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Gleiches Recht auf Bildung wird von UN untersucht

Der UN-Sonderberichterstatter Vernor Muñoz untersucht auf einer Reise vom 13. bis 22. Februar 2006 das Recht auf Bildung in Deutschland.

In einem Kommentar stellt Michael Gerr vom Vorstand der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) die Frage: „Wird den Rechten von Kindern mit Behinderungen genüge getan“?

Kommentar von Michael Gerr:

Der UN-Sonderberichterstatter Vernor Muñoz untersucht auf einer Reise vom 13. bis 22. Februar 2006 das Recht auf Bildung in Deutschland. Zu seinen Aufgaben gehört es nach dem Stand der Realisierung des Rechtes auf Bildung und damit verbunden anderer Rechte im Land zu fragen, insbesondere bezogen auf Gleichheit und Nichtdiskriminierung, so auch bei Behinderten. Wird den Rechten von Kindern mit Behinderungen genüge getan?

Die ISL muss diese Frage klar verneinen. Es gibt in Deutschland kein Recht auf Bildung in einer Regelschule. Stattdessen wurde in den letzten Jahrzehnten ein ausdifferenziertes Sonderschulsystem geschaffen, das behinderte Kinder ausgrenzt und benachteiligt. Die Regelschule selektiert alles, was sich nicht in die enge Form des nach oben sehr undurchlässigen Schulsystems pressen lässt.

Eher gesteht man einem Lehrer ein Recht zu, die Unterrichtung eines behinderten Kindes zu verweigern als einem behinderten Kind das Recht, die Schule besuchen zu dürfen, in die dessen Freunde und Nachbarn gehen. Dazu kommt noch, dass die meisten Schulen nicht barrierefrei sind, weder hinsichtlich der Schulbauten noch in Bezug auf Kommunikationssysteme, die sinnesbeeinträchtigte Menschen für gleiche Lernchancen benötigen.

Zudem werden Jugendliche, die einen einseitigen Bildungsweg in Sonderschulen hinter sich gebracht haben, beim Schulabschluss benachteiligt und haben deutlich geringere Chancen bei Ausbildung und Beruf. Viele landen dann in weiteren diskriminierenden Sondereinrichtungen, in sogenannten „Werkstätten für behinderte Menschen“.

Um ein gleiches Recht auf Bildung und gleiche Chancen für behinderte Menschen zu gewährleisten, muss das Schulsystem vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Die Regelschulen müssen grundsätzlich für behinderte Kinder geöffnet werden. Das Sonderschulsystem muss nach und nach zurück genommen werden.

Eine Schule, welche Chancengerechtigkeit Ernst nimmt, braucht:

  • Das Recht auf Bildung für alle im Regelschulsystem
  • Bedarfsgerechte Assistenz und Unterstützung auch in der Schule
  • Lernzieldifferentes Lernen und Lehren in gemischten Klassen
  • Ergänzende pädagogische Betreuung behinderter Kinder
  • Eine grundlegende Reform der Lehrerausbildung und Fortbildung im Sinne von Inklusion

Es bleibt zu hoffen, dass sich der UN-Sonderberichterstatter Muñoz nicht von Vorzeigeeinrichtungen täuschen lässt und die Defizite des deutschen (Sonder-)Schulsystems klar benennt.

Denn in einem reichen europäischen Land, das wir sind, sorgt so mancher Euro, der in Sondereinrichtungen hängen bleibt, nicht für mehr Teilhabe und Selbstbestimmung, sondern für mehr Ausgrenzung und Benachteiligung.

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