Wie geht es mit dem Normungsinstitut weiter? Und wie mit der Normung?

Das Normungsinstitut "Austrian Standards" steht schon länger in der Kritik. Nun plant die Bundesregierung weitreichende Änderungen und legte einen umfangreichen Gesetzesentwurf vor.

ÖNORM
BIZEPS

Immer öfter wurde von einer Normungsflut gesprochen; besonders von der Wirtschaftsseite, weil der Bezug von Normen kostenpflichtig ist. Auch die Mitarbeit an der Normenerstellung wurde vor ein paar Jahren teilweise kostenpflichtig.

Der nun vom Wirtschaftsministerium – unter der Leitung von Vizekanzler und Wirtschaftsminister Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP) vorgelegte Entwurf „Bundesgesetz über das Normenwesen (Normengesetz 2015 – NormG 2015)“ findet erwartungsgemäß die Zustimmung der Wirtschaftskammer.

Schon im Regierungsprogramm 2013 – 2018 von SPÖ-ÖVP wurde auf Seite 19 angekündigt, dass die Normung verstärkt unter die Kontrolle des Staates genommen werden soll.

Kritikpunkte am bisherigen System

Das Austrian Standards Institute, eine gemeinnützige Dienstleistungsorganisation (Verein), finanziert sich laut Presse zu 95 Prozent selbst und hat daher großes Interesse, Vervielfältigungen von ÖNORMEN zu verkaufen.

Wer nun eine ÖNORM benötigt, beispielsweise weil er vorgeschriebene Barrierefreiheit umsetzen will und erfahren muss, was das konkret bedeutet, kann die ÖNORM B 1600 „Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen“ in der gedruckten Form um 266,20 Euro kaufen. Doch damit nicht genug, er wird eine Reihe von Nomen kaufen müssen, um weitere Aspekte von Barrierefreiheit im Detail zu erfahren.

„Im Jahr 2000 bestanden etwa 10.000 Normen, 2006 wurde eine Verdoppelung auf 20.000 erreicht“ (2015 sind es rund 25.000), bemängeln Zivilingenieure und führen aus: „Die Normenwelt ist in Wahrheit eine Geschäftswelt für die Normungsinstitute geworden.“ Gefordert wird daher ein frei zugängliches Normenportal im Internet, auf dem idealerweise alle Normen einsehbar sind.

Ein weiterer Kritikpunkt lautet, dass die Industrie sich in den letzten Jahren die Normen immer mehr selbst gebastelt hat, um die eigenen Produkte zu verkaufen.

„Allein im letzten Jahr wurden beinahe 2.800 Normen geändert, neu veröffentlicht oder zurückgezogen. Das bedeutet einen erheblichen Mehraufwand. Normen sind etwa bei großen Projekten der öffentlichen Hand oft ein Kostentreiber. Eine Reduktion der Normen bei gleichzeitigem Erhalt der hohen Standards in Österreich ist vorrangig“, hält für die SPÖ deren Klubobmann, Mag. Peter Schieder, fest.

Auch wurde der Ruf nach mehr Einbindung der Verwaltung (beispielsweise der Länder laut). Es gibt außerdem vehemente grundsätzliche Kritik an der Macht des Normenwesens – jenseits der aktuellen Gesetzgebung.

Was sich ändern könnte?

Wie vor Wochen schon angekündigt, legte kürzlich das Wirtschaftsministerium den Entwurf „Bundesgesetz über das Normenwesen (Normengesetz 2015 – NormG 2015)“ vor, den der Wirtschaftsminister als „enorme Verbesserung“ einstuft.

Geplant ist damit die Stärkung des Aufsichtsrechts der öffentlichen Hand und ein Lenkungsgremium aus Bund und Ländern. Vehementer Widerstand dagegen kommt vom Austrian Standards Institute, das den Entwurf als „Gesetz zur Verstaatlichung der Normung“ bewertet; was wiederum eine der treibenden Kräfte der Reform – die Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen – zurückweist.

Manche sehen eine geplante Entmachtung des Normungsinstitutes. Auch der Versuch der Einschüchterung ist nicht ganz von der Hand zu weisen, da im Entwurf vorgesehen ist, dass künftig jeweils nur auf fünf Jahre „einem bestehenden oder neuen Verein“ die Vollmacht gegeben wird, Normen festzulegen. Es könnte also auch eine der Regierung oder den Bundesländern genehmere Organisation ausgewählt werden.

Weiters sei laut Austrian Standards Institute zu befürchten, dass „man die Gestaltung von Normen der Großindustrie sowie anderen, die es sich leisten können, überlässt und KMU, Wissenschaft und Forschung, NGO und Zivilgesellschaft weitestgehend von Normungsinitiativen ausgeschlossen wären“.

Wie geht es weiter?

Inhaltlich ist noch unklar, ob der vorliegende Entwurf im Rahmen der Begutachtung (die noch bis August 2015 läuft) nicht noch gröberen Veränderungen unterzogen werden könnte. Bisher scheint es nämlich so, dass primär Wirtschafts- und Bundesländerinteressen Berücksichtigung gefunden haben.

Wesentliche Fragen, zum Beispiel „Wie kann eine möglichst kostengünstiger Zugriff auf Normen für alle gesichert werden?“ und „Wie kann die Zivilgesellschaft adäquat eingebunden werden?“ werden im Entwurf nur am Rande gestreift.

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