Lebenshilfe Tirol

Lebenshilfe Tirol: „Monopol an und für sich keine schlechte Sache“

Die Lebenshilfe Tirol hat einen weiten Weg hinter sich. Die Gründung der Lebenshilfe Tirol geht auf das Jahr 1963 zurück. Kurz zusammengefasst: Von der Elterninitiative zum Konzern.

„Mittlerweile ist sie der größte sozialer Dienstleistungsträger in Tirol und versteht sich einerseits als Interessenvertreterin für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung und bietet andererseits ein vielfältiges Dienstleistungsangebot an“, kann man auf der Homepage der Lebenshilfe Tirol lesen.

Und genau dieser Spagat ist es, der der Lebenshilfe Tirol – aber auch Lebenshilfe Organisationen in anderen Bundesländern – zusetzt. Einerseits versucht man das Image der Interessensvertretung zu waren, andererseits versteht man sich als großer Dienstleistungsanbieter und kämpft um Marktanteile.

Wirschaftlich erfolgreich

Der Dienstleister Lebenshilfe Tirol ist höchst erfolgreich. „Die Lebenshilfe Tirol beschäftigt derzeit insgesamt 902 MitarbeiterInnen (528 weibliche, 374 männliche, 239 vollzeit- und 663 teilzeit), davon 20 PraktikantInnen und Berufsfindungs- praktikantInnen“, wird bekanntgegeben.

Im Jahr 2005 wurde ein Partnerschaftsvertrag – andere nennen es Sondervertrag – mit dem Land Tirol abgeschlossen, welcher eine dauerhafte und flächendeckende Absicherung des Dienstleistungsangebotes für Menschen mit Behinderung in Tirol gewährleisten soll. Schon damals gab es Bedenken, manche vermuten dahinter „einen politischen Deal“.

Durch diese quasi Monopolstellung wird nicht nur die Wahlfreiheit der Betroffenen in Frage gestellt, sondern das Land macht sich auch von einem einzigen Träger abhängig.

„Mit der Aufnahme der EULE-Geschäftsanteile durch die Lebenshilfe Tirol“

Doch der Aufstieg von der Elterninitiative zum Konzern geht munter weiter. Im Juni 2006 wurde von der Lebenshilfe die „EULE gemeinnützige GesmbH – Therapie- und Förderzentrum“ übernommen. Die EULE war Anbieter „von Therapie- und Förderleistungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Wahrnehmungsbeeinträchtigungen, Entwicklungsverzögerungen, Schulschwierigkeiten (Lese-/Rechtschreibschwäche, Rechenschwäche), Sprach- und Sprechstörungen und Verhaltensauffälligkeiten“ ist einer diesbezüglichen Aussendung zu entnehmen. Sie beschäftigte knapp 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Konkret ist zu lesen: „Mit der Aufnahme der EULE-Geschäftsanteile durch die Lebenshilfe Tirol eröffnet sich die Möglichkeit, das Dienstleistungsangebot der EULE weiter auszubauen und Tirol weit zu verstärken.“ „Das Angebot der EULE ist die perfekte Ergänzung für das Leistungsspektrum der Lebenshilfe,“ ist der Geschäftsführer der Lebenshilfe Tirol, Dir. Helmut Rochelt, überzeugt. – Eine Presseaussendung einer Unternehmensübernahme sieht auch nicht anders aus.

Aus verschiedenen Quellen konnten wir erfahren, dass die Einverleibung der EULE eine „feindliche Übernahme“ war. (So wird das im Wirtschaftsleben genannt, wenn ein Unternehmen gegen dessen Willen aufgekauft wird.)

„Wird die Lebenshilfe Tirol zu einem Monopolisten?“

Die Position der Lebenshilfe Tirol als Konzern bleibt nicht unbeachtet. Der ORF-Tirol fragt schon: „Wird die Lebenshilfe Tirol zu einem Monopolisten?“

Kritische Stimmen warnen vor dem Verlust der Wahlmöglichkeit. Reinhard Hug vom Tafie Innsbruck-Land: „Wir sind der Meinung, dass es Wahlmöglichkeiten geben muss. Es muss ein Bandbreite für Menschen mit Behinderung geben, damit sie auswählen können: ich will diese Maßnahme bei dem Verein und eine andere Maßnahme bei einem anderen Verein.“

Ziemlich abgehoben darauf die Reaktion von Geschäftsführer Helmut Rochelt: „Ich glaube, dass das Monopol an und für sich keine schlechte Sache ist. Schlimm wird es immer dann, wenn Monopolmissbrauch stattfindet. Dafür, dass das nicht geschieht, sorgen genügend andere.“

Der ORF fasst zusammen: „Was für die Verantwortlichen (der Lebenshilfe Tirol) eine unternehmerische Chance ist, bedeutet für viele Betroffene eine Monopolstellung.“

Als Interessensvertretung am Rückzug

So erfolgreich die Lebenshilfe wirtschaftlich ist, umso deutlicher wird, dass ihr eine umfassende Interessensvertretung immer weniger zugetraut wird. Dies liegt einerseits an der Organisationsstruktur der Lebenshilfe – ein Elternverein ist einfach glaubwürdiger als ein Konzern, der als GmbH organisiert ist. Andererseits wurde im letzten Jahrzehnt die Selbstvertretung der Menschen mit Lernschwierigkeiten (Stichwort: People First Gruppen) immer erfolgreicher.

War die Lebenshilfe vor 20 Jahren noch in einigen Bereichen der Motor der gesellschaftlichen Entwicklung der Behindertenpolitik, ist sie nun in vielen Bereich nur mehr eine inhaltlich getriebene Organisation, die bei Interessensvertretung meist in „Kostensätzen“ denkt und nicht an umfassende Vertretung der Interessen der Betroffenen.

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