Berufsverbote für behinderte Menschen in Österreich

Auch im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003 ist behinderten Menschen der Zugang zu verschiedensten Berufen verwehrt! Und das, obwohl heuer die Richtlinie 2000/78/EG über Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf umzusetzen ist.

Benni Blindflug bei der Berufsberaterin
Krispl, Ulli

Wer kennt nicht den Moment, wo die lästige Schulpflicht absolviert ist und sich die Frage stellt: „Was soll ich nun werden?“

Diese Frage ist oftmals nicht so leicht zu beantworten, da das Berufsspektrum groß ist und man kaum einen Überblick darüber hat, geschweige denn weiß, was sich hinter mancher Berufssparte verbirgt.

Für Menschen mit Behinderungen in Österreich kommt da noch eine massive Hürde hinzu; das Berufsspektrum, aus dem sie wählen können ist deutlich eingeschränkter als jenes nichtbehinderter Menschen.

Der Grund dafür liegt in einer fast unscheinbaren, aber umso wirkungsvolleren Wortfolge: „körperliche und geistige Eignung“.

Für eine Vielzahl von Berufen ist die „volle körperliche und geistige Eignung“ Voraussetzung, um überhaupt Zugang zu diesem Beruf erlangen zu können. Daraus wird immer wieder abgeleitet, dass blinde Juristen nicht Richter oder Staatsanwalt werden können, gehörlose Menschen nicht Sonderschullehrer werden können … Und das, weil sie wegen ihrer Behinderung als „körperlich ungeeignet“ für diese Berufe gelten.

Ein Streifzug durch das österreichische Recht zeigt, dass beispielsweise für folgende Berufe die körperliche und geistige Eignung verlangt wird, was einem Berufsverbot für behinderte Menschen gleich kommt:

  • Pflegehelfer,
  • Diplomkrankenschwester und -pfleger,
  • selbständiger Apotheker,
  • Dentist,
  • Fleischbeschauer,
  • Forstaufseher,
  • Kindergärtner und Erzieher,
  • Volks-, Haupt- und Sonderschullehrer,
  • Richter und Staatsanwalt.

Doch das war nur eine kleine Auswahl der Quasi-Berufsverbote für behinderte Menschen in Österreich.

Skuriles Detail am Rande; für diese Berufe wird die Überprüfung der körperlichen und geistigen Eignung verlangt, obwohl für diese Berufe zumeist wenigstens die Reifeprüfung (Matura) oder sogar eine höhere Ausbildung (beispielsweise ein Studium) verlangt wird und zu den meisten Ausbildungsgängen auch Praktika gehören.

Und ganz außer acht wird gelassen, dass der behinderte Mensch wohl ziemlich genau weiß, wie er diese Arbeit – auch unter Zuhilfenahme von Hilfsmitteln (z.B. Sprachausgabe und Blindenschriftzeile zum völlig selbständigen Lesen und Schreiben blinder Menschen am Computer; Gebärdensprachdolmetsch) – bewältigen kann; vielmehr wird insbesondere bei der Entscheidung über die körperliche Eignung in aller Regel darauf nicht eingegangen. Es wird offenbar unterstellt, dass die behinderten Menschen nicht wirklich beurteilen können, was sie können und was nicht.

Doch die Entscheidung über die körperliche Eignung eines behinderten Menschen treffen zumeist Personen, die so gut wie nichts über die Lebensrealitäten behinderter Menschen wissen, ja oftmals noch nie näheren Kontakt mit einem behinderten Menschen hatten. So entstehen die bekannten Vorurteile, wie etwa, dass „Blinde ja nicht lesen und schreiben können und auch nicht am Computer arbeiten können“ oder, dass „Gehörlose nicht kommunizieren können“.

Ja und gänzlich unberücksichtigt bleibt in den meisten Fällen auch, dass die Ausübung verschiedenster Berufe – wie beispielsweise Lehrer oder Richter – durch behinderte Menschen in anderen europäischen Staaten – wie beispielsweise in Deutschland oder Großbritannien – eine Selbstverständlichkeit ist; bei uns wird dann letztlich behauptet: „Österreich ist halt anders.“

Und so findet man immer wieder neue Berichte über die Verweigerung des Zuganges für behinderte Menschen zu bestimmten Berufen und Berufsausbildungen in den Zeitungen; und das nur, weil die Klausel der „körperlichen und geistigen Eignung“ allgegenwärtig ist.

Da fragt sich nur, wie diese behindertendiskriminierende Situation im österreichischen Recht weiter zu rechtfertigen sein wird, wo doch auch Österreich verpflichtet ist, die Richtlinie des Rates der Europäischen Union 2000/78/EG über Rahmenbedingungen der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, die insbesondere auf behinderte Menschen Bezug nimmt, bis Dezember 2003 innerstaatlich umzusetzen. Nach dieser Richtlinie sind auch behindertendiskriminierende Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten der EU zu beseitigen, die Berufszugangsschranken wegen der Behinderung darstellen.

Doch nach dem Regierungsprogramm ist die Durchforstung der Berufsverbote ja paktiertes Ziel der Koalitionspartner. Und so kann man vielleicht doch hoffen, dass diese Behindertendiskriminierungen in Österreich bald Vergangenheit sein werden!

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich