Kinder und Jugendliche mit Behinderung werden von Bildung ausgeschlossen

Schüler schreibt Brief an die Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Hier der Text:

Sebastian Eritscher zeigt Brief an die Bildungsministerin
Integration Tirol

Sehr geehrte Frau BM Heinisch-Hosek,

mein Name ist Sebastian, ich habe gerade die Volksschule abgeschlossen und möchte nun an einem Innsbrucker Gymnasium auf die Matura hinarbeiten. Dieses Gymnasium ist auch die einzige Schule in Innsbruck, die Sprachen als Schwerpunkt anbietet und barrierefrei ist. Es ist die einzige Schule, die für mich in Frage kommt und gut ist. Dort will ich unterrichtet werden.

Ich bin Rollifahrer und brauche auch andere spezielle Hilfsmittel für die Schule. Und ich brauche Assistenz, damit ich diese Hilfsmittel auch anwenden kann, damit ich in die Schule, aufs WC und zum Turnsaal oder ins Schwimmbad komme, damit ich meine neuen Mitschüler nicht unnötig aufhalte und damit Arbeitsmittel für mich am Computer bereitgestellt werden können.

Die gute Unterstützung meiner 2 AssistentInnen ist für mich wichtig, um den Schulalltag gut bewältigen zu können. Dazu brauche ich 48 Wochenstunden Schulassistenz. Es wurden leider nur 30 Stunden vom Ministerium bewilligt, weil mir, lt. Ministerium, für den Turnunterricht, Schulausflüge, alle Schulveranstaltungen außerhalb der Klasse und Nachmittagsbetreuung leider keine Unterstützung zusteht.

Ich liebe Sprachen und ich liebe das Schreiben. In der 3. Schulwoche werden wir eine 3 tägige Schreibwerkstatt mit Übernachtung veranstalten. Da werden alle Kinder viel zu erzählen haben und sich gut kennenlernen. Eine wichtige und schöne Veranstaltung! Ich darf da leider nicht mitmachen, weil Sie meinen, dass das keine Schule ist, weil die Schreibwerkstatt nicht im Klassenraum stattfindet. Das tut mir persönlich weh und macht mir den Start in die neue Klasse und Schule noch viel schwerer! Und ich fühle mich den anderen Kindern ohne Behinderung gegenüber benachteiligt.

Die Schulassistenz für uns Kinder mit Behinderung wird in einem „Rundschreiben“ geregelt. Dieses Rundschreiben entspricht leider überhaupt nicht den Menschenrechten und auch nicht österreichischen Gesetzen.

Ich brauche eine „bedarfsgerechte Assistenz“ und keine durch Rundschreiben geregelte Aussonderung!

Kinder mit anderen Behinderungen sind da leider noch viel schlimmer betroffen. Ich kenne einen Buben mit Autismus, der sehr intelligent ist und im Gymnasium überhaupt kein Problem hat alles gut zu lernen. Aber er braucht Unterstützung beim Einhalten der Schulzeiten, der Pausen, beim Umgang mit seinen MitschülerInnen… das ist für ihn nicht leicht. Warum werden Kindern ohne Körperbehinderung der Pflegestufe 5 und höher überhaupt keine Assistenzleistungen ermöglicht? Lohnt sich hier keine Unterstützung?

Warum werden wir Kinder mit Behinderung so diskriminiert?

Dadurch wird meine und unsere Zukunft zerstört und uns die bestmögliche Bildung verweigert!

Warum sollen wir rollstuhlfahrende Kinder und Kinder mit anderen Behinderungen nur an Sonderschulen wohlwollend aufgenommen und mit viel Geld unterstützt werden? Dort spielen Geld und Assistenzleistungen ja gar keine Rolle. Da ist alles im Überfluss vorhanden.

Ich habe das Recht, in Österreich die bestmögliche Bildung zu erhalten! Ich habe das Recht, gleichberechtigt am normalen Leben teilnehmen zu dürfen!

ich wünsche mir für meinen Bildungsweg Unterstützung und keine zusätzlichen und künstlichen Barrieren (die kenn ich ohnehin nur zu gut!).

Und ich wünsche mir sehr, dass Sie anerkennen können, dass auch andere Kinder die anders sind (Autismus, ADHS,…) eine reale Chance bekommen sollen!

Als Ministerin liegt es an Ihnen, dass Kinder mit Behinderung nicht länger an Bundesschulen durch Verweigerung von Unterstützung diskriminiert werden. Wollen Sie bewusst Kinder ausgrenzen und uns Kindern mit Behinderung Bildung vorenthalten? Oder wollen Sie an einer guten Schule und guter Bildung für uns ALLE arbeiten? Dann bitte ich Sie sehr, endlich damit zu beginnen und uns die nötige Assistenz auch wirklich zu ermöglichen!

Danke für Ihre Aufmerksamkeit

Mit freundlichen Grüßen

Sebastian Eritscher

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13 Kommentare

  • SUPER SEBASTIAN:-)
    ich wünsche dir alles erdenklich Gute auf deinem Weg:-)

  • Bravo Sebastian! Ich gratuliere Dir und wünsche Dir viel Erfolg! Ich bewundere Deinen Einsatz, Deinen Mut und lass Dich von Deinem Weg nicht abbringen! Liebe Grüße aus Vorarlberg! Reingard Eberle

  • Bravo Sebastian!!! ein sehr guter wichtiger Brief um auf diese Diskriminierung aufmerksam zu machen. Ich arbeite seit 25 Jahren im Vorstand von Integration Vorarlberg wir bemühen uns ständig um Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung in allen gesellschaftlichen Bereichen. Ich hoffe sehr auf eine positive Stellungnahme der Frau Minister für dich und viele andere die ähnliche Situationen haben. mit lieben Grüßen Ingrid Rüscher

  • @Manfred Böhm: Sorry aber bei allem Verständnis für Emotionen und Frust glaube ich wird es endlich mal Zeit klarzustellen, dass sich in den letzten 30 Jahren unheimlich viel zum Positiven verändert hat! Das wäre konkret:
    1: Heute wird beim Schulbesuch auf Wahlfreiheit gesetzt. Vor 30 Jahren war es ein seltenes Previleg das behinderte eine normale Schule besuchen durften, weil dies nicht die gesetzlich für sie vorgesehene Schule war.

    2: Mag sein das man im Detail noch über Verbesserungen diskutieren kann, aber über 30 Stunden Schulassistenz hätten wir zu meiner Schulzeit vor Freude gejodelt! Da wußten wir noch nicht einmal was das ist.
    3: Vor 30 Jahren gab es noch kein Pflegegeld, keine PA und keine PAA.
    Es gibt noch einige Punkte mehr, aber da würde uns der Platz ausgehen.
    Es geht mir schon ziemlich auf die Nerven das man hier immer nur darüber liest was alles nicht passt, aber nie auch nur ein Sterbenswörtchen darüber verloren wird, was für tolle Verbesserungen die letzten Jarhzehnte gebracht haben. Und bevor man hier ständig auf die Politik losgeht sollte man schon auch mal vor der eigenen Türe kehren. Wenn ein neuer Behindertenbeauftragter oder sonst etwas ernannt wird ist auch im Falle einer Behinderung die erste Frage die hier immer gestellt wird, ob er/sie in der Selbstbestimmt lebenbewegung vernetzt ist. Alles Andere wird nicht akzeptiert. Man macht es also genau so wie die Politik. Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nirgends so bevormundet gefühlt, wie bei der Selbstbestimmt leben Organisation meines Bundeslandes!

    Gelegentliches Meckern ist ja in Ordnung, aber ständig nur über die Politik und die Zustände herzuziehen ohne auch nur einmal die wunderbaren positiven Veränderungen der letzten Jarhzehnte zu erwähnen finde ich einfach nicht in Ordnung! Politische und gesellschaftliche Prozesse brauchen einfach Zeit. Da müssen wir schon ein bißchen Geduld haben.
    Und was mich am meisten ärgert ist der stets recht resolute Ton!

  • Scheinbar hat sich in den letzten 30 Jahren nicht wirklich was geändert. Behinderte werden zur Sache gemacht.

  • Bravo, für diesen Brief! Irgendwie habe ich aus deinem Brief herausgelesen, das uns die Politiker, keine Chance zum lernen geben wollen und das ist ungerecht. Das erinnert mich irgendwie an Hitlerzeit, wo er die Behinderten eingesperrt hatte. Die Politiker wollen zwar, das die Jugedlichen etwas lernen, aber die Behinderten werden von einigen von ihnen mit Füßen getreten. Vielleicht würde es etwas bringen, wenn ihr Unterschriften sammeln würdet.

  • es ist zwar leider beschämend, aber ich möchte zum Brief kurz feststellen, dass es aus dem Ministerium bisher NULL Reaktion gegeben hat. Im September 2013 wollte der zuständige Dr. Teutsch vom BMBF die Schulassistenz noch an „Licht ins Dunkel“ delegieren.. hat sich dann aber nach Telefonaten mit uns und der Presse doch nicht getraut und versprochen, das Thema in diesem (mittlerweile vergangenen) Schuljahr zusammen mit ElternvertreterInnen zu lösen. Passiert ist leider gar nichts und Teutsch wurde nun wieder mit einer Lösung beauftragt. Bin neugierig, was er diesmal zustande bringen will und kann… jedenfalls ist die Haltung und die Vorgangsweise des Ministerium nach wie vor unter jeder Kritik und scheinbar nur auf dem Klagsweg sinnvoll zu hinterfragen…

  • Lieber Sebastian,
    ich gratuliere dir zu deinem tollen Brief an die Frau Ministerin! Ich wünsche dir viel Erfolg und eine gleichberechtigte, barrierefreie schulische Laufbahn. Gibt dein Schreibtalent nicht auf!

    Für die Frau Ministerin hoffe ich, dass sie aus diesem Schreiben positive Konsequenzen für dich und andere Schülerinnen und Schüler m. B. zieht und ich wünsche mir, dass sie dein Schreiben auch auf Ihrer HP veröffentlicht und gegen diese Diskriminierung vorgeht, wie gegen das diskriminierende Nicht-Singen der weiblichen Form in der österreichischen Bundeshymne des Herrn Gabalier.
    Denn das was du, Sebastian, ansprichst ist ebenfalls eine massive Diskriminierung, eine die Bildungswege von vornherein ausschließt und die damit verbundenen Lebenswege und Möglichkeiten zerstört. Das darf nicht sein, auch dagegen muss eine Ministerin, die der österreichischen Verfassung verplichtet ist, vorgehen.
    Alles Liebe
    Marlene

  • @Charlotte;-)! Leider gibt es hier keinen Like-Button, natürlich gefällt mir Dein Kommentar und ich zitiere Dich auch auszugsweise noch einmal: —Zitat Beginn— Hier könnte es sich beweisen, wie die Politiker es wirklich meinen! —Zitat Ende— Ist auf alle Fälle sinnvoller, als ob einer von einem Künstler nicht korrekt gesungenen Bundeshymne eine Diskussion folgt, die ihre Krönung sogar im ZIB-Studio und bis hin zu Morddrohungen gegen Frau Gabriele Heinisch-Hosek findet. Man sollte die menschlichen Abgründe niemals mit dermaßen billig populistischen Strategien an die Oberfläche spülen.

  • Hallo,macht weiter so und kämpft darum.
    Wir kämpfen auch gerade um das Gymnasium, mein Sohn sitzt auch im Rollstuhl. Wenn ich das lese, könnte das glatt von uns sein. Ich wünsch Euch alles gute und liebe Grüße aus Deutschland


  • BRAVO für diesen Brief!!
    Da könnten tausende andere unterschreiben!!!

    Auch behinderten Kindern in Kindergärten und zuhause wird die nötige Unterstützung verwehrt…..
    Wo bleibt da die Verehrung der „Töchter des Landes“, sprich uns Müttern??
    Hier könnte es sich beweisen, wie die Politiker es wirkich meinen!!!

  • Körper- und sinnesbehinderte Jugendliche dürfen nicht auf diese Art und Weise ausgeschlossen werden. Franz K a r l

  • An diesem Schülerbrief kann man sehr gut erkennen, Inklusion ist nur ein Wort, mehr nicht.