Ordinationen in Wien auf Barrierefreiheit vermessen

Gemeinsame Bemühungen von Ärztekammer und BIZEPS um behindertengerechten Zugang zu Arztordinationen - Messdaten von mehr als 300 Ordinationen bereits online

Dorner und Srb-Rössler bei Pressekonferenz 060420
Ladstätter, Markus

Barrierefrei in die Arztpraxis: Seit kurzem kann man im interaktiven Praxisplan der Ärztekammer für Wien (www.praxisplan.at) Ordinationen auf ihre Messdaten hin abfragen. Behinderte Patienten können so nach Arztpraxen suchen, die ihren jeweiligen Bedürfnissen entgegenkommen. Entstanden ist das Projekt im Zuge der Zusammenarbeit der Wiener Ärztekammer mit der Behindertenberatungsstelle BIZEPS.

Bei den Vermessungen haben die Mitarbeiter von BIZEPS ihren Arbeitsschwerpunkt auf Ordinationen von Allgemeinmedizinern gelegt. Diese Arztgruppe hat mit 1740 Vertretern auch die meisten Niederlassungen in Wien.

Die Zahlen im Einzelnen: Zurzeit können behinderte Patienten auf die Daten von 304 vermessenen Ordinationen zugreifen, davon 125 Allgemeinordinationen. Die meisten bisher vermessenen Allgemeinordinationen befinden sich im 2., 14., 16. und 20. Bezirk. Nachholbedarf gibt es noch im 4. und 7. Bezirk, wo derzeit jeweils nur eine Allgemeinpraxis vermessen werden konnte.

Hinsichtlich der Fachärzte stechen vor allem die Bereiche Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten mit 16 Vermessungen, Radiologie mit 19, Orthopädie mit 20 sowie Haut- und Geschlechtskrankheiten mit 21 Vermessungen hervor. In den Fächern Plastische Chirurgie, Arbeits- und Betriebsmedizin, Neuropathologie und theoretische/spezielle Fachgebiete konnten (noch) kaum Messdaten erhoben werden.

„Sind die Türen breit genug?“

Die Zusammenarbeit zwischen Ärztekammer und BIZEPS entwickelte sich bereits während den Vermessungen. Das Ergebnis dieser Kooperation bestand darin, dass die von BIZEPS gesammelten Messdaten über die Zugänglichkeit der Ordinationen in den Praxisplan der Wiener Ärztekammer aufgenommen wurden: Mittels Anklicken des Buttons „Messdaten über Zugänglichkeit der Ordination“ wird ersichtlich, ob zum Beispiel ein Blindenführhund in die Praxis mitgebracht werden kann, die Türen breit genug für Rollstuhlfahrer sind oder ein Behindertenparkplatz vorhanden ist.

Für die Ärztekammer ist es damit aber noch nicht getan: „Wir wollen uns auch weiterhin bemühen, in dieser Hinsicht fortschrittlich zu sein“, betont Wiens Ärztekammerpräsident Walter Dorner. Immerhin gelte es, der gesamten Wiener Bevölkerung, „und nicht nur Einzelnen“, die freie Arztwahl zu garantieren. Behinderte Menschen hätten jetzt die Möglichkeit, über den Praxisplan der Ärztekammer auf Daten der Ordinationen zugreifen zu können.

Auch BIZEPS-Projektleiterin Annemarie Srb-Rössler zeigt sich erfreut über die Ergebnisse der Zusammenarbeit mit der Ärztekammer: „Früher waren behinderte Menschen im Gesundheitsbereich kaum eingeplant. Die Wiener Ärztekammer hat das Anliegen erkannt und gemeinsam mit uns an einer Verbesserung der Situation gearbeitet.“

Die Bemühungen gehen weiter

Die Zusammenarbeit von Ärztekammer und BIZEPS trägt also erste Früchte. Seit kurzem wird den Wiener Ärztinnen und Ärzten bei neuen Niederlassungen zudem empfohlen, in ebenerdige Ordinationen zu ziehen, da diese leichter zugänglich seien. „Außerdem wollen wir“, so Ärztekammerpräsident Dorner, „dass Ordinations-Neueröffnungen sich rund um Geschäftsstraßen ansiedeln, weil dort die Infrastruktur passt und die Ordinationen einfacher zu erreichen sind.“

Weiters möchte die Ärztekammer Standards für eine behindertengerechte Ordination festlegen. Dorner: „Wir werden versuchen, gemeinsam mit Behindertenvertretern generell adäquate Standards für Ordinationen zu schaffen, die auch auf die spezielle bauliche und räumliche Situation in Wien eingehen.“ Die Hauptprobleme in der Bundeshauptstadt, nämlich die veraltete Bausubstanz, beschränkte Um- und Zubaubewilligungen sowie der Denkmalschutz, könnten nur „Schritt für Schritt“ bewältigt werden. Jedenfalls würden Ärztinnen und Ärzte regelmäßig von der Ärztekammer über Fördermöglichkeiten bei behindertengerechtem Umbau informiert werden.

Mit einer Sache ist Dorner schon jetzt sehr zufrieden: Der aktuelle Gesamtvertrag mit der Wiener Gebietskrankenkasse zu Einzelordinationen enthält eine Klausel, wonach die Ärztekammer bis Ende 2008 12 Prozent der Ordinationen in Wien barrierefrei zu gestaltet hat. Dorner: „Diese Prozentzahl werden wir bis dahin hoffentlich toppen können, denn schon jetzt haben wir in Wien 178 vermessene und als stufenlos zu bezeichnende Ordinationen.“

Zwar müsse man berücksichtigen, dass nur ein Teil dieser bislang 178 stufenlos erreichbaren Ordinationen komplett barrierefrei sei, „aber wir wissen, dass gerade jenen Ärztinnen und Ärzte, die einer Vermessung durch BIZEPS zugestimmt haben, sich sehr bemühen werden, eventuelle Mängel am Weg zur kompletten Barrierefreiheit rasch zu beseitigen“, so Dorner.

Umdenkprozess bei den Ärzten

Ähnlich sieht das auch Srb-Rössler, die unter den Ärzten „einen großen Umdenkprozess“ ausgemacht hat. Immer mehr Ärztinnen und Ärzte seien zu einer Vermessung ihrer Ordination bereit. Diese Aufbruchsstimmung müsse genutzt werden.

Srb-Rössler will daher die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Standesvertretung verstärkt fortsetzen: „Unsere Mitarbeiter haben bereits eine Reihe neuer Vermessungstermine mit weiteren Arztpraxen vereinbart.“ Man werde daher schon sehr bald die 500. vermessene Arztpraxis in Wien präsentieren können, zeigt sich Srb-Rössler optimistisch zum Fortgang des Projekts.

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