzigen heutigen Diskussion vergleicht.

Vor der Pflegevorsorge – „ich verwende den Begriff nur sehr widerwillig, denn er ist für mich ein ziemlich unschönes Bürokratendeutsch“ – stellte sich die Situation so dar, erinnerte er: „Es gab damals uneinheitliche Leistungen zu uneinheitlichen Bedingungen, es wurde behauptet, die Mittel stünden nicht zur Verfügung.“

Einerseits nur ganz geringe Pflegegelder der Bundesländer, die sehr unterschiedlich waren und auf die es keinen Rechtsanspruch gab und andererseits eine Bundesleistung – genannt „Hilflosenzuschuss“. Interessantes Detail: Man hatte auf den Hilflosenzuschuss 14 mal jährlich Anspruch und er wurde jährlich um die Inflationsrate erhöht.

Jeder fühlte sich unzuständig

Der Bund erklärte sich als nicht zuständig, die Länder taten das Gleiche, auch die haben gesagt: Wir sind nicht zuständig, das soll der Bund machen. „Es kommt Ihnen sicher bekannt vor“, wandte sich Manfred Srb an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kongresses und meinte: „Sie sehen also, leider Gottes wiederholt sich die Geschichte, ob wir wollen oder nicht.“

Weiters gab es noch Leistungen aus der Unfallversicherung (Stichwort: Arbeitsunfall) sowie die Gruppe der Kriegsopfer. „Auf diese Leistungen gab es einen Rechtsanspruch und vor allem waren die Gelder, die Pflegegelder wesentlich um ein Mehrfaches höher als die seinerzeitigen Pflegegelder der Länder.“

Ungleichheit vor dem Gesetz

„Das ist doch eine Ungerechtigkeit“, sagten wir und fragten: „Warum wird gefragt, welche Ursache der Behinderung vorliegt.“ Dies blieb nicht folgenlos. „Das hat uns wirklich sehr geärgert, weil wir gesagt haben: Das ist eine Ungleichheit vor dem Gesetz“, blickte Manfred Srb in seiner Rede zurück.

Es folgten österreichweite Unterschriftenaktionen – initiiert vom Österreichischen Zivilinvalidenverband. „Der war sehr aktiv“, so Srb. Es war klar, dass man auch ausreichende Leistungen – ähnlich den Kriegsopfern – wollte.

„Auf der anderen Seite haben wir mächtige Gegner gehabt“, zeigte er auf und führte aus: „Einer war der damalige Sozialminister, der hat überhaupt nichts davon gehalten. Auch der leitende Beamte im Sozialministerium war damals sehr skeptisch und hat gesagt, das sollen wir uns aus dem Kopf schlagen.“

Aber die Betroffenen sind überzeugt gewesen, dass „wir ein moralisches Recht haben, auch bessere Leistungen zu bekommen“.

Kraft aus Empörung

Diese Empörung hat den Betroffenen damals die Kraft gegeben, um österreichweit alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Der Bogen reichte von Streitgesprächen, Briefen, Telegrammen, Telefonaktionen, Unterschriftenlisten bis parlamentarischen Anfragen und auch Anträgen. Man habe auch den damaligen Bundeskanzler „Vranitzky aufgelauert und ihn mit unseren Forderungen konfrontiert“.

All diese Aktivitäten führten zur Erarbeitung von Konzepten. „Das ist im Ministerium unter unserer aktiven Mitwirkung geschehen, weil das haben ja wir angeregt, also da war es nicht so, dass das Ministerium auf die Idee gekommen ist oder irgendwer, sondern wir haben das gefordert. Es gab die Dinge im Antrag und dann musste das Ministerium das machen“, resümierte Srb und zeigte damit Parallelen zur jetzigen Situation auf.

Es reicht uns jetzt

Als dann trotzdem nichts weitergegangen ist, hatte man entschieden: „Es reicht uns jetzt, wir müssen die Öffentlichkeit aufrütteln, den politischen Druck erhöhen.“ Es folgten Mahnwachen und schlussendlich ein zehntägiger Hungerstreik im Parlament über den „sämtliche Medien in Österreich berichtet haben“.

Nach weiteren Verhandlungen kam man überein, dass sich Bund und Länder beteiligen – in einem sogenannten 15a-Vertrag.

Srb: Ich bin wirklich stolz

Im Jahr 1993 ist das Bundes-Pflegegeldgesetz dann in Kraft getreten. Er berichtete so ausführlich, „weil ich bin wirklich stolz darauf, als Mitglied der österreichischen Behindertenbewegung, dass es eines der ganz, ganz wenigen Gesetze in Österreich ist, die, welches von den Betroffenen erkämpft worden ist, weiter entwickelt worden ist und letzten Endes auch erreicht werden konnte“.

Das Gesetz war „ein wesentlicher Schritt und Fortschritt für die damalige Zeit“ und könnte und sollte „Basis für weitere Schritte sein“.

Offene Stufe beim Pflegegeld

Schon damals war klar, dass für schwerbehinderte Menschen das Pflegegeld zu gering ist. Man habe daher die Forderung der „offenen Stufe“ erhoben. Also eine Stufe, „wo dann Menschen, die Persönliche Assistenz bezahlen müssen, das Geld bekommen, was sie brauchen, gegen Nachweis der Kosten“.

Dieser Punkt konnte damals noch nicht erreicht werden.

Ist-Stand

Kurz ging er auf den Ist-Stand ein und erwähnte einerseits seine Freude über den 5-Parteien-Antrag, in dem der Sozialminister aufgefordert wird, mit den Ländern Vorschläge für eine bundesweit einheitliche Regelung der Persönlichen Assistenz in allen Lebensbereichen zu erarbeiten. Er warnte aber gleichzeitig, dass sich die Länder nichts vorschreiben lassen müssen und der Sozialminister vielleicht keine Aktivitäten setzt.

Er streifte auch den kürzlich geschaffenen Pflegefonds. „Für unsere Anliegen bringt der Pflegefonds nach meiner Einschätzung nichts“, hielt er prägnant fest und sprach von einem „Etikettenschwindel“, weil ein großer Teil der Gelder aus dem Sozialabbau, der im Vorjahr beschlossen wurde, finanziert werde.

Auf etwas Bestehendem aufbauen

Im letzten Teil seines Referates präsentierte er seine Ideen für die Weiterentwicklung. „Ich finde, wir sollten grundsätzlich versuchen, auf etwas Bestehendem aufzubauen“, erläuterte er und wiederholte den Gedanken der „Offenen Pflegegeldstufe“, die man „in das Bundes-Pflegegeldgesetz einbauen sollte“ und womit man „die Finanzierung der Persönlichen Assistenz“ sicherstellen könnte.

Man könnte „das Gesetz so belassen, wie es ist“ und diese Weiterentwicklung wäre „eine logische Fortsetzung dieses Gesetzes“, zeigte er eine elegante Umsetzungsvariante auf.

Abschließend machte er den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des BIZEPS-Kongresses Mut: „Wir können etwas erreichen, wenn wir das wirklich wollen! Die österreichische Behindertenbewegung hat das in der Vergangenheit bei verschiedenen Gelegenheiten schon hinlänglich bewiesen“ und rief auf: „Wenn wir überzeugt sind, dass wir ein moralisches Recht darauf haben – und mit der UN-Konvention im Rücken -, dann wird es uns auch die Kraft geben“.

Über die Veranstaltung

Der Kongress zur Persönlichen Assistenz am 14. und 15. April 2011 in Wien wurde von BIZEPS-Zentrum für Selbstbestimmtes Leben organisiert und vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gefördert. Fotos vom Kongress sind auf Flickr zu sehen. Hier finden Sie die Liste aller Vorträge.

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