Netzbetten endlich abschaffen!

Das Europäische Komitee gegen Folter kontrolliert Österreich

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In den nächsten Monaten wird Österreich erneut vom Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) geprüft. Es ist zu hoffen, dass der politische Druck eine langjährige Forderung von VertretungsNetz befördert: Netzbetten bundesweit abzuschaffen.

Das Netzbett – im medizinischen Fachjargon „psychiatrisches Intensivbett (PIB)“ genannt – ist eine nicht mehr zeitgemäße Maßnahme zur Freiheitsbeschränkung von Personen, die durch ihr akutes Verhalten sich selbst oder andere gefährden. Netzbetten werden in Österreich vor allem in psychiatrischen Abteilungen, aber manchmal auch in Einrichtungen der Behindertenhilfe verwendet. Mittlerweile wurden sie in fast allen europäischen Staaten abgeschafft. Auch in Österreich gelingt es den meisten Einrichtungen, ohne Netzbetten auszukommen. In Wien und vereinzelt in der Steiermark und Oberösterreich sind sie jedoch nach wie vor im Einsatz.

Insbesondere im Wiener Otto Wagner-Spital (OWS) zeigte man sich bisher nicht bereit, auf Netzbetten zu verzichten. So bestätigte die ärztliche Leiterin des OWS, Dr. Marion Kalousek, in der ORF-Sendung „Report“ (11.03.2014), dass in ihrer Einrichtung 70 Netzbetten als Beschränkungsmaßnahme benutzt werden. Laut Daten der Patientenanwaltschaft bei VertretungsNetz wurden allein im Februar dieses Jahres im OWS 89 Personen für die Dauer von 2.794 Stunden in Netzbetten festgehalten. Das sind durchschnittlich ca. 31 Stunden pro Person.

Massive Kritik national und international

Daten aus der Dokumentation der Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung von VertretungsNetz und die langjährigen Erfahrungen der MitarbeiterInnen in den Einrichtungen belegen, dass Netzbetten viel öfter verwendet und oft viel länger geschlossen bleiben, als dies notwendig wäre und die Maßnahme seltener evaluiert wird. Jemanden in ein Netzbett zu sperren stellt eine geringere Hürde dar, als jemanden anzugurten. Man sieht dies auch anhand der Zahlen: Werden Netzbetten in einer Einrichtung nicht mehr verwendet, steigt die Anzahl der anderen Beschränkungsformen (z.B. Gurt-Fixierungen) nicht dauerhaft an – insgesamt gehen dann die Beschränkungen zurück.

Nach seinem letzten Besuch in Österreich 2009 kritisierte das Europäische Komitee für die Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) in seinem Bericht erneut Netzbetten als menschenrechtswidrigen Freiheitsentzug. Abgeschafft wurden sie deshalb aber noch nicht. Die Wiener Stadtpolitik etwa hat sich entschieden, diese sensible Menschenrechtsproblematik der Medizin zu überlassen. So wies Sonja Wehsely, Stadträtin für Gesundheit, mehrmals öffentlich darauf hin, dass sie die Entscheidung für oder gegen Netzbetten an das medizinische Personal der jeweiligen Einrichtungen abgibt.

Wenn sich auch weiterhin nichts ändert, muss sich Österreich nach der internationalen Prüfung den peinlichen Vorwurf gefallen lassen, man halte die europäische Standards zur Verhütung von Folter nicht ein. Susanne Jaquemar, Mitglied im Menschenrechtsbeirat der Volksanwaltschaft und Leiterin des Fachbereichs Bewohnervertretung bei VertretungsNetz dazu: „Es ist wichtig, dass umgehend durch wirksame Maßnahmen sichergestellt wird, dass Netzbetten und andere käfigartige Betten im Sinne der CPT-Standards flächendeckend in Österreich nicht mehr verwendet werden.“

Mittlerweile hat sich auch Justizminister Brandstetter für eine Abschaffung von Netzbetten ausgesprochen. Dies geht aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung vom 10.04.2014 zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention hervor.

Alternativen möglich?

Mit dem Verzicht auf Netzbetten ist aber kein Ausweichen auf andere Freiheitsbeschränkungen gemeint. Vielmehr geht es darum, schon im Vorfeld einer sich anbahnenden Krisensituation anzusetzen. Andreas Gschaider, Fachbereichsleiter Patientenanwaltschaft bei VertretungsNetz: „Einrichtungen sollten Stufenpläne zur Krisendeeskalation entwickeln und anwenden. Das Personal muss ausreichend in Deeskalationsmaßnahmen geschult werden.“ Generell weiß man, dass schon durch mehr Raum, Rückzugsmöglichkeiten, Privatsphäre und professionelle menschliche Zuwendung viel Aggressionspotenzial wegfällt – sodass es gar nicht erst zu Freiheitsbeschränkungen kommt.

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