Vertröstungstaktik bei Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien der EU

Am 8. September 2003 endete die Stellungnahmefrist im Begutachtungsverfahren zum Entwurf eines Gleichbehandlungsgesetzes des BMWA.

Martin Bartenstein
Bundespressedienst

Der Entwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit zur Änderung des Gleichbehandlungsgesetzes, mit dem die Antidiskriminierungsrichtlinie der EU 2000/78/EG und die Rahmenrichtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf 2000/43/EG innerstaatlich umgesetzt werden sollten, wies entgegen dem klaren Willen der EU für die Gruppe der Menschen mit Behinderungen keinerlei Bestimmungen des Diskriminierungsschutzes auf; das BMWA begründete dies damit, dass für behinderte Menschen sowieso ein Behindertengleichstellungsgesetz erarbeitet werde und die Rahmenrichtlinie für Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf für Menschen mit Behinderungen in diesem Behindertengleichstellungsgesetz umgesetzt werden solle.

Die Vereine BIZEPS und Blickkontakt gaben als Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderungen im Gesetzesbegutachtungsverfahren Stellungnahmen ab, in denen sie sich gegen die Ausklammerung der Menschen mit Behinderungen von dieser Maßnahme zur Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien aussprachen und abermals folgende Forderungen vehement bekräftigten:

  • Es muss ein eigener Abschnitt „Gleichbehandlung für Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt“ in das Gesetz aufgenommen werden, der präzise Rechte und Diskriminierungstatbestände für diese Personengruppe regelt.
  • Die zahlreichen Berufsverbote für Menschen mit Behinderungen im österreichischen Rechtsbestand – z. B. im Rechtspfleger-, Richterdienst-, Staatsanwaltschafts-, Schulorganisations-, Sachverständigen- und Dolmetschergesetz – müssen beseitigt werden.
  • Zur Wahrung dieser Rechte muss auch ein eigener Senat in der Gleichbehandlungskommission und ein eigener Gleichbehandlungsbeauftragter in der Gleichbehandlungsanwaltschaft für Menschen mit Behinderungen vorgesehen werden.
  • Es sind positive Maßnahmen zur bevorzugten Förderung und Einstellung von Menschen mit Behinderungen vorzusehen, die über die bislang rechtlich vorhandenen Maßnahmen hinausgehen.
  • Es muss die Möglichkeit eines immateriellen Schadenersatzes vorgesehen werden.
  • Es muss ein Verbandsklagerecht auch unabhängig vom Einzelfall für offenkundige und vorhersehbare systembedingte Diskriminierungen offen stehen.
  • Nichtregierungsorganisationen müssen die Möglichkeit haben, Opfer von Diskriminierung vor Gerichten zu vertreten. Um eine qualitativ hochwertige Vertretung sicherzustellen, sollte diese Aufgabe von einem zu diesem Zweck zu gründenden (Rechtshilfe)-Verein übernommen werden, für den der Bund eine Basisfinanzierung zu übernehmen hätte.
  • Entsprechend den Anforderungen der beiden Richtlinien hat eine Einbeziehung von Nichtregierungsorganisationen zu erfolgen.

Die Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen erneuerten nun auch den von ihnen bereits vor einigen Monaten geäußerten Protest gegen diese Vorgangsweise der Bundesregierung.

Martin Ladstätter (BIZEPS): „Wir sprechen uns klar gegen diese Vertröstungstaktik in Sachen Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien für Menschen mit Behinderungen aus; die Umsetzung dieser EU-Richtlinien kann für Menschen mit Behinderungen ohnehin nur als erster Schritt verstanden werden und der ist jetzt zu setzen und nicht irgendwann in ferner Zukunft.“

Dr. Elisabeth Wundsam (Blickkontakt): „Menschen mit Behinderungen sind als diskriminierte Gruppe von den Antidiskriminierungsrichtlinien umfasst und müssen daher ebenso wie die anderen diskriminierten Gruppen in solchen Maßnahmen der Richtlinienumsetzung in Österreich entsprechend berücksichtigt werden. Wir wollen als Mindeststandard vorerst wenigstens dasselbe Diskriminierungsschutzniveau wie andere diskriminierte Gruppen. Klar ist aber, dass wir mit einem künftigen Behindertengleichstellungsgesetz einen über diesen Mindeststandard weit hinausgehenden Diskriminierungsschutz gesetzlich gesichert haben wollen.“

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich