Basierend auf einer Dokumentation des Europäischen Verbandes der Gehörlosen (EUD = European Union of the Deaf) erschien diese interessante Übersicht in der Österreichischen Gehörlosenzeitung 3/98, die wir in stark gekürzter Form wiedergeben.
Belgien
Gegenwärtig wird untersucht, ob und wie die wallonische und flämische Gebärdensprache Anerkennung finden könnte. Die Gehörlosenvereine hoffen, die Parteien und die Regierung für ihre Anliegen gewinnen und die Anerkennungsdebatte vorantreiben zu können.
Dänemark
Die Annäherung an die Zweisprachigkeit der Gehörlosen hat 1991 zu einer offiziellen Empfehlung geführt. Als Folge ist die dänische Gebärdensprache die erste Unterrichtssprache für gehörlose Kinder. Eltern gehörloser Kinder haben das Recht, auf Kosten der Gemeinde Gebärdensprachkurse zu besuchen, Reisekosten und Ausgaben für Unterrichtsmaterial werden ersetzt. DolmetscherInnen können von gehörlosen Menschen kostenlos beansprucht werden, um auf Hochschulen zu studieren oder um beruflichen Verpflichtungen nachzukommen. Bei polizeilichen Untersuchungen und Gerichtssitzungen müssen diplomierte DolmetscherInnen anwesend sein.
Deutschland
Die Ministerpräsidentenkonferenz am 18. März 1998 in Berlin ergab eine Bekräftigung von Regierung und Ländern, die Anerkennung und Förderung der Gebärdensprache in Deutschland im Rahmen der fachlichen und finanziellen Möglichkeiten weiter umzusetzen. Der deutsche Gehörlosenbund setzt sich mit aller Kraft für die offizielle Anerkennung der Gebärdensprache ein.
Finnland
Finnland ist das einzige Land der EU, in dem „das Recht des Gebrauchs der Gebärdensprache“ (1955) verfassungsmäßig verankert ist. Es hat sich eine Arbeitsgruppe gebildet, um das Recht auch der Wirklichkeit anzupassen. Die Gebärdensprache ist in Finnland Unterrichtssprache und auch ein Hauptfach. Im Parlament wird zur Zeit ein neues Gesetz über die Möglichkeit für hörende StudentInnen debattiert, die finnische Gebärdensprache als Wahlfach zu wählen.
Frankreich
Nach französischem Recht können zwar die Eltern zwischen lautsprachlicher und zweisprachiger Erziehung wählen, für letztere fehlt es aber im Moment an Möglichkeiten, und auch die Eltern sind schlecht informiert.
Großbritannien und Nordirland
Eine offizielle Anerkennung der Gebärdensprache per Gesetz fehlt. Die Erwähnung der Gebärdensprache in einer Reihe von Regierungserlässen, z. B. im Gesetz über die Diskriminierung von Behinderten (1995) und im Justizgesetz (1979) weist aber auf eine inoffizielle Anerkennung hin. Außerdem sind seit 1990 die Gemeinden verpflichtet, die DolmetscherInnenkosten im Schulwesen zu übernehmen. In staatsrechtlichen Fragen des UK wird die Gebärdensprache ausdrücklich als eine „annehmbare Form der Kommunikation“ bezeichnet.
Island
Die Gebärdensprache ist noch nicht anerkannt, dem isländischen Parlament liegt aber ein entsprechender Antrag vor. 1990 wurde auf gesetzlichem Weg ein „Zentrum der Kommunikation“ geschaffen. Das Gesetz über die Rechte der PatientInnen bezeichnet die Gebärdensprache als Muttersprache der Gehörlosen. Die einzige Schule für Gehörlose in Island hat sich für die zweisprachige Methode entschieden. Es gibt aber kein Gesetz, das gehörlosen Kindern das Recht gibt, in Gebärdensprache unterrichtet zu werden.
Italien
Die Gebärdensprache ist offiziell nicht anerkannt, es gibt aber schon eine Reihe von Verordnungen zum Gebrauch der Gebärdensprache. So haben beispielsweise gehörlose StudentInnen in ihrem Studium das Recht auf DolmetscherInnen, allerdings ist es sehr schwer, diese auch zu finden.
Niederlande
Eine 1996 von der Regierung eingesetzte Kommission legte 1997 einen Bericht vor, in dem sie die Regierung zur Anerkennung und Anwendung der Gebärdensprache auffordert.
Portugal
Am 3. September 1997 hat das portugiesische Parlament folgenden Zusatz in Artikel 74 der Verfassung aufgenommen: „Die portugiesische Gebärdensprache ist als Ausdruck der Kultur der Gehörlosen und als Werkzeug für den Zugang zu Bildung und gleichen Chancen zu schützen und zu achten.“
Schweden
Die 1972 eingerichtete Abteilung für Gebärdensprach-Forschung erarbeitet die Grundlagen für die offizielle Anerkennung der Gebärdensprache. Als ersten Schritt in diese Richtung verabschiedete das schwedische Parlament 1981 ein Gesetz, in dem festgelegt wird, daß gehörlose Personen die schwedische Gebärdensprache ebenso beherrschen müssen wie die schwedische Sprache. Daraus leitet sich auch das Recht auf entsprechende Ausbildung in beiden Sprachen ab.
Schweiz
1994 hat der Bundesrat folgende vom Nationalrat einstimmig überwiesene Forderung gutgeheißen: „Der Bundesrat wird eingeladen, die Gebärdensprache für die Integration der Gehörlosen anzuerkennen und sie in Erziehung, Ausbildung, Forschung und Kommunikation an der Seite der gesprochenen Sprache zu fördern.“ Diese faktische Anerkennung der Gebärdensprache gilt es nun, in der Gesetzgebung zu verankern.
Spanien
Die Gebärdensprache ist auf nationaler Ebene noch nicht anerkannt, sie ist es aber in verschiedenen Regionen. So hat das katalanische Parlament 1994 einen Antrag gutgeheißen, der die Förderung der Zweisprachigkeit und Erforschung der Gebärdensprache fordert und die Abschaffung aller Barrieren, die die Kommunikation behindern.
Schlußfolgerung der Union of the Deaf (EUD)
In den meisten Ländern ist die fehlende offizielle Anerkennung der Gebärdensprache die größte Schwierigkeit. Diese Anerkennung würde natürlich nicht alle Probleme schlagartig lösen, kann aber gehörlosen Menschen helfen, für ihre Rechte zu kämpfen.