Integration:Österreich

Anderswo etabliert, Wien modelliert

Persönliche Assistenz ganz nach Bedarf und wenn nötig rund um die Uhr, darauf pochen behinderte Frauen und Männer seit Jahren. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Betrifft:Integration Redaktion.

Im September ist das 2-jährige Pilotprojekt „Persönliche Assistenz in Wien“ angelaufen. Forderung erfüllt? Persönliche Assistenz (PA) nach Bedarf, direkt finanziert und bei einer Person oder Institution freier Wahl eingekauft, das sind Grundforderungen der Selbstbestimmt Leben Bewegung Österreich.

In anderen Ländern ist die PA längst etabliert, für zumindest 25 WienerInnen soll dieses Postulat jetzt auch erfüllt werden – für einen Zeitraum von zwei Jahren, im Rahmen des Modellversuchs „Persönliche Assistenz in Wien“.

Das Projekt dient der „Erhebung von Grundstandards in diesem Bereich“, so die Beschreibung durch den Fonds Soziales Wien (FSW), der u.a. zuständig ist für Leistungsangebote an behinderte Menschen. Während dieser Zeit werden die Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Persönlichen Assistenz im Detail erarbeitet.

Zum aktuellen Stand befragt meint FSW-Verantwortlicher Johann Schmidt: „Wir sind gerade dabei, Gespräche zu führen und eine Auswahl zu treffen, denn wir haben mehr als 25 Anträge erhalten.“ Zielgruppe sind behinderte Menschen ab Beendigung der Schulpflicht im erwerbsfähigen Alter mit Pflegestufe 5 bis 7, die voll geschäftsfähig sind und in einem eigenen Haushalt leben oder leben möchten. Es soll dabei vom tatsächlichen Assistenzbedarf ausgegangen werden, also bis zu 24 Stunden Assistenz pro Tag möglich sein.

Die Betroffenen werden Direktzahlungen erhalten und die Assistenz entweder über die Wiener Assistenzgenossenschaft in Anspruch nehmen oder selbst als ArbeitgeberInnen ohne zwischengeschaltete Organisation fungieren. Auch Mischformen sind möglich. Das Einkommen der beteiligten Frauen und Männer spielt insofern eine Rolle, als es nach dem Kostenbeitragssystem der Sozialen Dienste zur Berechnung herangezogen wird.

Zur Evaluierung des Projekts erklärt Schmidt: „Wir vergleichen die jeweilige individuelle Situation unter Einbeziehung der Betroffenen vor und nach dem Projekt. Ein Fachforum aus Betroffenen und MitarbeiterInnen des FSW begleitet die Auswertung.“ Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, die Assistenz ins reguläre Leistungsangebot des FSW aufzunehmen.

Warum nicht auf Erfahrungen zurückgreifen?

Dorothea Brozek, Geschäftsführerin der Wiener Assistenzgenossenschaft und Mitglied des Fachforums, versteht nicht, weshalb „trotz internationaler Erfahrungen Wien nochmals modellieren muss. Und auch der Bund setzt nun seit 2004 nach 2jähriger Projektphase die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz um, das sind Ergebnisse, auf die man einfach zurückgreifen könnte.“

Die Grundforderungen der Selbstbestimmt Leben Bewegung nach Wahlfreiheit, tatsächlichem Bedarf und Geld bar auf die Hand sieht sie aber erfüllt. „Die Wahlfreiheit ist wichtig, selbst zu entscheiden, wie man die PA organisieren will, und das wurde uns zugesagt. Wir hoffen hier auf Handschlagqualität. Und die PolitikerInnen müssen sich entschieden, ob sie Ausbeutungsverhältnisse auf niedrigstem Niveau oder kollektivvertragsähnliche Verhältnisse fördern wollen, die qualitativ hochwertig sind.“

Wichtig sind die eigenen Bedürfnisse

Was sich für Brozek spießt: „Das PA-Modell entspringt dem sozialen Modell der Behinderung, das besagt, dass Frauen und Männer von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen behindert werden. Die Pflegegeldstufen, die Kriterium sind für die Aufnahme in das Projekt, kommen aber aus dem medizinischen Modell.“

Apropos Kriterien: „Geschäftsfähigkeit kann kein Kriterium für PA sein. Denn wichtig ist die Bereitschaft und Fähigkeit, über die eigene Situation zu reden und über die eigenen Bedürfnisse nachzudenken. Nicht aber, ob jemand einen Sachwalter hat oder nicht“, meint Brozek. Schmidt zum Kriterium Geschäftsfähigkeit: „Es gibt Forderungen, dass die PA nicht nur für die Zielgruppe körperbehinderter Menschen bestimmt ist. Wir werden uns das im Zuge des Projekts anschauen, auch ist es abhängig davon, wie viel Geld dann zur Verfügung gestellt wird.“

Laut Schmidt könnte die PA bei einzelnen Frauen und Männern heuer noch starten, nämlich sobald deren Förderzusagen unterschrieben sind. Über die entscheidet angeblich FSW-Chef Hacker persönlich.

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