Gehörlosenbund Pressekonferenz 050509

Österreichischer Gehörlosenbund präsentiert 1. Diskriminierungsbericht

Mit dem "1. Diskriminierungsbericht der Österreichischen Gebärdensprachgemeinschaft" belegen gehörlose Menschen erstmals anhand von lebensnahen Beispielen aus ganz Österreich, wie und in welchen Bereichen sie diskriminiert werden.

Der Österreichische Gehörlosenbund präsentierte heute den „1. Diskriminierungsbericht der Österreichischen Gebärdensprachgemeinschaft“ im Rahmen einer Pressekonferenz in Wien. Anhand von über 50 Beispielen, die anschaulich von einem (ebenfalls gehörlosen) Zeichner illustriert wurden, wird nachvollziehbar, wie Diskriminierungen im Alltag aussehen.

„In diesem Bericht haben wir erstmals zusammengefasst, welche Probleme uns tagtäglich begleiten und mit welchen Diskriminierungen wir kämpfen“, erläutert Mag. Helene Jarmer, Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes (ÖGLB).

Jarmer: „Wie kann man es den Menschen bewusster machen?“
Es soll mit dem nun vorgelegten Bericht die Öffentlichkeit aufmerksam gemacht werden, „welche Situationen diskriminierend sind“, so Jarmer, weil „viele Diskriminierungen nicht auffallen“. Sie nannte auch ein positives Beispiel: Die Austrian Airlines haben ihre Regelungen seit Oktober 2004 geändert. Nun müssen gehörlose Menschen keine hörende Begleitperson – „ich nenne das mal Babysitter“ – haben.

Der ÖGLB hat 15 Jahre für die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache (ÖGS) gekämpft und nun soll eine „symbolischer Anerkennung“ der Sprache in der Bundes-Verfassung erfolgen. Mag. Helene Jarmer zeigte auf, dass weitere Gesetze geändert werden müssen, damit wir „als absolut gleichberechtigte Bürger anerkannt werden“. Wichtig ist dabei der bilinguale Unterricht in der Schule.

„Gehörlose als Behinderte haben eine spezielle Situation als Sprachminderheit, weil sie behindert werden“, verweist Jarmer auf die Diskussion, ob gehörlose Menschen „behindert“ sind oder nicht. „Auch alte Leute werden behindert“, führt Jarmer weiter aus, denn „behindert sein bedeutet, dass man vor Barrieren gestellt wird“.

Jarmer kündigt an: „Wir wollen weiter aktiv sein und auch aufklären“. Der Bericht wird nun an alle Landesverbände verteilt.

Tonar: „Gehörlose beginnen mutiger zu werden.“
Die gehörlose Diskriminierungsbeauftragte Lydia Tonar hat gemeinsam mit anderen nun belegt, wie man sie nicht für voll nimmt, wie über ihren Kopf hinweg bestimmt und manchmal sogar ihre Sprache unterdrückt oder verachtet wird.

Sie schildert einen Diskriminierungsfall, bei dem das Arbeitsmarktservice einer gehörlosen Frau erklärt hat, dass sie nicht Kindergärtnerin werden kann, weil sie „das Schreien der Kinder nicht hören kann“.

In einem Betrieb – in dem gehörlose Menschen arbeiten – gibt es keine visuellen Alarmanlagen. Auf Nachfrage wurde bekannt gegeben, dass „Hörende ja die Gehörlosen aufmerksam machen können“, berichtet Tonar.

„Gehörlosen ist selbst oft nicht bewusst, dass sie diskriminiert werden“, erzählt sie zur österreichweiten Sammlung von Erlebnissen, aber – und das freut Tonar – „Gehörlose beginnen mutiger zu werden“.

Roiss: „Aktiv und voller Elan die Sache angehen“
Im nun vorgelegten Bericht „geht es um Diskriminierungen“, fasst ÖGLB-Vorstandsmitglied Günter Roiss zusammen. Der ÖGLB wird nun den Bericht „allen Abgeordneten zukommen lassen“ und „aktiv und voller Elan die Sache angehen“.

Reaktionen der Politik
„Es ist sehr erfreulich, dass nach 15 langen Jahren der Bemühungen nun endlich die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache in der Verfassung unmittelbar bevorsteht“, meint die Behindertensprecherin der Grünen, Theresia Haidlmayr. Rechte von gehörlosen Menschen müssen im Behindertengleichstellungsgesetz verankert werden, fordert die Abgeordnete.

„Die dem Parlament bereits übermittelte Regierungsvorlage sieht die Anerkennung in der Österreichischen Bundesverfassung vor und soll noch vor dem Sommer beschlossen werden“, kündigt der Behindertensprecher der ÖVP, Dr. Franz-Joseph Huainigg, an und erinnert: „Der Entwurf enthält auch den Auftrag Materiengesetze abzuändern.“

Konkret bedeutet dies für ihn: „Das wichtigste Ziel dabei ist, gehörlosen Menschen ein gleichwertiges integriertes Leben zu ermöglichen. Vor allem im Bereich der Berufsausbildung sind Verbesserungen dringend erforderlich. Es muss zum Beispiel möglich sein, dass gehörlose Kinder auch von gehörlosen LehrerInnen unterrichtet werden können.“

Die derzeitige Formulierung zur Anerkennung der Gebärdensprache, nämlich „Das Nähere regeln die Gesetze“, sei viel zu allgemein und vage und müsse erst mit Leben erfüllt werden, kritisiert die Behindertensprecherin der SPÖ, Mag. Christine Lapp. Sie begrüßt den Diskriminierungsbericht des Österreichischen Gehörlosenbundes als wichtiges und gleichzeitig trauriges Beispiel für die unbedingte Notwendigkeit einer umfassenden Anerkennung der österreichischen Gebärdensprache.

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