Neuseeland: Leben in der Gemeinde ist Menschenrecht

Für Ruth Dyson, Neuseelands Ministerin für Behindertenfragen, ist es eine Frage der Menschenrechte, Behindertenheime zu schließen und ein Leben in der Gemeinde zu ermöglichen.

Flagge Neuseeland
stockvault / Nicolas Raymond

Das erfuhr kobinet-Korrespondent Ottmar Miles-Paul in einem Gespräch mit der Ministerin in Christchurch Anfang Jänner.

Bei dem gut einstündigen Treffen, an dem auch Susanne Göbel von „Mensch zuerst“ aus Deutschland teilnahm, hatten die beiden Reisenden ihre positiven Eindrücke von der Tour durch Neuseeland geschildert. Auffällig waren die vielen Rampen, Orientierungshilfen für blinde und sehbehinderte Menschen und die vielen Lifte an den Bussen.

Dies liege an der Gesetzgebung, die in Neuseeland in den letzten Jahrzehnten entscheidend zu einer barrierefreieren Gesellschaft geführt hat, sagte die Ministerin. Zur Situation behinderter Menschen, die in Deutschland oft noch in Behindertenheimen leben oder in speziellen Werkstätten arbeiten, sagte die Ministerin: „Das ist für uns eindeutig eine Menschenrechtsfrage. Das haben wir auch in unserer Ausrichtung der Behindertenpolitik klar definiert, nämlich, dass behinderte Menschen, wie alle anderen Menschen auch, in der Gemeinde und nicht in großen Behindertenheimen leben sollen.“

Ruth Dyson meinte, dabei spiele es auch keine Rolle, wenn dies zuweilen teurer sei. Es könne nicht mehr sein, dass behinderte Menschen heute noch nach einem Leitgedanken ihrer Unterbringung leben müssen, der aus den 60er Jahren stamme und längst überholt sei. Deshalb hat die Ministerin recht früh klar gemacht, dass die bestehenden Behindertenheime geschlossen werden. Alle Beteiligten wurden eingeladen, in diesem unvermeidlichen Veränderungsprozess mitzumachen.

„Fünf Personen ist dabei für uns die Höchstgrenze“

Nur die Gewerkschaften wurden ein wenig außen vor gelassen, betonte die Ministerin, die selbst als langjährige Gewerkschafterin aktiv war. Denn im Mittelpunkt ständen die Menschenrechte behinderter Menschen und nicht vorrangig die Jobs. So werden in Neuseeland derzeit die letzten Behindertenheime Schritt für Schritt geschlossen und durch kleine Wohnprojekte in der Gemeinde ersetzt. „Fünf Personen ist dabei für uns die Höchstgrenze“, stellte die Ministerin fest.

In Sachen Werkstätten für behinderte Menschen will die Ministerin einen ähnlichen Weg gehen. Es könne nicht sein, dass behinderte Menschen dort oder anderswo für einen Hungerlohn arbeiteten. Das sei nicht akzeptabel und müsse in andere Formen gegossen werden. Sie hat dafür auch schon einen Gesetzesvorschlag gemacht, der allerdings noch nicht die nötige Unterstützung findet. „Wir arbeiten aber dran, denn mit derzeit nur drei Prozent Arbeitslosigkeit in Neuseeland ist das für uns derzeit eine große Chance“, so Ruth Dyson.

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