Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003 – Schlecht abgeschrieben?

Am 8.4.2003 wurde im Justizausschuss des Parlaments die Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003 mit den Stimmen der ÖVP und FPÖ beschlossen. Doch die Bestimmung über die freie Werknutzung für Menschen mit Behinderungen weist grobe Mängel auf.

Dieter Böhmdorfer
Bundespressedienst

Die Umsetzung der Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen laut Artikel 5 Abs. 3 lit. b der Info-Richtlinie 2001/29/EG durch die Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003 sieht nun so aus:

„Behinderte

§ 42d (1) Zulässig ist die nicht komerzielle Benutzung eines erschienenen Werkes durch Vervielfältigung für und Verbreiten an behinderte Personen in einer für sie geeigneten Form, soweit ihnen wegen ihrer Behinderung der Zugang zum Werk durch sinnliche Wahrnehmung eines erschienenen Werkstücks nicht möglich oder erheblich erschwert ist.

(2) Für die Vervielfältigung und Verbreitung nach Abs. 1 steht dem Urheber ein Anspruch auf angemessene Vergütung zu. Dieser Anspruch kann nur von Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden.“

Kritik an diesem Entwurf übt die Sprecherin der Urheberrechts-Plattform und Urheberrechtsbeauftragte Österreichs in der Copyright-Workinggroup der Europäischen Blindenunion, Mag. Ruth Hammerschmid:

„Wenngleich es als durchaus positiv zu sehen ist, dass der Gesetzgeber neben der Zulässigkeit der Vervielfältigung nun auch ausdrücklich die Zulässigkeit der Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Werken in für behinderte Menschen verwendbaren Formaten vorsieht, ist der Gesetzestext dennoch nicht das, was wir uns vorgestellt und gefordert haben. Einerseits wird schon durch den Titel „Behinderte“ sprachlich diskriminiert und andererseits wieder nur auf die Zugänglichkeit durch „sinnliche Wahrnehmung“ Bezug genommen, so dass man jene körperbehinderten Menschen, die den Zugang deshalb nicht haben, weil sie mit Büchern nicht hantieren können, bestenfalls im Wege der Interpretation als von dieser Bestimmung gemeint verstehen kann. Nach dem Wortlaut der Bestimmung allein wären sie nicht umfasst. Und das ärgerliche ist, dass wir diese Passage vor wenigen Monaten bereits erfolgreich herausreklamiert haben, was offensichtlich vom Justizressort sang- und klanglos wieder rückgängig gemacht wurde. Es fragt sich schon, warum man eigentlich ein Gesetz macht, wenn man dann erst wieder nur durch eine krampfige Interpretation erreicht, dass alle benachteiligten behinderten Menschen einen wenigstens annähernd chancengleichen Zugang zu Informationen bekommen?“

Doch das ist nicht die einzige Schwachstelle, wie Mag. Hammerschmid betont:

„Ein erheblicher Nachteil ist es auch, dass im letzten Moment auch noch der Forderung der Inhaber von Urheberrechten dadurch entsprochen wurde, die Vervielfältigung und Verbreitung von Werken in für behinderte Menschen zugänglichen Formaten nur für „erschienene“ Werke zuzulassen. Was darunter zu verstehen ist, wird in § 9 Urheberrechtsgesetz definiert; das sind im wesentlichen am Markt erschienene Werke. Nicht gilt das für bloß „veröffentlichte“ Werke – z. B. Dissertationen, Diplomarbeiten -, auch wenn die Erläuterungen zur UrhG-Nov 2003 dies im Widerspruch zum eindeutigen Gesetzestext behaupten.“

Und zu guter letzt empört sich Mag. Hammerschmid auch über die weiterhin beibehaltene Entgeltlichkeit für die Konvertierung in für behinderte Menschen verwendbare Formate:

„In Österreich besaß man nicht einmal die Courage vom besseren Vorbild des § 45a des Deutschen Urheberrechtsgesetzes abzuschreiben. Dort ist die Herstellung lediglich einzelner Vervielfältigungsstücke von der Entgeltpflicht ausgenommen. Aber Österreich ist offenbar immer etwas anders und so muss man halt hierzulande in jedem Fall doppelt zahlen, erst für das unzugängliche Werk und dann für die Berechtigung es zugänglich machen zu dürfen.“

Naja, wie hieß es doch so schön in den Erwägungen zur Info-Richtlinie: „Die Mitgliedstaaten sollten in jedem Fall „alle“ erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um für Personen mit Behinderungen, die ihnen die Nutzung der Werke selbst erschweren, den Zugang zu diesen Werken zu erleichtern, und dabei ihr besonderes Augenmerk auf zugängliche Formate richten.“

Eines ist jedenfalls klar; alle erforderlichen Maßnahmen wurden mit diesem Gesetz bei weitem nicht getroffen. Da half nicht einmal die Urheberrechts-Nothilfe mit der parlamentarischen Anfrage in dieser Angelegenheit durch die SPÖ Behindertensprecherin Mag. Christine Lapp. Und so hält Mag. Hammerschmid letztlich als einzig positives Resume fest:

„Erreicht ist lediglich, dass nun jene Organisationen, die Werke in für behinderte Menschen zugängliche Formate konvertieren und sie verbreiten – insbesondere Vereine -, künftig in den eingeengten Grenzen dieses Gesetzes die Möglichkeit haben, dies auf legalem Boden zu tun. Eine befriedigende Lösung ist das jedoch nicht.“

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