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Gleichstellung kein Thema bei Regierungsverhandlungen?

Über Abfangjäger, Studiengebühren, Zivildienstreform, Gesundheitsreform, die Pflege, die Grundsicherung und die künftigen Budgetziele wurde sondiert, doch um die Behindertengleichstellung ist es bislang beängstigend ruhig.

Erstaunlicherweise wurde der Themenbereich Behindertengleichstellung bei den letzten Regierungsverhandlungen im Herbst 2002 plötzlich intensiv von den Verhandlungspartnern diskutiert und letztlich sogar als eigenes Kapitel in das Regierungsprogramm vom Februar 2003 aufgenommen.

Die Folge daraus war nicht zuletzt die Verabschiedung des Behindertengleichstellungspakets und eines Bündelgesetzes zur Bereinigung des Bundesrechts von behindertendiskriminierenden Bestimmungen vor allem im Dienstrecht.

Die österreichische Behinderten- und Gleichstellungsbewegung durfte zu Recht stolz darauf sein, dass ein großes Ziel, die Behindertengleichstellung tatsächlich zum politischen und ernstzunehmenden Thema gemacht zu haben, erreicht schien.

Doch wie sieht das in den aktuellen Regierungsverhandlungen aus? Bislang wurde alles Mögliche von den Verhandlungspartnern diskutiert, sondiert und verhandelt, aber die Weiterentwicklung der Behindertengleichstellung in Österreich blieb bisher ausgespart. Und dies obwohl die Wahlkampfversprechungen im BIZEPS-INFO-Interview von Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ) und von Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP) von Maßnahmen für mehr Chancengleichheit und Gleichberechtigung, für mehr Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt über inklusive Bildung bis hin zur Weiterentwicklung der Behindertengleichstellung, Beseitigung von Schwachstellen des Behindertengleichstellungsgesetzes, Erarbeitung von Bündelgesetzen zur Beseitigung von Diskriminierungen in den Materiengesetzen und bis hin zur Schaffung einheitlicher Standards des barrierefreien Bauens mit den Ländern reichten.

Von all dem ist bislang in den Regierungsverhandlungen nichts mehr zu hören gewesen. Skeptiker in der Behinderten- und Gleichstellungsbewegung orten bereits alarmierende Signale aus dieser Tatsache.

Behindertengleichstellung muss ein eigenes Kapitel im neuen Regierungsprogramm werden!

Nun, vielleicht ist die Behindertengleichstellung ja als Sondierungs- und Verhandlungsthema nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben und wird in einer der nächsten Verhandlungsrunden thematisiert.

Für die österreichische Behinderten- und Gleichstellungsbewegung ist es eine unabdingbare Forderung, dass die politischen Parteien der Behindertengleichstellung jenen Stellenwert, den sie als Menschenrechtsmaterie hat, auch durch ein eigenes Kapitel im neu zu paktierenden Regierungsprogramm einräumen und darin die zentralen Ziele ausdrücklich festhalten, die z. B. wären:

  • Die Behindertengleichstellung, die eine Querschnittsmaterie darstellt, soll ihrem Stellenwert als Menschen- und Bürgerrecht entsprechend zur Chefsache erklärt werden und als Angelegenheit des Bundeskanzleramts im neuen Bundesministeriengesetz definiert werden.
  • Beim Bundeskanzleramt soll auch eine eigene Arbeitsgruppe unter Einbeziehung der ExpertInnen der österreichischen Behinderten- und Gleichstellungsbewegung zur Erarbeitung von Bündelgesetzen zur Schaffung neuer Gleichstellungsrechte und zur Bereinigung des Bundesrechts von behindertendiskriminierenden Bestimmungen eingerichtet werden.
  • Die Bundesregierung soll auch eine Regierungsvorlage für das bereits für Herbst 2006 angekündigte Bündelgesetz zur Umsetzung der verfassungsrechtlich als eigenständige Sprache anerkannten Österreichischen Gebärdensprache vorlegen und in die parlamentarische Behandlung bringen.
  • Es sollen die Rahmenbedingungen für ein System der inklusiven Bildung geschaffen werden.
  • Die Bundesregierung verpflichtet sich dazu, die Verhandlungen mit den Ländern über den Abschluss einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zur Schaffung eines österreichweit einheitlichen und hohen Standards der Behindertengleichstellung einzuleiten und zu forcieren
  • Die Bundesregierung trägt ferner Sorge dafür, dass das Behindertengleichstellungspaket im Sinne der vom Aktionsbündnis Österreich für Behindertenrechte am 13. April 2005 vorgelegten Abänderungsantragsvorschläge mit mehr Schlagkraft ausgestattet wird und arbeitet entsprechende Regierungsvorlagen aus, die in die parlamentarische Behandlung zu bringen sind.
  • Die Bundesregierung wird sich massiv für die Umsetzung der nach dem Behindertengleichstellungsgesetz geforderten Etappenpläne Bundesgebäude und öffentlicher Verkehr einsetzen.

Nun, diese zentralen Forderungen der österreichischen Behinderten- und Gleichstellungsbewegung seien den politischen Verhandlungsteams mit auf den von Barrieren gespickten Verhandlungsweg gegeben, damit in der kommenden Legislaturperiode dem erklärten Willen der WählerInnen mit Behinderungen bestmöglich entsprochen wird. Vielleicht kann die Republik am Ende der Legislaturperiode nicht bloß eine militärische Leistungsschau am 26. Oktober, dem österreichischen Nationalfeiertag, sondern auch eine behindertenpolitische Leistungsschau mit stolz geschwälltem Brüstel zum Besten geben.

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