Wie werden die Behindertenparkausweise zukünftig vergeben?

Ein Ministerialentwurf lag im Vorjahr zur Begutachtung und Stellungnahme auf - nun gibt es eine Regierungsvorlage. Grundsätzliche Probleme sind allerdings immer noch nicht gelöst.

Fahrer mit Parkausweis § 29 b StVO
ARBÖ

Grundsätzliches Anliegen der Neuregelung ist vor allem die Übertragung der Kompetenz zur Ausstellung dieser Ausweise von den Bezirkshauptmannschaften (in Wien vom Magistrat) – an das Bundessozialamt. Dieser Punkt war Teil des Regierungsprogramms aus dem Jahr 2008.

Weiters sollen uralte Ausweise (vor dem Jahr 2001 ausgestellt) endlich für ungültig erklärt werden. Umstrittenster Punkt der geplanten Neuregelung ist allerdings die deutliche Ausweitung des Kreises jener Menschen, die in Zukunft anspruchsberechtigt sein werden.

Stellungnahmen

Wir bringen hier auszugsweise Stellungnahmen zur vorgeschlagenen Novelle:

Das Sozialministerium wünscht sich, dass die alten Parkausweis noch bis Ende 2016 Gültigkeit haben.

„Grundlage und Anknüpfungspunkt der Parkerleichterungen sollte die Behinderung, nicht aber die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sein“, bemängelt das Kuratorium für Verkehrssicherheit die geplante Änderung der Anspruchsvoraussetzung.

Der Rechnungshof verweist auf den Mangel, dass neue Parkausweise wieder nicht befristet werden sollen.

Der KOBV begrüßt die Novelle – wie übrigens auch die ÖAR, der BSVÖ und die Behindertenanwaltschaft.

„Die geplante, schlagartige Ausweitung der Berechtigung zum Erhalt des §29b-Ausweises auf Personen, die von einer anderen Behinderungsform betroffen sind, würde die Situation noch weiter verschlimmern und vor allem jenen bereits vorhandenen Ausweisinhabern schaden, für die, behinderungsbedingt, beim Ein- und Aussteigen des Fahrzeuges mehr Platz neben dem PKW eine zwingende Notwendigkeit ist“, kritisiert hingegen der Verband der Querschnittgelähmten

In der Stellungnahme des Club mobil wird das Ergebnis einer internen Umfrage erwähnt: „Auch finden es 71,20 % gut, dass die alten Parkausweise mit einer Übergangsfrist von 6 Monaten endlich ungültig werden sollen. 28,80 % haben jedoch Einwände dagegen, da sie die Kosten für die Neuausstellung nicht tragen möchten.“

Länder und Gemeinden skeptisch

Skeptisch reagieren teilweise die Bundesländer und Gemeinden – vor allem die deutliche Ausweitung des Kreises der anspruchsberechtigten Personen wird bemängelt und vor den zu erwartenden Auswirkungen gewarnt.

„Es wird davon ausgegangen, dass als Folge der vorgeschlagenen Neuformulierung des § 29b Abs. 1 der Kreis jener Personen, die aufgrund eines entsprechenden Ausweises von den Ausnahmebestimmungen der Abs. 2 und 3 leg. cit. Gebrauch machen können, stark ansteigen wird“, schreibt etwa das Land Tirol.

Ähnlich sieht das auch das Land Vorarlberg: „In inhaltlicher Hinsicht wird drauf hingewiesen, dass die im Entwurf enthaltenen Kriterien für die Ausstellung des geplanten Ausweises weiter gefasst sind als bisher. Dies wird dazu führen, dass die Zahl der Ausweisinhaber beträchtlich ansteigen wird. Dies wiederum wird zur Folge haben, dass das vorhandene Angebot an Behindertenparkplätzen nicht mehr ausreichen wird, was für die bisherigen Inhaber der Gehbehindertenausweise eine Verschlechterung bedeutet.“

Der Städtebund verweist einerseits auf die fehlende Befristung der Ausweise: „Bekanntlich werden in Österreich als soweit bekannt einzigem EU-Staat die Behindertenausweise entgegen der Empfehlung des Rates vom 4. 6. 1998 unbefristet ausgestellt. In Deutschland beispielsweise gilt der Ausweis bei ’nichtverbesserungsfähigen Körperschäden‘ höchstens fünf Jahre (mit Ablaufdatum auf der Vorderseite). … Es ist daher unerlässlich, eine Befristung sowohl für alle bisher ausgestellten als auch für die künftigen Ausweise vorzusehen.“

Anderseits wird vom Städtebund auf zu befürchtende Parkplatznot hingewiesen, wenn es heißt: „Die damit verbundene Ausweitung des Kreises der Berechtigten würde zu einer deutlich stärkeren Belastung der nach § 43 StVO geschaffenen Behindertenparkplätze führen, und zwar mangels Differenzierung der Ausweise nach selbst lenkenden und nicht selbst lenkenden Personen mit großer Wahrscheinlichkeit auch durch Dritte im Zuge der Beförderung der Berechtigten.“

Anhand konkreter Zahlen möchte das Land Wien auf drohende Probleme hinweisen: „In Wien erhielten im Jahr 2011 6.069 Personen eine ‚Gratis-Autobahnvignette‘ auf Grund der Eintragung „Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel“ vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, während von der Magistratsabteilung 40 in diesem Zeitraum lediglich 1.304 Ausweise nach § 29b StVO 1960 ausgestellt wurden. Durch die geplante Neufassung ist daher, bei sonst gleichbleibenden Rahmenbedingungen, mit einer jährlichen Verfünffachung der Anzahl der alleine in Wien ausgestellten Ausweise zu rechnen. Gleichzeitig lässt der Entwurf aber jegliches ernsthafte Bestreben zur Eindämmung der Möglichkeit des Missbrauchs von Gehbehindertenausweisen vermissen.“

Auch das Land Salzburg hegt Bedenken: „… Unabhängig davon ist mit einer Vervielfachung der Berechtigten gegenüber der (noch) geltenden Rechtslage zu rechnen.“

Noch nicht beschlossen

Noch ist keine Novelle beschlossen worden und es bleibt für die Abgeordneten (insbesondere die SPÖ-Behindertensprecherin und den ÖVP-Behindertensprecher) genug Zeit, sich mit den Argumenten inhaltlich auseinander zusetzen, um allfällige Präzisierungen in der Gesetzesvorlage vorzunehmen.

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