Fragen rund ums Bundespflegegeldgesetz

Pflegegeld wieder einmal im Gerede

Die einen wollen eine Pflegeversicherung einführen, andere wieder sehen im Pflegescheck das Allheilmittel; die einen verbreiten Krisenstimmung, andere sehen keinen Grund, an der momentanen Situation etwas zu ändern.

Begonnen hat es mit einer Feststellung des Präsidenten des Österreichischen Gemeindebundes, Helmut Mödlhammer. Die „enormen Steigerungsraten“ bei den Sozial- und den Gesundheitskosten“ seien ein „Riesenproblem“ für die Gemeinden.

Dies deshalb, weil die Steigerungsraten zwischen zehn und 15 Prozent pro Jahr betragen und zwei Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner von öffentlichen Pflegeheimen bereits auf Sozialhilfe angewiesen seien. Deswegen „sollte das Projekt einer verpflichtenden Pflegeversicherung angedacht werden“, so Mödlhammer der vorschlägt, dass ein bestimmter Prozentsatz der Sozialversicherung dafür zweckgebunden werden soll.

„Wir haben keinen Pflegenotstand“

Keinen Grund zur Panik sieht hingegen der Sozialsprecher der ÖVP, Abg.z.NR Walter Tancsits, der zum „Standard“ sagte: „Im Moment haben wir keinen wie immer gearteten oder wie immer herbeigeredeten Pflegenotstand“ und klipp und klar feststellte: „Ich halte nichts davon, eine neue Pflichtversicherung einzuführen.“

Auch Oberösterreichs Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer (ÖVP) meinte einen Tag später auf diese Frage angesprochen zum „Standard“ „Die Pflegeversicherung ist … sicher kein Allheilmittel.“ Vielmehr plädierte er dafür „deutlich mehr mobile und weniger stationäre Hilfe“ anzubieten.

Flecker fordert Pflegeversicherung

Eine ganz andere Position nimmt der steirische Soziallandesrat Kurt Flecker (SPÖ) ein: Er verweist auf ihm vorliegende Studienergebnisse, die eindeutig „für eine allgemeine Pflichtversicherung“ sprechen.

Flecker nimmt die deutsche Pflegeversicherung als Beispiel und meint, dass mit einem Beitragssatz von 0,975 Prozent des sozialversicherungspflichtigen Einkommens für Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Auslangen gefunden werden könnte. Damit könnte, seiner Meinung nach, in der Steiermark das gesamte ausgezahlte Pflegegeld finanziert werden.

Deutschland ist absolut kein Vorbild

Allerdings ist die deutsche Pflegeversicherung das denkbar schlechteste Beispiel und für Österreich absolut kein Vorbild. Erstens sind dort die Geldleistungen wesentlich geringer als bei uns und es werden vor allem die großen Wohlfahrtsverbände einseitig bevorzugt.

Zweitens steht die Finanzierung schon seit Jahren an der Kippe. Nicht umsonst spricht man hier von der sogenannten „Minutenpflege“.

Schaunig: „Pflegegeld erhöhen anstatt mit Pflegeschecks abzulenken“

Konträrer Meinung ist seine Kollegin aus Kärnten, Soziallandesrätin Gaby Schaunig (SPÖ). Sie lehnt eine zusätzliche Belastung durch eine Pflegeversicherung ab und fordert den Bund auf, das Pflegegeld zu erhöhen „anstatt mit Pflegeschecks abzulenken.“

Haubner: „Menschen nicht verunsichern“

Von der „Zeit im Bild“ zu diesem Thema befragt stellte Sozialministerin Ursula Haubner (BZÖ) am 29. November 2005 unmissverständlich fest, sie sehe keinerlei Notwendigkeit, vom bewährten System der Pflegevorsorge abzugehen. Sie forderte die Diskutantinnen und Diskutanten auf, die Menschen nicht zu verunsichern.

Studie vorgestellt

Bei einer Pressekonferenz am 24. November 2005 wurden von Ministerin Haubner die Ergebnisse der Studie zur „Situation pflegender Angehöriger“ vorgestellt. Als Konsequenz dieser Studie will die Sozialministerin die Situation der pflegenden Angehörigen verbessern.

Laut dieser Studie werden mehr als 80 % der pflegebedürftigen Menschen zu Hause, entweder alleine durch Angehörige oder zusammen mit Sozialen Diensten, gepflegt. Für pflegende Angehörige gibt es zu wenig Angebote in Form von Beratung, Begleitung oder Unterstützung.

Generell werden als die beiden häufigsten Gründe, warum nicht ausreichend oder gar keine Mobilen Dienste in Anspruch genommen werden, eine grundsätzlich ablehnende Haltung (48 %) sowie das Scheitern an der Finanzierbarkeit (42 %) genannt.

Zur Unterstützung ihrer Situation können pflegende Angehörige, die an der Erbringung ihrer Pflegeleistung wegen Krankheit, Urlaub oder aus sonstigen wichtigen Gründen verhindert sind, bereits jetzt eine finanzielle Zuwendung erhalten, um eine Ersatzpflege organisieren zu können.

Ab Jänner begünstigte Selbstversicherung

Als Verbesserung, vor allem für Frauen, wird ab 1. Jänner 2006 die Möglichkeit einer begünstigten Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger ab der Pflegestufe drei in Kraft treten.

Weiters will die Sozialministerin berechnen lassen, was es kosten würde, den derzeit als Pilotprojekt in der Steiermark eingeführten Pflegescheck flächendeckend einzuführen, wobei es völlig unklar ist, wie eine flächendeckende Einführung, die ja dann eine österreichweite sein müsste, finanziert werden soll.

Bereits jetzt würde die Einführung unter der Annahme, dass nur jeder 10. Angehörige der insgesamt 470.000 Menschen, die laut Sozialministerium daheim betreut werden, einen Antrag auf einen Pflegescheck stellt, jährlich einen Mehraufwand von 47 Millionen Euro erfordern. Dies würde damit weit über den Kosten einer Valorisierung des Pflegegeldes liegen.

Pflegescheck unter massiver Kritik der Behindertenorganisationen

So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass der Pflegescheckvorschlag von massiver Kritik der Behindertenorganisationen sowie der Opposition begleitet wurde. Auf der anderen Seite gibt es aus dem Sozialministerium keinerlei Signale dafür, dass das Pflegegeld valorisiert werden soll.

Weiterentwicklung in Richtung Persönliche Assistenz

Auch von einer Weiterentwicklung der Pflegevorsorge in Richtung Persönliche Assistenz ist nichts zu hören. Wohltuend war es da, die Meinung eines wirklichen Fachmannes, des deutschen Sozialrechtlers Gerhard Igl zu hören.

Er plädiert dafür, dass ein pflegebedürftiger Mensch die Möglichkeit haben soll, zwischen Geld und Sachleistungen zu wählen und sagt, Pflegeleistungen seien am besten mittels Sozialversicherungsbeiträgen zu finanzieren. Ganz so, wie es in Österreich seit dem Jahr 1993 praktiziert wird.

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