Neuausrichtung von „Licht ins Dunkel“ gefordert

Landesrätin Dr.in Christine Baur und Landesrat Dr. Heinrich Schellhorn fordern eine Neuausrichtung von "Licht ins Dunkel".

Licht ins Dunkel Plakat und Logo ORF
BIZEPS

Am 15. Juli 2014 wandten sich die Soziallandesrätin Christine Baur aus Tirol und der Soziallandesrat Heinrich Schellhorn aus Salzburg in einem ausführlichen Schreiben (Geschäftszahl: Soz/138-2014) an die Geschäftsführerin des Vereins „Licht ins Dunkel“ (Fr. Eva Radinger) sowie an die Leiterin des ORF Humanitarian Broadcasting (Fr. Sissy Mayerhoffer).

Das Schreiben ging in Kopie an die Behindertenanwaltschaft, die Volksanwaltschaft und BIZEPS. Wir veröffentlichen es hier zur Gänze:

Sehr geehrte Frau Radinger, sehr geehrte Frau Mayerhoffer!

Als Landesräte für Soziales sind wir in Tirol und Salzburg auch für die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zuständig. Vergangenes Jahr fand die erste Staatenprüfung Österreichs hinsichtlich der Umsetzung dieser Konvention statt, die zu einer Reihe von konkreten Handlungsempfehlungen geführt hat.

In Bezug auf Artikel 8 der Konvention, die Bewusstseinsbildung zum Inhalt hat, stellt der prüfende Ausschuss der Vereinten Nationen „mit Besorgnis fest, dass in Österreich anscheinend sehr wenige bewusstseinsbildende Kampagnen durchgeführt werden, um negativen und überholten Stereotypen über Personen mit Behinderungen entgegenzuwirken, die Diskriminierung schüren. Der Ausschuss ist besorgt, dass innerhalb der gesamten österreichischen Gesellschaft kein umfassendes Verständnis für den Paradigmenwechsel zu bestehen scheint, der durch den Menschenrechtsansatz im Übereinkommen ausgelöst wurde.“

Außerdem heißt es weiter: „Der Ausschuss ermutigt den Vertragsstaat, Initiativen zur Bewusstseinsbildung zu ergreifen, um das veraltete Wohltätigkeitsmodell im Bereich Behinderung und die Wahrnehmung, dass Personen mit Behinderungen des Schutzes bedürfen, wirksam zu verändern sowie Anstrengungen zu unternehmen, um ein positives Bild von Personen mit Behinderungen als Menschen, die mit allen im Übereinkommen anerkannten Rechten ausgestattet sind, zu stärken.“

Bei der Planung und Durchführung aller Maßnahmen, die Menschen mit Behinderungen betreffen, müssen diese effektiv und konsequent einbezogen werden.

Uns ist seit Längerem bekannt, dass die Spendenaktion Licht ins Dunkel und vor allem die in diesem Kontext erfolgende mediale Darstellung von Buben und Mädchen, Frauen und Männern mit Behinderungen sehr kritisiert wird. Dies wurde im Zuge der Staatenprüfung im Parallelbericht der Zivilgesellschaft klar formuliert, wo es heißt: „Auch die mediale Darstellung von Menschen mit Behinderungen ist vielfach noch von einem Bild des Mitleids anstatt von Selbstbestimmung und Inklusion geprägt; so etwa die auf einem nicht mehr zeitgemäßen Konzept beruhende ORF-Spendenkampagne für Kinder mit Behinderungen ‚Licht ins Dunkel‘.“

Wir wissen aus vielen Gesprächen, dass Menschen mit Behinderungen nicht als hilfebedürftige SpendenempfängerInnen dargestellt werden wollen, sondern als gleichberechtigte MitbürgerInnen. Sie wollen ihr Leben mit Behinderung nicht als Leid, sondern als Ausdruck von menschlicher Vielfalt und Bereicherung für die Gesellschaft dargestellt wissen.

Wir sind davon überzeugt, dass für die nachhaltige Verankerung der menschenrechtlichen Grundsätze, wie sie in der Behindertenrechtskonvention ausführlich erläutert sind, in den Köpfen aller Österreicher und Österreicherinnen neue Bilder von Menschen mit Behinderungen entstehen müssen. „Lichts ins Dunkel“ sollte bei der Vermittlung neuer, an der gleichberechtigten Teilhabe von BürgerInnen mit Behinderungen orientierten Bilder ein zentrale Rolle spielen.

Schließlich hat der ORF als staatlicher Rundfunk einen Bildungsauftrag, der gerade auch bei humanitären Kampagnen menschenrechtliche Standards berücksichtigen muss. In diesem Sinn ersuchen wir sowohl den Verein Licht ins Dunkel als auch den ORF, eine Neuausrichtung von Licht ins Dunkel auf Basis der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu initiieren.

Mit freundlichen Grüßen
Dr.in Christine Baur Landesrätin
Dr. Heinrich Schellhorn Landesrat

Antwortschreiben Verein Licht ins Dunkel – Wien, 30.Juli 2014 – GZ: Soz/138-2014

Sehr geehrte Frau Landesrätin Dr. Baur,
sehr geehrter Herr Landesrat Dr. Schellhorn,

der Grundgedanke der Inklusion ist auch für den Verein LICHT INS DUNKEL ein ganz wesentlicher. Wir bemühen uns tagtäglich so zu arbeiten, dass wir bestmöglich Leid in Österreich mindern können. Wir sprechen hier bewusst von „Leid“, denn unzählige Anfragen mit unterschiedlichsten Lebensgeschichten langen bei uns ein und zeigen, dass immer mehr Menschen ohne Perspektive am Rande unserer Gesellschaft leben. In diesen Fällen mit der Soforthilfe bzw. den langfristigen Projekten konstruktiv zu intervenieren, erfordert enorme Geldmittel, die leider nicht selbstverständlich zur Verfügung stehen, sondern mit großen Aufwand und intensiver Begleitung aufgebracht werden müssen.

Sowohl die Spendenaufrufe für LICHT INS DUNKEL als auch die zahlreichen Berichterstattungen im ORF werden deshalb Jahr für Jahr sehr sorgfältig gestaltet. Mit dieser Intention finden mehrmals jährlich Zusammenkünfte mit InteressensvertreterInnen von Menschen mit Behinderungen und Hilfsorganisationen, sowie verantwortlichen VertreterInnen von Beratungsstellen für behinderte Menschen und deren Angehörige statt.

Und die Ergebnisse dieser Treffen stellen dabei eine wesentliche Basis für unsere Arbeit und mediale Darstellung dar.

Ein guter Ausgleich zwischen dem Erreichen von Menschen, die spenden wollen und dem Grundgedanken der Inklusion, ist das gemeinsame Anliegen des Vereins LICHT INS DUNKEL und unserem Multimedien-Partner ORF. Uns ist klar, dass die berechtigten Ansprüche der Betroffenen in einem guten Verhältnis zu den professionellen Zugängen des Fundraisings, ganz auf der Basis der UN Konventionen stehen.

Mit freundlichen Grüßen
LICHT INS DUNKEL

Kurt Nekula (Präsident)
Eva Radinger (Geschäftsführerin)

Antwortschreiben ORF – Wien, 29.07.2014

Sehr geehrte Frau Landesrätin Dr. Baur,
sehr geehrter Herr Landesrat Dr. Schellhorn,

herzlichen Dank für Ihr Schreiben bzgl. der Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung und auch das ausführliche Telefonat, das wir in diesem Zusammenhang bereits miteinander führen konnten!

Erlauben Sie mir trotzdem noch einmal, auf diesem Wege festzuhalten, dass – wie so oft -leider politischer Wille und gesellschaftliche Realität auch in Bezug auf die UN-Konvention in vielen Bereichen auseinanderklaffen. Das betrifft nicht nur den aus Artikel 8 der Konvention zitierten Auftrag zur „Bewusstseinsbildung“, sondern auch alle anderen der insgesamt 30 Artikel. Die diesbezüglichen Bemühungen des Monitoring-Ausschusses sowie die Zielsetzungen des Nationalen Aktionsplanes- sind mir ebenso bekannt wie die kritische Auseinandersetzung vieler Behindertenorganisationen und Behindertenvertreter mit der vom ORF beworbenen Spendenaktion „Licht ins Dunkel“.

Wir befinden uns seit vielen Jahren in einem sehr offenen Diskurs – sowohl mit den politischen Vertreter/innen dieser Interessensgruppen als auch mit den Betroffenen selber- , um genau diesen Aspekten der Bewusstseinsbildung auch im Rahmen der „Licht ins Dunkel“ Kampagne Rechnung zu tragen. Wir geben zu: das gelingt auch uns mal besser, mal schlechter. Was dem einem gefällt, stößt dem anderen sauer auf – was den einen emotional berührt, lehnt ein anderer als „Mitleidsmasche“ ab … in diesem Punkt unterscheidet sich mediales Bemühen nicht viel vom politischen: denn was bei den Menschen ankommt, ist so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Wir stehen Kritik offen gegenüber und sind immer bemüht aus Fehlern auch zu lernen.

Was die Marke „Licht ins Dunkel“ anbelangt, so hat sich in den vielen Diskussionen der vergangenen Jahre herausgestellt, dass ein Punkt, der immer wieder zu Diskrepanzen führt, in der Tatsache begründet liegt, dass es sich hierbei um einen Spendenaktion handelt. Natürlich wäre eine Gesellschaft wünschenswert, in der keine Notwendigkeit mehr bestünde, private Spenden für Menschen mit Behinderungen aufzustellen. Ebenso wie wir uns alle soziale Gerechtigkeit und keine Armut wünschen.

Doch auch hier sieht die Realität leider anders aus, denn laut EU-SILC sind 1,2 Millionen Menschen in Österreich armutsgefährdet – davon besonders betroffen Ein-Eltern-Haushalte, Familien mit Kindern und besonders dann, wenn dazu ein Kind mit Behinderung und erhöhtem Pflegebedarf oder ein Elternteil mit Behinderung und verminderter Erwerbsfähigkeit kommt, gerät man schnell in die Armutsspirale…

Der überwiegende Teil jener Ansuchen, die der Verein „Licht ins Dunkel“ aus dem Soforthilfefonds unterstützt, sind Menschen, die im Zusammenhang mit dem Thema Behinderung in eine soziale Notlage gekommen sind. Denn Therapien, Behindertenbehelfe und Förderung sind nun mal teuer – so teuer, dass sie der Staat alleine nicht finanzieren kann.

„Licht ins Dunkel“ unterstützt und fördert im Jahr rund 400 engagierte Projekte aus dem Sozial- und Behindertenbereich- darunter unzählige, die den Zielsetzungen auf selbstbestimmtes Leben, dem Recht auf Ausbildung und Arbeit Rechnung tragen – sowie mehr als 5.000 Familien mit insgesamt mehr als 12.000 Kindern in finanziellen Notlagen.

Ein Verzicht auf die Durchführung einer Spendenkampagne zugunsten von „Licht in Dunkel“ käme also dem Verzicht auf jene Mittel gleich, die die Unterstützung dieser Projekte und Menschen ermöglichen. Eine Tatsache, die auch vonseiten politischer Kritik so nicht gewollt ist.

Aber wir sind ein Medienunternehmen und müssen daher nicht nur informieren, sondern auch unterhalten und emotionalisieren. Denn dort, wo wir unser Zuschauer/innen und Zuhörer/innen nicht erreichen , erreichen wir weder Spendentätigkeiten noch Bewusstseinsbildung.

Darüber hinaus lassen Sie mich abschließend bitte festhalten, dass die Journalistinnen und Journalisten des ORF das ganze Jahr über, und nicht nur zur „Licht in Dunkel“-Kampagnenzeit, für eine zeitgemäße Darstellung und Auseinandersetzung mit dem Thema Behinderung stehen. Wenn sie Sendeleisten wie „Thema“, Am Schauplatz“ oder die vielfältigen Beiträge der aktuellen „Zeit in Bild“- und „heute“- Sendungen das ganze Jahr über aufmerksam verfolgen, dann werden Sie feststellen, dass der Beschäftigung mit dem Thema Behinderung hier immer jener Raum gegeben wird, der der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung mit diesem so wichtigen Thema auch gebührt.

Für konstruktive Kritik sind wir stets offen – den Diskurs mit Behindertenverbänden und Betroffenen, auch was die Ausrichtung und Inhalte von „Licht in Dunkel“ anbelangt, führen wir seit Jahren in engagierter Runde. Wir bemühen uns, uns jedes Jahr weiterzuentwickeln und besser zu werden.

Zumindest in diesem Punkt, so hoffe ich, können wir Einigkeit erzielen und stehe jederzeit für weiterführende Gespräche zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Sissy Mayerhoffer

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Die Kommentarfunktion für diesen Artikel ist abgeschalten.

13 Kommentare

  • ist eine sehr gute Sache.

  • Herzlichen Dank für diese Stellungnahme. Wir vom ÖZIV Spittal Drau leben die Integration und Inklusion bei allen unseren Reisen. Bei uns findet keine wie immer geartete Ausgrenzung statt. Leider mussten wir mit Bedauern feststellen, dass ein Privatunternehmen welches einen Rollstuhlgerechten Bus(60 Sitzer, max. f. 26 Rollstühle geeignet) nicht Föderungswürdig seitens von Lcht ins Dunkel ist. Wir versuchen die humanitären Standards zu leben und auch umzusetzen. Jede unserer Reisen wird vorab evlauiert damit wir ja niemanden ausgrenzen.

  • Lieber Herr Ogungbemi, schön für Sie, wenn Sie persönliche Assistenz finanziert bekommen und schön für die Stadt Wien, wenn Sie dafür unendlich dankbar sind. Genau so will man es haben.
    Mit Rechtsstaatlichkeit hat die willkürliche Ausgrenzung tausender anderer behinderter Menschen von persönlicher Assistenz (bzw. individualisierten personenzentrierten Hilfen) nichts zu tun. Anstatt menschenrechtliche Ansprüche allen behinderten Menschen gleichermaßen sicherzustellen, werden diese den meisten Betroffenen vorsätzlich vorenthalten.

  • Ich bin der Stadt Wien unendlich dankbar für die PGE.

  • LiebeR Pippifax,
    das ist ein wichtiger Hinweis!
    Ja – “ das neue Salzburger Gesetz“ ist noch ausständig. Um so mehr bin ich froh, es federführenden Händen eines Landesrates zu wissen, der sich so öffentlich zur Un-Konvention bekennt.
    UND ! alle (die Leute um die es geht), müssen dranbleiben – unbedingt.
    Danke für die Erinnerung …. es wird wohl ein heißer Herbst!

  • Lieber Erich Kapl,
    ich gebe Ihnen total Recht in der Wichtigkeit, dass Leute mit Behinderungen sich klug verbünden und für „Ihre Sache“ kämpfen müssen. Das wird uns niemand abnehmen.
    Andererseits bin ich aber sehr erfreut, dass von zwei selber für Soziales in ihren Bundesländern verantwortlichen Politikerinnen so ein aktives Bekenntnis zur Un-Konvention kommt. Die „Farbe“ ist mir dabei (ausnahmsweise) ziemlich wurscht! Als „alte Häsin“ bin ich ja schon begeistert, wenn jemand der / die Gestaltungsmöglichkeiten hat überhaupt versteht, um was es genau geht. Das das auch noch so klar ausgedrückt wird, das halte ich wirklich für neu und Hoffnungs voll.
    Ich meine also, beides ist wichtig, widerständig sein gegen Unrecht, mitsammen kämpfen für gutes Leben für alle und gleichzeitig alle konstruktiven Kräfte in der Politik bestärken und unterstützen.
    Ich halte es für kontraproduktiv, das eine gegen das andere aus zu spielen.

  • Abschaffen diesen Schwachsinn!!! Wie es funktioniert, das kann man in Deutschland an „Aktion Mensch“ sehen. In der Schweiz wurde 2010 eine Dokusoap mit Menschen mit Lernschwierigkeiten produziert. Ergo ein Programm für und von Behinderten tut not!

  • Das wäre eine spitzen Sache nur sollten wir hier auch bedenken das dieser Brief von zwei grünen Landespolitikern kommt. Hier kann ich nur sagen gut gemeint ist nicht immer gut beraten, bzw. auch tatsächlich umgesetzt. Durch alleiniges Geschwätz von einigen möchtegern Politikern wird sich beim Thema Behinderung noch bei vielen anderen relevanten Themen nichts ändern. Ändern können nur WIR etwas gehen wir doch ALLE Behinderten Österreichs auf die Ringstraße in Wien vor das Parlament demonstrieren, damit könnten wir stärke zeigen aber nicht wie bei der Demo gegen Sozialabbau bei Hundstorfer mit 150 Personen.

  • Das tut gut, so explizite Unterstützung von den zuständigen Politikerinnen und Politikern der Länder zu bekommen. Eine neue Ära ??!

    Das macht Mut! Bitte dranbleiben.

  • ein guter und wichtiger vorstoß der beiden landesrätInnen! andere vereine und vor allem alle parteien sollten sich daran ein beispiel nehmen bzw. sich dem brief anschließen!

  • ….bin auch gegen diese Almosenverteilung….im Gegenzug müssen aber die Rechte für Menschen mit Behinderung gestärkt und gesetzlich verankert werden …..da die Spenden ja oft Zuschüsse zu absolut notwendigen Therapien oder Hilfsmitteln, gerade für Kinder, sind, sollte man auch überlegen, wer dann für die, für manche Familien nicht finanzierbaren, hohen Kosten aufkommt!?…..

  • BRAVO! Ein ausgezeichnet formulierter Brief, von dem ich hoffe, dass er Gehoer finden wird.

  • Ein wichtiger Beitrag und Unterstützung. Dennoch – gerade Salzburg sollte damit nicht sein überaltetes „Behindertengesetz“ und die fehlende PA aus dem Fokus verlieren.
    Mit derartigen „kostenfreien“ Beiträgen ist es nur einfach, am Ende einer Regierungsperiode auf die eigenen Beiträge zum Thema hinzuweisen um die nicht erledigten Dinge zu überdecken.