Justitia

Recht und Gerechtigkeit

Ein Urteil des Obersten Gerichtshofes hat in den letzten Wochen ein wenig (zu wenig) Wellen geschlagen.

Ein Arzt hatte eine werdende Mutter zwar gewarnt, aber (angeblich) zu wenig deutlich gesagt, dass sie möglicherweise ein behindertes Kind bekommen könnte. Diese Mutter ließ sich zu spät genauer untersuchen, sie konnte nicht mehr abtreiben (dazu später einige Bemerkungen) und brachte ein Kind mit Down-Syndrom, im alten Sprachgebrauch ein geistig behindertes Kind zur Welt. Der Oberste Gerichtshof verurteilte den Arzt dazu, der Frau lebenslang Schadenersatz (!) zu leisten.

Nun mag der Spruch formal irgendwelchen Rechtsgrundsätzen entsprechen, aber sofort erinnerte ich mich an den Ausspruch: „Was Recht ist, muss nicht gerecht sein!“ Ich sage aber deutlich, es ist nicht nur nicht gerecht, es ist ein Skandal von ungeheuerlichen Dimensionen. Ich frage mich, welche Menschen sind diese Richter in diesem Gerichtshof, können sie sich nach diesem Urteil morgens noch in den Spiegel schauen?

Sie haben damit festgestellt: Behinderte Kinder sind ein Schaden, sind „lebensunwert“, gehören jedenfalls abgetrieben – ärger war es zwischen 1938 und 1945 auch nicht!

Sie haben damit auch die Fristenlösung, die eine Abtreibung zwar weiter als Unrecht ansieht, aber im allgemeinen bis zum dritten Monat straffrei stellt, zu einem einzufordernden Recht gemacht! So wird der Rechtsstaat zum Richterstaat – verfassungsrechtlich äußerst bedenklich!

Damit bin ich beim § 97 Abs.1, Z.2 Strafgesetzbuch, dass es keine zeitliche Beschränkung für eine Abtreibung gibt, wenn „eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde“ – der sogenannten „eugenischen Indikation“.

D. h. im Klartext nichts anderes, als dass ein möglicherweise behindertes Kind bis 1 Sekunde vor der Geburt abgetrieben werden kann – daher hätte obige Frau ja auch spät, sehr spät noch abtreiben können. Diese Bestimmung wird seit Jahren von allen Behindertenverbänden und natürlich auch von der Kirche mit Nachdruck bekämpft, von der SPÖ und den Grünen aber meist stark verteidigt.

Auch ich habe seinerzeit 1999/2000 als Vorsitzender der „Arbeitsgruppe zur Bereinigung behindertendiskriminierender Bestimmungen“ im Wiener Landtag und Gemeinderat für einen Antrag auf Aufhebung gekämpft (aufgehoben kann natürlich nur durch Nationalratsbeschluss werden – mit einfacher Mehrheit), die SPÖ hat sich aber nicht zu einer Zustimmung durchringen können.

Allerdings ist es auch nicht gelungen, die ÖVP und ihren Koalitionspartner in der Zeit 2000 bis 2006 zur einer mehrheitlichen Beschlussfassung in dieser Frage zu veranlassen. Hier zeigt sich in verhängnisvoller Weise die normative Kraft des Faktischen! Aber gerade Christen, die ihre christliche Verpflichtung zur Gestaltung der Welt ernst nehmen und in der Politik tätig sind, sollten hier nicht aufgeben!

Meiner Ansicht nach widerspricht der Urteilsspruch aber auch dem Bundesbehindertengleichstellungsgesetz – ich wäre sehr froh, wenn hier seitens einer Behindertenorganisation ein Verfahren in die Wege geleitet werden würde!

Die Problematik für die Ärzte will ich hier gar nicht ansprechen, obwohl ich hier auf ihrer Seite bin – sie haben genügend starke Lobbies, um sich hier zu wehren!

Damit im Zusammenhang ist aber auch die Frage der Stammzellenforschung zu sehen, von der viele Leute „Heilsversprechungen“ (Univ.Prof. Huber, Leiter der Bioethikkommission der Bundesregierung) mitnehmen, die keineswegs gerechtfertigt sind.

Diese Forschung ist „teilweise noch auf dem Stand der Alchemie“ (Huber). Daher war die Haltung der ÖVP-Ministerin Gehrer zum Forschungsprogramm der EU gut und richtig – nämlich die verbrauchende Embryonenforschung abzulehnen. Dabei bin ich selbst von der Wichtigkeit dieser Forschung überzeugt, lehne aber die Tötung von Embryos zu Forschungszwecken ab. Hier wird man sicher mit adulten Stammzellen, mit Nabelblut-Stammzellen und anderem auch zum wichtigen Fortschritt kommen.

Tun wir alles, was notwendig ist, Krebs, MS, Muskelschwund, Alzheimer und vieles andere heilen zu können, aber vergessen wir dabei nicht unsere ethischen Grundsätze: Man kann nicht den Himmel erreichen, indem man sich mit dem Teufel verbündet!

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