Das Jahr 2011 im Rückblick: Die Untätigkeit des Sozialministeriums

Wie schaut das behindertenpolitische Resümee des abgelaufenen Jahres aus? Kurz gesagt: Sehr ernüchternd. Ein Kommentar.

Viel Zeit ist vergangen
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Begonnen hat das Jahr 2011 mit den Auswirkungen des Sparpakets, welches im Dezember 2010 beschlossen wurde. Recht schnell wurde klar, dass die Auswirkungen beim Pflegegeld noch drastischer sind, als ursprünglich angenommen.

Nun könnte man weitere Ereignisse des Jahres, wie beispielsweise die Parkplatzaffäre von Ex-Abgeordnetem Norbert Kapeller, die Vorfälle bei der Lebenshilfe Tirol, die Proteste in Graz gegen die massiven Kürzungen im Sozialbereich des Landes Steiermark, permanentes Ignorieren der Anmerkungen der Wiener Interessensvertretung oder die geplante Rücknahme der verpflichtenden Barrierefreiheit in Oberösterreich analysieren.

Darüber – und über andere Vorgänge – gab es von BIZEPS-INFO im abgelaufenen Jahr wieder hunderte Artikel, die alle im Archiv nachlesbar sind.

Bemerkenswert – und für mich auch hier berichtenswert – ist aber die anhaltende Untätigkeit des Sozialministeriums im Behindertenbereich im Jahr 2011. Beispiele gefällig? Man könnte viele aufzählen, ich beschränkte mich aber hier auf diese 3 Ausführungen:

Nationaler Aktionsplan – bitte warten

Am 15. Februar 2011 wurde endlich die lang erwartete „Auftaktveranstaltung zur Erstellung des Nationalen Aktionsplans für Menschen mit Behinderung“ abgehalten, die schon im März 2010 (!) angekündigt worden war. Diese Auftaktveranstaltung verlief ernüchternd. Die angeblich so wichtige Partizipation behinderter Menschen fand nur an diesem 15. Februar 2011 statt – seither herrscht im Sozialministerium anscheinend Sendepause.

„Was wir bei der Entwicklung des Nationalen Aktionsplans (NAP) für Menschen mit Behinderungen in Österreich heuer erlebt haben, war nicht Partizipation, sondern Provokation“, meint etwa Mag.a Bernadette Feuerstein von SLIÖ.

Angeblich gibt es einen Entwurf eines Aktionsplans und angeblich soll der auch irgendwann vorgestellt werden. Als Treppenwitz zu werten ist aber Umstand, dass dies im Jahr 2012 geschehen wird und so angekündigt wurde: „Der Aktionsplan soll die Leitlinien der österreichischen Behindertenpolitik für die nächsten zehn Jahre beinhalten (2011-2020).“ Man wird also im Jahr 2012 erfahren, was im Jahr 2011 getan hätte werden sollen.

Untätigkeit auch bei der Gleichstellung

Auch im Gleichstellungsbereich – ebenfalls in der Verantwortung des Sozialministeriums – tat sich im abgelaufenen Jahr kaum etwas. Nachdem im Jahr 2009 vereinbart wurde, dass das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz evaluiert wird, gab es im Jahr 2010 mehrere Arbeitssitzungen, die sich intensiv mit diesem Thema auseinandersetzten, um bis Ende 2010 Ergebnisse zu liefern.

Diese teilweise ernüchternden Fakten liegen seither unveröffentlicht im Sozialministerium herum und harren einer Umsetzung. (Titel der Studie: „Wirkungsorientierte Evaluierung des österreichischen Behindertengleichstellungsrechts – Wien, Dezember 2010“)

Nur ein einziges Mal – wahrscheinlich unabsichtlich – verwies Sozialminister Rudolf Hundstorfer auf die bis jetzt unter Verschluss gehaltenen Ergebnisse. Angeblich soll vor einer Veröffentlichung noch eine weitere Studie eingearbeitet werden.

Arbeitsgruppe zur Persönlichen Assistenz ohne Betroffene

Besonders dreist war das Sozialministerium beim Thema Persönliche Assistenz. Auf Aufforderung des Parlaments wurde eine Arbeitsgruppe mit Sozialministerium und Bundesländern gegründet, die mehrfach (März, Mai und November 2011) zusammentrat und bis jetzt ohne Einbindung von Betroffenen tagte.

Die Interessenvertreter der Menschen mit Behinderung werden erst dann miteinbezogen werden, wenn ein gemeinsames Konzept vom Bund und von den Ländern vorliegt, erfuhr man diesbezüglich.

Auch hier sieht man wieder eindeutig: Partizipation ist dem Sozialministerium derzeit wirklich kein Anliegen. Und wenn doch, dann bestenfalls als Lippenbekenntnis.

Aber 2012!

Werden all diese Versäumnisse im Jahr 2012 bereinigt? Wird das Sozialministerium nun mit Hochdruck zu arbeiten beginnen?

„Ich höre schon die Ausrede: Wir sind mit dem Sparpaket beschäftigt und haben keine Kapazitäten für so etwas. Da werden wir aufpassen, dass solche Ausreden nicht mehr durchgehen.“ – das sage nicht ich, sondern dies hielt kürzlich der Präsident der NÖ-Arbeiterkammer, Hermann Haneder, diesbezüglich fest und forderte mit Nachdruck die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention.

Hoffentlich behält er nicht recht.

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