Rassenhygiene in der Nazi-Zeit

Die Wanderausstellung "... plötzlich gestorben - NS Rassenhygiene 1933-1945" wurde am 4. Februar 2014 im Stadtarchiv Erlangen eröffnet. Sie wird dort bis 28. März gezeigt und durch eine umfangreiche Vortragsreihe bereichert.

Broschüre wertes unwertes Leben
BIZEPS

Den Auftakt gestaltet Dr. Swantje Köbsell mit dem Vortrag „Geschichte und Aktualität eugenischen Denkens“. Köbsell ist Lektorin im Lehrgebiet Inklusive Pädagogik der Universität Bremen und langjährige Aktivistin der emanzipatorischen Behindertenbewegung.

„Die meisten Menschen wissen, daß während der Nazi-Zeit sechs Millionen Juden ermordet wurden, aber die wenigsten wissen, daß das Morden mit den Zwangssterilisierungen und der Tötung behinderter, kranker oder sozial auffälliger Menschen begann“, sagt Dinah Radtke, Sprecherin für Internationales der Interessenvertretung Selbstbestimmtes Leben in Deutschland (ISL), die die Ausstellung mit vorbereitet hat. „Zwangssterilisiert wurden 400.000 Menschen, dabei gab es etwa 6.500 Tote. In der Aktion T4 zwischen 1940 und 1941 wurden rund 70.000 Menschen ermordet. 360.000 Tote gab es durch die sogenannte wilde Euthanasie bis 1945.“

Das Besondere an dieser Ausstellung ist, so Radtke, dass auf der einen Seite auf Tafeln die Fakten der Zwangssterilisation, die Aktion T4, die sogenannte wilde Euthanasie, die Kontinuitäten, also die Geschichte der Täter im „Dritten Reich“ und danach sowie der Kampf um Entschädigung dargestellt wird. Auf der anderen Seite zeigt die Ausstellung in einem Zeitstrahl den Beginn der Entstehung der sozialdarwinistischen Ideen bereits vor dem Ersten Weltkrieg. Diese Ideen waren die Basis für Eugenik und Rassenhygiene. Hitler wollte einen „gesunden Volkskörper“.

Durch Zwangssterilisationen und Tötungen wollte er eine erbgesunde „arische“ Rasse erreichen und das Volk von den „Ballastexistenzen“, den „Minderwertigen“ befreien.

Im Zeitstrahl soll außerdem gezeigt werden, dass die Ideen der Eugenik noch immer präsent sind. „Heutzutage wird mit Pränataldiagnostik Selektion von behinderten Föten betrieben“, betont Radtke. „Heute geht es nicht mehr um den gesunden Volkskörper, sondern um das perfekte Individuum. Behindertes Leben wird in Frage gestellt. Beeinträchtigung und Behinderung werden immer noch durch eine rein medizinische Brille gesehen und die Vielfalt der Lebensmöglichkeiten mit Behinderung ausgeblendet. Der Zeitstrahl zeigt aber auch, daß es eine positive Antidiskriminierungsgesetzgebung für Behinderte gibt, die mit der Grundgesetzänderung 1994 Artikel 3, Absatz 2 beginnt und mit dem In-Kraft-Treten der Behindertenrechtskonvention aufhört.“

Die Wanderausstellung wurde im Rahmen des EU-Projektes „The Holocaust of All, Battle of Memory“ von Disabled Peoples` Europe (DPI Europe) ins Leben gerufen, um der behinderten Opfer während des Nationalsozialismus zu gedenken. Ausstellungen zur T4 Aktion werden in drei EU-Ländern unabhängig voneinander organisiert. Ziel des Projektes ist unter anderem die historischen und ideologischen Hintergründe zu vermitteln, die zu den schrecklichen Ereignissen geführt haben. Eine Lehre aus dem Geschehen ist, die Menschenrechte für alle umzusetzen, zu achten und Diversity/Vielfalt als Wert zu schätzen. Für alle Veranstaltungen gibt es Gebärdensprachdolmetschung, auch eine Induktionsschleife ist vorhanden. Die Ausstellung kann auch ausgeliehen werden.

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