Irmgard Kurz

BürgerInnen-Initiative: Bitte warten

"Ingegration:Österreich (I:Ö) - ungehindert behindert" hat am 24. Februar 2005 die BürgerInnen-Initiave zur "Rechtlichen Absicherung integrativer (Aus)-Bildungsangebote für behinderte Jugendliche ab der 9. Schulstufe Sekundarstufe II" eingebracht.

Genau ein Jahr danach, am 24. Februar 2006 wurde sie im Unterrichtsausschuss behandelt – und vertagt. Damit liegt die Öffnung der Sekundarstufe II für Jugendliche mit Behinderungen nach wie vor in der politischen Warteschleife.

Für Betroffene heißt es in punkto Recht auf Bildung damit weiterhin „bitte warten“. „Im Jahr des Inkrafttretens des Behindertengleichstellungsgesetzes eine schiefe Optik“, bedauert I:Ö-Vorstandsvorsitzende Irmgard Kurz, „und außerdem eine harte Geduldsprobe für jene engagierten ÖsterreicherInnen, darunter viele Eltern behinderter Kinder, die diese Initiative unterschrieben haben.“

5500 Unterschriften vergeblich?

Immerhin 5500 Unterschriften wurden am 23. Februar 2005 von der Elterninitiative Ingegration:Österreich an den Präsidenten des Nationalrats, Dr. Andreas Kohl übergeben.

Außer der Rückmeldung, dass die BürgerInnen-Initiative dem Unterrichtsausschuss zugewiesen wurde, ist ein ganzes Jahr lang nichts passiert.

Ob nach der Vertagung letzte Woche ein weiteres Jahr verstreichen muss, bis das Thema den Sprung auf die Tagesordnung des Ausschusses schafft, wird der politische Wille zeigen.

Bildung als Chance für alle

Dabei ist die Öffnung der Sekundarstufe II für Kinder und Jugendliche mit Behinderung – wie auch für alle anderen dieser Altersgruppe – entscheidend für deren Chancen auf Selbstbestimmung und -verwirklichung.

Die Möglichkeiten dazu sind derzeit sehr begrenzt. Der momentan einzige Weg für gemeinsame Weiterbildung ALLER Jugendlichen ist der Besuch eines Polytechnikums. Und auch das funktioniert nur über einen Schulversuch.

„Zudem ist diese Schulform schon allein durch ihre begrenzte Anzahl ressourcenmäßig überfordert“, verweist Irmgard Kurz auf die logistische Seite des Problems, „vom Wunsch nach einem möglichst breiten Angebots-Spektrum an Aus- und Weiterbildung, das durch diesen Schultyp nicht abgedeckt werden kann, ganz zu schweigen!“

Seit September 2003 besteht für Jugendliche mit Behinderung zwar die Möglichkeit, im Rahmen der integrativen Berufsausbildung eine Teilqualifizierungslehre zu absolvieren, dies kommt aber nur für einen Teil der Jugendlichen in Frage. Um gleiche Chancen für alle zu verwirklichen, braucht es auf Sekundarstufe II eine generelle Öffnung aller allgemein- und berufsbildenden höheren Schulen, Landwirtschaftliche Schulen eingeschlossen.

Höchste Zeit für gleiches Recht auf Bildung

Die Elterninitiative Ingegration:Österreich betrachtet für Jugendliche mit Behinderung verschlossene Türen in allgemein- und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (Sektion II) als Verstoß gegen das in der österreichischen Verfassung festgeschriebene Benachteiligungsverbot.

Wie verlautet ist, wollen die Abgeordneten in den nächsten Wochen intensive Gespräche führen, um einen gemeinsamen Entschließungsantrag einbringen zu können.

Um die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen und in Folge die Qualität zu sichern, wäre Bildungsministerin Elisabeth Gehrer jedenfalls gefordert, einen entsprechenden Schulversuch zu veranlassen. Der politische Wille lässt sich bisher leider Zeit. Unsere Jugendlichen mit Behinderungen haben diese – gerade in punkto Bildung – nicht.

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13 Kommentare

  • @anonym: Bei Familien, welche ihren Kindern mit Behinderung ein menschenwürdiges Leben zu Hause bieten und ein Leben in einer Anstalt ersparen wollen, geht es aber neben den behinderungsbedingten Belastungen oft auch um massive existenzielle bzw. wirtschaftliche Probleme, wobei dann viele Benachteiligungen, wie z.B. verwehrte Bildungsmöglichkeiten oft hingenommen werden. Es geht oft nur mehr darum, im täglichen Überlebenskampf und Leben im jahrzehntelangen Ausnahmezustand ein halbwegs „normales“ Familienleben zu führen. Immer wieder zu Bittstellern degradiert, bleibt die Hoffnung auf eine Zukunft, in der manche Unterstützungs- und Förderungsmöglichkeiten selbstverständlich sind. Damit Sie sehen, dass manches viel komplizierter ist, als es auf den ersten Blick erscheint, würde ich Ihnen gerne unser Beispiel schildern (mailen Sie mir), Ihre Anonymität (wodurch auch immer motiviert) werde ich respektieren.

  • @Gerhard Lichtenauer: sicher „die Solidarität einer Wertegemeinschaft ist hier gefordert.“

  • „Gerade In Bezug auf Bildung und auf Durchsetzbarkeit von Gleichstellungsrechten hat das Behindertengleichstellungsgesetz (2006) noch große Schwächen. Die Verfassungsbestimmung von 1997 „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden …“ hatte als Absichtserklärung ohnehin nur Symbolcharakter.“

    .. aber konkretisiert auch den gleichheitsgrundsatz. der ist eben verletzt, wenn das kind, das länger als andere zum lernen braucht, die öffentlichen angebote nicht mal so lang nutzen darf wie die anderen. damit dem gleichheitsgrundsatz rechnung getragen würde, müßte hier also dieser ungleichheit bezüglich der persönlichen lernvoraussetzungen so rechnung getragen werden, dass die entsprechenden schulanmeldungen erlaubt werden. Art 140 B-VG erlaubt direkte Beschwerde an Vfgh, bei Vermögenslosigkeit vermutlich Verfahrenshilfe (mit Formular beantragen inkl. Anwalt dafür, denn das Kind kann das nicht selbst schreiben).. müßte man alles anwaltlich prüfen; muster ins netz stellen, beschwerden würden ziemlich gleich lauten /also nicht extrem viel arbeit..

  • @anonym (Optimist): Durch die erwähnte Ergänzung der Verfassungsbestimmung im Artikel 7 Abs. 1 B-VG (1997) wurde zwar ein wichtiges Signal gesetzt. Die lückenlose Umsetzung dieser Staatszielbestimmung in allen Bundes- und Landesgesetzen, sowie die Realisierung in der Verwaltungspraxis wird noch lange dauern, weil es immer wieder Verhinderer an den Schaltstellen der Macht gibt und obendrein die „Apparate“ in der täglichen Realität gerne hinterher hinken.
    Das ist z.B. auch daran erkennbar, dass das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz (2006), zwar ein weiterer wichtiger Meilenstein der Gleichstellungsbemühungen ist, den Bildungsbereich aber ausklammert! Dass der Weg zum VfGH bezüglich Benachteiligungsverbot aufgrund Behinderung erst einmal (bzgl. einer Sozialleistung, mit Erfolg) beschritten wurde, kann ich mir nur damit erklären, dass die Kraft von Betroffenen meist dazu nicht mehr reicht bzw. durch permanente Benachteiligung das Vertrauen in staatliche Institutionen sehr erschüttert ist, was ich aus eigenem Erleben nachvollziehen kann. Es ist auch nicht erstrebenswert, dass einzelne betroffenen Familien sich im Kampf um so grundsätzliche Menschenrechte zusätzliche Belastungen auferlegen, die Solidarität einer Wertegemeinschaft ist hier gefordert.

  • @gerhard lichtenauer: Sie haben schon Recht, wenn Sie die ökonomischen Überlegungen/Hindernisse anführen. Doch frage ich mich, ob hier wirklich schon genug dazu getan wurde, einmal die reine Berechtigung auf Gleichstellung in Bezug auf Weiterführende Schulen einzufordern, und dies getrennt gedacht von ihrer Finanzierung.

    Der Rechtsstaat in Ö ist ein positivistischer, so sehe ich das jedenfalls: nur wenn jemand von einer (verfassungs-) gesetzlichen Bestimmung für etwas zuständig gemacht wurde, wird er/sie ein Ohrwaschel dafür rühren müssen, gesetzliche Rechte zu wahren. Ist die beamtete Person dann noch weisungsgebunden, – was sie in der Verwaltung wohl in der Regel ist, dann könnten auch hier verschiedene politische Interessen (zB auf Einsparung) hineinspielen: also könnte es sein, dass Sie, selbst wenn Sie Recht haben, im Verwaltungswege nicht Recht bekommen. Schon gar nicht, wenn es keine ausdrückliche Gesetzesbestimmung gibt, die dieses oder jenes, das Sie zu Recht einzufordern meinen, anführt.

    Bleibt dann noch die Gerichtsbarkeit (Gerichtshöfe öffentlichen Rechts wie VfGH, zB). Der VfGH sagt dann manchmal der Gesetzgebung und diese der Verwaltung, was sie zu tun haben. Aber nicht ohne Beschwerdeführung bzw. vorherige Anrufung. („Leider sind echter Gleichstellung immer wieder ökonomische Überlegungen im Weg“.)

  • Freier Zugang zur Aus- und Weiterbildung sind Säulen des Lebens und sollten selbstverständlich sein und für jedermann gültig sein. Es wäre nicht unsere unsere derzeitige Bundesregierung, wenn man nicht „SCHÖNREDEN“ aber NICHTS TUN“ würde. Frau Ministerin Gehrer zeigen Sie Mut, Tun Sie einen Schritt zur Chancengleichheit.

  • Bedanke mich für diesen Artikel und auch den Einträgen ins BIZEPS-Forum, der die Scheinheiligkeit des Rechtsstaates und handelnden Personen offenbart – Trotzdem: Weiterkämpfen – es gibt mehr Verbündete als man glaubt …

  • @anonym: Eine gute Meinung vom Rechtsstaat hatte ich auch mal. Welche beharrlich um ihr Recht kämpfen, erreichen manchmal auch etwas. Ob aber ein erstrittener Ausbildungsplatz angenehm ist oder immer eine subtile Ablehnung zu befürchten ist, sei dahingestellt. Kenne ein Beispiel bei Grundschule, wo also das Recht auf Integration bereits seit Jahren bestand: Die Einschulung eines Rollstuhlbenützers in die Volksschule wurde mit dem Verweis auf die vorhanden Stufen (Neubau!) bei der örtlichen Schule abgelehnt. Hintergrund ist das massive „werben“ der Sonderschule um seine langfristige Existenzberechtigung. Der Leiter selbiger Sonderschule versuchte den (nun erst kürzlich gefallenen) diskriminierenden Begriff der Schulunfähigkeit zu missbrauchen, um uns als Eltern eines schwer mehrfachbehinderten Kindes eins auszuwischen (Rauswurf aus der Schule). In unserem Kampf um Vereitelung dieses Amtsmissbrauches erlebten wir, wie die Behörden bis in höchste Stellen mauerten und intrigierten. Schlussendlich kam nichts heraus, weil versuchter Amtsmissbrauch, dessen Umsetzung letztlich verhindert werden konnte, kein Vergehen darstellt.
    Ich denke, in Fällen von Verweigerung einer Ausbildung in öffentlichen, höheren Schule aufgrund einer Behinderung, müsste sogar behördlicherseits Anzeige erstattet werden, da der Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Strafgesetzbuch vorliegt und Anzeigepflicht für Behörden gemäß § 84 StPO (1) besteht. Tatsächlich sind aber die Eltern meist auf sich alleine gestellt. Unter anderem versuchen nun Elternvereine (siehe Artikel) die Rechte auf Gleichstellung und Integration durchzusetzen und da es noch immer viele Verhinderer gibt, ist das eine zähe Angelegenheit. Man freut sich aber trotzdem über kleine Etappenziele.
    Leider sind echter Gleichstellung immer wieder ökonomische Überlegungen im Weg. „Durch ihre Unglaubhaftigkeit entzieht sich die Wahrheit dem Erkanntwerden“ Heraklit von Ephesos um 500 v. Chr.

  • Na ja, verfassungswidrig ist es jedenfalls, wenn behinderte Jugendliche nur so kurz zur Schule gehen dürfen und ihnen die weiterführenden Schulen verschlossen bleiben.

    Denn: — Artikel 7. (1) B-VG lautet: „Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten.“

    Bzw. könnte man denn da nicht auch gleich zum Vfgh gehen? (Art. 140 B-VG)

  • @anonym: Gut gemeint, funktioniert aber nicht! Gerade In Bezug auf Bildung und auf Durchsetzbarkeit von Gleichstellungsrechten hat das Behindertengleichstellungsgesetz (2006) noch große Schwächen. Die Verfassungsbestimmung von 1997 „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden …“ hatte als Absichtserklärung ohnehin nur Symbolcharakter.
    Eltern von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung haben auch meist nicht die Möglichkeiten und Kraft solche jahrelangen Instanzenwege durchzukämpfen. Die Bewältigung der alltäglichen Belastungen lässt das meist auch gar nicht zu, außerdem käme eine Lösung für die Betroffenen oft zu spät. Genau auf diese Ohnmacht der Schwächeren baut die Kultur der Unterdrückung! Aber wie der Artikel schon sagt, der politische Wille lässt sich leider Zeit … wie lange noch?

  • gibts da nicht eine verfassungsgesetzliche gleichstellungsgarantie? würde einmal die kids in den gewünschten schulen anmelden (anzumelden versuchen), im ablehnungsfall anmeldung schriftlich per einschreiben einbringen. gegen die abweislichen entscheidungen (bescheid verlangen) dann rechtsmittel ergreifen.

  • Eine jahrzehntelange, harte Geduldsprobe! Unglaublich, wie hartnäckig solche wesentlichen Grundrechte missachtet werden. Und das gerade an den Mitmenschen, die am Meisten der Fürsorge einer Solidargemeinschaft bedürften. Wann wird endlich mutig angepackt, die vielen Verletzungen von Gleichbehandlungsrechten, die in Österreich nach wie vor auf Gesetzesebene und mit System stattfinden, auszuräumen. In vielen anderen Bereichen ist die Politik ja auch nicht so schwerfällig.

  • Es ist eine Schande für Österreich, daß Eltern von behinderten Kindern/Jugendlichen, die ohnehin schon eine erschwerte Lebenssituation meistern, um das Grundrecht wie Bildung ständig kämpfen müssen und immer wieder vertröstet werden. renate seper, vorsitzende integration wien