Piss in Berliner Markthalle

Mit einem "Piss in" haben am 27. Juni 2015 Frauen und Männer in der Arminius-Markthalle den Betreiber drastisch aufgefordert, endlich für eine barrierefreie Toilette zu sorgen.

Piss in - Notsituation ohne Klo in der Arminiushalle
kobinet/sch

Der Spontanzusammenschluss „Mobilität für Behinderte“ wollte sich nicht länger damit abfinden, dass unter Berufung auf den Denkmalschutz ein behindertengerechtes WC in der Halle verweigert wird. Die Spontis haben sich deshalb hinter einem Paravent in „Notsituation ohne Klo“ erleichtert und Besucher über ihr Problem informiert. „Jeder Mensch muss müssen dürfen“, war auf ihrem Flugblatt zu lesen.

Der Hallenleiter versuchte vergeblich die Aktion zu verhindern und rief die Polizei. Seine Assistentin wollte indessen einer Frau im Rollstuhl, die über den Hintergrund des Protestes aufklärte, gewaltsam ein Megaphon entreißen. Als die Polizisten mit zwei Streifenwagen anrückten, war die knapp halbstündige Aktion von mehr als 50 Betroffenen schon wieder vorbei.

Die Arminiushalle in Moabit wurde 1891 eröffnet, vom Senat 1982 als Baudenkmal ausgewiesen und nach und nach mit öffentlichen Geldern aufwendig rekonstruiert. Nach mehrfachem Nutzerwechsel wurde die Halle nach 2010 zu einem gastronomischen und kulturellen Zentrum entwickelt, dessen Anziehungskraft weit über den Kiez hinaus reicht. Auch mobilitätseingeschränkte Menschen kommen gern hierher und stellen dann konsterniert fest: sie können so viel essen und trinken wie sie wollen, aber dann ist Fehlanzeige für natürliche Bedürfnisse angesagt.

Seit 2004 haben Behindertenbeirat und Behindertenbeauftragte in Berlin-Mitte das Fehlen einer behindertengerechten WC-Anlage immer wieder angesprochen. „Zahlreiche Gespräche, Anfragen, Protokolle und Briefe blieben leider erfolglos ebenso wie unsere Bemühungen bei Ortsterminen und in Gremien“, sagte Hildrun Knuth dem Berliner kobinet-Korrespondenten.

Die Spontis machten an diesem gut besuchten Samstag mit ihrer Aktion zwei Dinge deutlich. Erstens werden durch das Fehlen barrierefreier Toiletten die betroffenen Menschen diskriminiert und in ihren Grundbedürfnissen eingeschränkt. Zweitens gibt es auch nicht behinderte Menschen, für die eine Toilette mit größerem Bewegungsraum wichtig wäre.

Für Gastronomen und ihre Kunden kann es nur vorteilhaft sein, wenn der außerhalb Berlins heimische private Betreiber der Markthalle eine Lösung des leidigen Problems angeht und nicht weiter auf Bestandsschutz pocht. Kunden sagten übrigens den Protestlern, dass die Toiletten in der Halle ohnehin nicht in bestem Zustand seien und eine Renovierung vertragen könnten.

Die Spontis wollten mit dem „Piss in“ kein öffentliches Ärgernis erregen – der hinter dem Paravent gefüllte Eimer und die Ente enthielten wie eine feuchte Windel wirklich nur Tee.

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