Elektronische Gesundheitsakte ELGA: Die Sachinformationen sowie eine persönliche Kritik

Über die Einführung von ELGA wurde in den vergangenen Wochen und Monaten in den Medien immer wieder berichtet. In Printmedien, im Fernsehen und natürlich im Internet wurde informiert und diskutiert.

Computer und ecard
BilderBox.com

Kaum jemand konnte sich diesem Thema gänzlich entziehen. Da gibt es die ELGA-Betreiber, -Befürworter und -Nutznießer auf der einen Seite, und kritische Stimmen von ELGA-Gegnern, die aus unterschiedlichen Bereichen kommen, auf der anderen Seite. Warnungen vor dem „gläsernen Menschen“ („gläserner Patient“) gibt es schon lange.

So gut wie niemand wird sich der ELGA Realität entziehen können. Denn: Wir alle sind schon längst erfasst, ein Datensatz in vielen Datenbanken, digital verewigt. Ganz „automatisch“. Und: Das war erst der Anfang. Die Entwicklung geht weiter. Die Entscheidung, ob und wenn ja, wie jeder einzelne Patient und jede einzelne Patientin auf ELGA reagiert, steht an. Nur wer sich bewusst gegen ELGA entscheidet und sich trotz mancher Hürden aktiv abmeldet, „optiert sich heraus“.

Grundlagen

Laut Homepage der ELGA GmbH ist die „elektronische Gesundheitsakte ELGA … ein Informationssystem, das Ihnen als Patientinnen und Patienten und allen Gesundheitsdiensteanbietern – Spitälern, niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, Apotheken sowie Pflegeeinrichtungen – den orts- und zeitunabhängigen Zugang zu Gesundheitsdaten ermöglichen wird. Durch ELGA erhalten die behandelnden Gesundheitsdiensteanbieter (GDA) zukünftig Vorbefunde, Entlassungsberichte und die aktuelle Medikation ihrer Patientinnen und Patienten als unterstützende Entscheidungsgrundlage für die weitere Diagnostik und Therapie.“

Den Text des Bundesgesetzes „Elektronische Gesundheitsakte-Gesetz – ELGA-G“ kann man auf der Homepage des Rechtsinformationssystems des Bundeskanzleramtes nachlesen.

Auf der Homepage des Bundesministeriums für Gesundheit findet man kurze Informationen über ELGA bzw. vor allem den Verweis auf das öffentliche Gesundheitsportal Österreichs. Die dort genannten Vorteile kurz zusammengefasst:

  • technische Unterstützung der Gesundheitsversorgung
  • Verbesserung des Informationsflusses in der Gesundheitsversorgung zum Nutzen der Patientinnen und Patienten (für Patienten, für ELGA-GDA)
  • Verbesserung der Verfügbarkeit der Gesundheitsdaten (z.B. verspricht man sich von der e-Medikation eine Erhöhung der Arzneimittelsicherheit)
  • Verringerung der Mehrfachuntersuchungen
  • qualitativ hochwertige und potenziell raschere Versorgung
  • Kostendämpfungen

Siehe auch diese Übersichtsgrafik der APA, die den geplanten Datenfluss darstellt.

Klare Ablehnung und Kritik durch Hausärzteverband und ARGE Daten

Der Österreichische Hausärzteverband empfiehlt in seiner Presseaussendung vom 9. Jänner 2014 „angesichts der prekären Datenschutzlage … allen Patienten den unverzüglichen ELGA-Ausstieg“.

Der Präsident des Österreichischen Hausärzteverbandes Dr. Christian Euler: „Nachdem eine Koalition politischer und ökonomischer Interessen das ELGA-Gesetz gegen den Widerstand von Ärzten, Datenschützern und Verfassungsjuristen durchgeboxt hat, kann nur noch der Patient selbst verhindern, dass seine sensiblen Gesundheitsdaten in die falschen Hände kommen.“

Einerseits wird es „mit ELGA keine ärztliche Schweigepflicht“ mehr geben, andererseits befürchtet man “ nicht nur Cyber-Kriminalität, sondern den ganz legalen Gebrauch der Daten durch Ämter und Behörden, der vom Gesetzgeber jederzeit bedarfsgerecht adaptiert werden könne“. Dr. Euler „rät dringend zum sofortigen Opt-Out“.

„Sichere Daten sind nur gar nicht erfasste Daten“, so ÖHV-Bundessekretärin Dr. Eva Raunig und weiters: „Das Grundrecht auf Datenschutz könne nur per aktiver Zustimmung des einzelnen Bürgers aufgehoben werden. Somit müsse das Hineinoptieren an die Stelle des Hinausoptierens treten.“

Die Kritik des Hausärzteverbandes mit der Empfehlung zum Ausstieg wird von einigen Verfassungsjuristen und Datenschutzexperten geteilt. So spricht Dr. Hans Zeger, Obmann der ARGE DATEN, von einer „höchst verantwortungslosen Sicherheitslösung“.

Er schätzt, dass „bis zu 100.000 Menschen direkten Zugriff auf die Gesundheitsdaten haben“ werden. Ihm fehle „ein funktionierendes Schutzkonzept“, weiters befürchtet er: „der Patient sei einer undurchsichtigen Gesundheitsbürokratie ausgeliefert“.

Zeger weiter: „Als Patient möchte ich selbst bestimmen, wer welche Befunde sieht. Und ich möchte nach den Regeln ärztlicher Kunst und nicht auf Basis alter, widersprüchlicher und fehlerhafter Daten behandelt werden.“ Auf der Homepage der ARGE Daten findet man unter diesem Link ausführliche Informationen, Kritikpunkte und Hintergründe. Dort findet man auch Grundsätzliches zum Thema „Gesundheitsdatenschutz“.

Den Link zur „Willenserklärung zum ELGA-Teilnahmestatus“ bzw. zum Abmeldeformular findet man hier.

Wichtiger Hinweis (im ELGA-Gesetz § 16 Rechte der ELGA-Teilnehmer/innen):

Personen, die

  1. der Teilnahme an ELGA gemäß § 15 Abs. 2 widersprechen oder
  2. die ihnen zustehenden Teilnehmer/innen/rechte ausüben,

dürfen dadurch weder im Zugang zur medizinischen Versorgung noch hinsichtlich der Kostentragung Nachteile erleiden.

Der mündige und selbstbestimmte Patient.
Die mündige und selbstbestimmte Patientin.

Dieses Selbstverständnis war und ist für mich persönlich (chronisch mehrfach erkrankt und behindert) immer maßgebend. Hinzukommt, dass mich medizinische Themen schon immer interessiert haben.

In meiner langjährigen Patienten“karriere“ habe ich schon sehr viele unterschiedliche Erfahrungen gesammelt. Was für mich in einer guten Arzt-Patient-Beziehung wichtig ist: Vertrauen, Kompetenz und Zeit. Ob diese Sichtweise mit ELGA in Einklang zu bringen ist? Es gibt auf jeden Fall sehr viele offene Fragen und ernste Bedenken. Hier sind einige davon:

Die ELGA-Nutzung, aber auch die ELGA-Abmeldung setzen bei den Patienten und Patientinnen einiges voraus: zumindest rudimentäre Internet- und PC-Kenntnisse. Und einen Zugang zu diesen Anwendungen. Damit ist eine nicht unwesentliche Anzahl von Menschen bzw. Gruppen in der Bevölkerung ausgeschlossen; nämlich die, die diese Kenntnisse oder diesen Zugang aus unterschiedlichen Gründen nicht haben oder nicht wollen.

Und die Anzahl derer, die eine „Bürgerkarte“ und/oder eine „Handysignatur“ haben (Erleichterung bei Patienten-Administration) ist weit in der Minderheit. Aber wohl eher aus Bequemlichkeit als aus Datenschutzgründen. Und: Wie können eigentlich Menschen mit Behinderung in Institutionen, in Heimen ihre Rechte als Patient und Patientin wahrnehmen?

Die Anzahl der sogenannten Gesundheitsdiensteanbieter, die jetzt schon Zugriff auf unsere medizinischen Daten haben bzw. durch ELGA zunehmend haben werden, ist erschreckend hoch. Die Bürokratisierung im Gesundheitswesen wird durch ELGA noch mehr zunehmen. Werden Ärzte und Patienten auch noch in der Zukunft über Therapien entscheiden? Oder ein Verwaltungsapparat, in dem dann medizinische Entscheidungen eines Arztes nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.

ELGA soll eine technische Unterstützung sein. Salopp ausgedrückt: ELGA ist eine große EDV-Anwendung, an der viele Menschen mitgearbeitet haben. ELGA soll in Zukunft von einer riesigen Anzahl von ganz unterschiedlichen Menschen genutzt werden.

Menschen machen laufend Fehler. EDV-Anwendungen machen grundsätzlich immer wieder bis laufend Probleme. Auch ELGA wird Probleme machen. Es gibt keine 100 % Sicherheit im IT-Bereich, auch nicht bei ELGA.

Auch in ELGA gibt es eine Hierarchie, eine Struktur, ein Berechtigungssystem. Daten werden gespeichert. Aber der, der Daten besitzt, kann grundsätzlich auch die vorhandenen Daten verändern. Daten können in einem Berechtigungssystem ausgeblendet werden.

Nicht jeder sieht alles und jedes. Und: Daten können auch verschwinden. Daten können z.B. gar nicht erfasst worden sein. Daten können versehentlich gelöscht werden. Daten können fehlerhaft sein. Wer darf/kann fehlerhafte Daten korrigieren? Angesichts all dieser Tatsachen ist das Argument der Selbstbestimmung (Patient als Herr seiner Daten) sehr zu hinterfragen.

Auch das Argument der durch ELGA zukünftig rascheren Verfügbarkeit von Informationen (z.B. Notfallmedikamente) wird in Zweifel gezogen. Mein ausgedruckter Notfallpass, den ich persönlich immer mit mir führe, ist rascher zur Hand und sicherlich aktueller als ein Datensatz in einem EDV-System.

Angesichts der weltweiten digitalen Datensammelwut in unseren immer mehr überwachten und vom Sicherheitsdenken geprägten Staaten, gepaart mit unserem Wirtschaftssystem und dem weltweiten „ökonomischen Druck“ frage nicht nur ich mich, wohin das noch führen wird.

Ich persönlich habe mich von ELGA abgemeldet und habe hoffentlich viele Follower.

Einige Empfehlungen und wichtige Links

  • Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwaltschaft (WPPA)
  • NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft Zum Teil sehr hilfreiche Publikationen zum Downloaden und Bestellen.
  • Der Ratgeber „Umgang mit Ärzten“ von Elisabeth Tschachler. Untertitel: Den richtigen Arzt finden; Diagnose, Therapie, Infos im Web; Arztgespräch, Krankenhaus, Patientenrechte. Herausgegeben vom Verein für Konsumenteninformation, Wien 2013; Paperback, 281 g, 132 Seiten; ISBN 978-3-99013-022-3; 14,90 €
  • Broschüre: „Kompetent als Patientin und Patient„. Herausgeber ist der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. Beschreibung: Sie wollen mitreden und mitentscheiden, wenn es um Ihre Gesundheit geht? Diese Broschüre gibt Ihnen das nötige Rüstzeug dafür. Checklisten und Tipps machen das Heft zu einem Nachschlagewerk für Sie und Ihre Angehörigen.
  • Broschüre: „Wie finde ich seriöse Gesundheitsinformation im Internet?“ Herausgeber: Alexander Riegler MPH, Dr. Gerald Bauchiger.
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