Gebärdensprache – wieder keine Anerkennung!

"Vorwärts zu Menschenrechten" hieß ein von gehörlosen Menschen organisierter Kongreß im Jahre 1995.

Gebärdensprachdolmetsch im Parlament. Norbert Pauser dolmetscht Volker Kier
ORF

Die Forderungen nach Anerkennung der Gebärdensprache wurden damals nicht erfüllt. Daher gab es später einen neuen Anlauf.

Der Österreichische Gehörlosenbund forderte in einer Unterschriftenliste „die Anerkennung der Gebärdensprache einschließlich dem Recht auf Gebärdensprachunterricht … und daß alle TV-Sendungen von allgemeinem Interesse in Gebärdensprache zu übersetzen bzw. mit Untertiteln zu versehen sind.“

Knapp 10.000 Menschen haben diese Forderungen mitgetragen, die anschließend durch den Abgeordneten Dr. Volker Kier (LIF) am 20. März 1997 als Petition Nr. 23 „Anerkennung von Gebärdensprache“ dem Parlamentspräsidenten übergeben wurde.

Verhandlungen im Parlament
Die parlamentarische Behandlung verlief – mangels Interesse der Regierungsparteien – nur schleppend. Am 16. Dezember 1998 stand dann aber doch die Petition auf der Tagesordnung des Nationalrates.

Was wurde beschlossen?
Alle Parteien erklärten, wie wichtig ihnen das Thema sei. Beschlossen wurde dann einstimmig nur eine Änderung der Strafprozeß- und Zivilprozeßordnung. Seit 1. Jänner 1999 können gehörlose Menschen vor Gericht einen Gebärdensprachen-Dolmetsch auf Kosten des Bundes in Anspruch nehmen.

Anerkennung der Gebärdensprache?
Die Anerkennung der Gebärdensprache wollten die Regierungsparteien auch diesmal wieder nicht beschließen. Sogar ein Antrag der grünen Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und des liberalen Abgeordneten Dr. Volker Kier zur Errichtung einer „Arbeitsgruppe, bestehend aus Betroffenen und ExpertInnen, welche eine juristische Lösung zur Anerkennung der österreichischen Gebärdensprache ausarbeiten soll“, wurde abgelehnt!

„Die Leute interessiert nicht, was Sie hier sagen, sondern die Leute interessiert in erster Linie, was Sie TUN.“ faßte die Abg. Stoisits die enttäuschenden Ergebnisse der Sitzung zusammen.

Die Änderung der Straf- und Prozeßordnung sei zwar ein „Teilerfolg“, so Abg. Kier, aber „solange nicht bei der Früherziehung, in den Schulen und bei der Berufsausbildung alle möglichen Integrationsmaßnahmen für Gehörlose selbstverständlicher Standard sind, bleiben diese Menschen vielfach ausgeschlossen“.

Zwar sei in „zwei wesentlichen Verfahrensgesetzen“ der Republik eine Änderung vollzogen worden, aber die Klärung der Rechtsfrage für eine öffentliche Anerkennung ist von den Regierungsparteien abgelehnt worden.

ORF – macht zuwenig !
Zum zweiten Teil der Petition – TV-Sendungen mit Gebärdensprache bzw. Untertiteln auszustatten – resümierte Kier: „Der Österreichische Rundfunk ist schon eine Enttäuschung! Auch wenn er sich rühmt, da relativ viel zu machen: Er macht zuwenig!“.

Von einem „politischen Doppelspiel“ des SPÖ-Behindertensprechers Guggenberger sprach die grüne Behindertensprecherin Theresia Haidlmayr, da sich Guggenberger in der Presse für die Anerkennung der Gebärdensprache ausgesprochen hat, im Parlament aber dagegen gestimmt hat.

Keine Integration
„Wo bleiben unsere Menschenrechte? Ohne Anerkennung der Gebärdensprache gibt es keine Integration“, faßte Mag. Helene Jarmer, die Generalsekretärin des Österr. Gehörlosenbundes, bei einer darauffolgenden Pressekonferenz, die mageren Ergebnisse zusammen.

Österreich schon seit 1988 aufgefordert
Im Europäischen Parlament wurde die Anerkennung der Gebärdensprache schon am 17. Juni 1988 empfohlen und die Mitgliedsländer aufgefordert, alle noch bestehenden Hindernisse für die Benutzung der Gebärdensprache zu beseitigen. Österreich hat eine Anerkennung nun schon mehrmals im Nationalrat besprochen, aber noch immer nicht beschlossen.

Bei der Debatte über die gesetzliche Anerkennung der Gebärdensprache blieb es im wesentlichen bei Absichtserklärungen.

Anträge der Oppositionsparteien, die konkrete Schritte in Richtung Anerkennung der Gebärdensprache vorsahen, fanden wieder keine Mehrheit. Von den Forderungen der Petition wurde kaum etwas umgesetzt.

Konferenz im Brüssel
Am 21. und 22. Jänner 1999 reisten GehörlosenvertreterInnen und BeamtInnen auf Einladung des liberalen EU-Abgeordneten Friedhelm Frischenschlager zur Konferenz „Arbeitsmarktsituation für Gehörlose in der EU“ nach Brüssel.

Padraig Flynn, EU-Kommisar für Beschäftigung und Soziales, appellierte an die TeilnehmerInnen der Konferenz: „Machen Sie Druck auf ihre nationalen Minister und Parlamente“, denn Brüssel habe weder das Geld, noch die Kompetenzen, um gehörlosen Menschen wirkungsvoll bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu helfen.

Gebärdensprache anerkennen!
Weil die Nationalratssitzung am 16. Dezember 1998 enttäuschend verlaufen ist, wird der Kampf um die Anerkennung der Gebärdensprache von uns mit Vehemenz weitergeführt.

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