Ultraschall

Keine schnellen (Vor-)Urteile

"Kein Schadenersatz für den Unterhalt eines gesunden Kindes bei misslungener Sterilisation" (OGH 14.9.2006, 6 Ob 101 / 06f). Diskussion um die letzten OGH-Entscheide.

Das Bekanntwerden dieser Entscheidung rief bei den Meisten, den letzten OGH-Entscheid in Erinnerung. Es dauerte nicht lange, da wurden in den Medien die Entscheidungen (kurz gefasst) auf folgenden Satz reduziert: „Ein behindertes Kind stellt einen Schaden dar, ein gesundes nicht!“

Wenn man genauer hinschaut, findet man aber folgende Passagen im eingangs erwähnten Entscheid des OGH: „In der hier vertretenen Auffassung liegt auch keine Diskriminierung von Behinderten. Die Einstufung einer Unterhaltspflicht als Schaden ist gerade nicht Ergebnis einer Differenzierung nach der Behinderung oder Nichtbehinderung im Sinne einer ‚Bewertung’ des Kindes, sondern vielmehr Ausdruck der Abwägung zweier fundamentaler Rechtsprinzipien, nämlich des positiven personalen Eigenwerts jedes Kindes einerseits und der Ausgleichs- und Präventionsfunktion des Schadenersatzrechts andererseits.“

Und im Volltext des Entscheids heißt es u.a.:

  • (5.11) „Eine Bilanzierung zwischen den finanziellen Belastungen durch das Kind und der Freude am Kind (also zwischen materiellem Schaden und ideellem Gewinn) sei nicht möglich.“
  • 5.14. Rebhahn (JBl 2000, 265) meint unter Bezugnahme auf die Entscheidung 1 Ob 91/99k, der Anspruch auf Ersatz des vollen Unterhalts bei behinderten Kindern könne wohl in der Tat nur bejaht werden, wenn man auch bei Geburt eines gesunden Kindes den Unterhaltsaufwand als ausgleichsfähig ansehe. Gegen eine Differenzierung zwischen gesunden und behinderten Kindern beim Regelunterhalt spreche vor allem, dass damit nur und gerade beim behinderten Kind die Existenz als finanziell ausgleichsbedürftig angesehen werde. Darin könnte dann der Ausdruck einer Geringerwertung des Lebens Behinderter gesehen werden. Der aus der Geburt eines gesunden Kindes in Anspruch genommene Arzt könnte allerdings nach § 1304 ABGB einwenden, dass die Eltern das Kind zur Adoption freigeben müssten, falls die Adoption rechtlich zulässig und faktisch wahrscheinlich sei. Der Ersatzanspruch entfalle außerdem, wenn der ersatzberechtigte Elternteil später ein weiteres Kind bekomme. In jüngerer Zeit meinte der Autor allerdings (ZEuP 2004, 794), der Ersatzanspruch wegen unerwünschter Geburt werfe so wesentliche und kontroversielle Fragen auf, dass darüber nicht ein Gericht durch Rechtsfortbildung entscheiden sollte, sondern allein der demokratisch legitimierte Gesetzgeber; es sei nicht Aufgabe des Gerichts, hier den Wandel von Schicksal zu ersatzfähigem Schaden vorzunehmen.

Gerichte haben sicher nicht leichtfertig entschieden

Die Gerichte sind sicher nicht leichtfertig oder ohne intensive Erwägung aller Aspekte zu ihren Entscheidungen gelangt. Keiner der beiden OGH Entscheide definiert nach meinem Verständnis explizit die Existenz eines Kindes als „Schaden“.

Dass der Begriff „Schaden(ersatz)“ in der medial reduzierten Kurzform aufs Kind „übertragen“ wird, dass der Entscheid als solcher so interpretiert wird, halte ich für kontraproduktiv und meine, dass das sicher nicht die Intention des entscheidenden Gerichts war.

Die genannten Entscheide beziehen sich auf Menschen in der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit (in diesen Fällen Ärzte) als Verursacher oder „Unterlasser“. Auch, dass Ärzte nun angeblich zu „Sündenböcken degradiert“ werden (APA, 11.10.06), kann ich nicht nachvollziehen. Es muss eine Möglichkeit geben, einen Arzt, der tatsächlich einen Fehler macht, belangen zu können.

Entscheidungen, die an Ethik und / oder Moral appellieren, sind in einer aufgeklärten, demokratischen Gesellschaft zwar durchaus in Gesetzen geregelt, eine Handlung (oder Unterlassung) selbst ist aber in letzter Konsequenz immer auf der Ebene des einzelnen Menschen angesiedelt.

„Angst werdender Eltern bitte nicht abwerten“

Worauf ich hinaus will: Die Angst werdender Eltern bitte nicht abwerten, vorschnell verurteilen oder sich gar als Pächter der alleinigen Wahrheit präsentieren! Meiner Meinung nach sollte den Eltern die Entscheidung für oder gegen die Geburt ihres Kindes überlassen bleiben. Allerdings beziehe ich mich hier ausdrücklich auf die dreimonatige Fristenregelung, unabhängig von einer möglichen Behinderung oder Erkrankung.

Wahllos alle (Zornes-)Gedanken zu den Themen „wertes /unwertes Leben, Abtreibung, etc.“ zu einem dicken „Empörungs-Einheitsbrei“ aufzukochen, verhindert Differenzierung und wahre Auseinandersetzung. Konzentration auf das, was jeder Mensch im Rahmen seiner Lebenserfahrung positiv in die Diskussion mit einbringen kann, wäre wünschenswert.

Eltern und Kinder erleben mitunter schmerzvolle Erfahrungen, an denen sie gemeinsam laufend wachsen, das ist der beste Fall, der eintreten kann. Es gibt aber auch Eltern, die an einer solchen Herausforderungen zerbrechen, scheitern oder resignieren. Vor allem kenne ich viele allein erziehende Frauen, deren (Ex)“Partner“ die Herausforderung „chronisch krankes / behindertes Kind“ verweigert haben oder an ihr gescheitert sind.

Kein breiter Konsens in Sicht

Einen breiten Konsens zu so einem wichtigen und heiklen Thema wird es nie geben. Es sollte jedoch in jedem Fall (vor allem medial) differenzierter damit umgegangen werden anstatt die Extrempositionen (Papst – Peter Singer) zu zitieren!

Was ich mir wünsche: Genau hinschauen, keine schnellen (Vor-)Urteile und Mut, zu seinen Ansichten zu stehen. Bereitschaft zum Gedankenaustausch ohne be- oder entwerten der „Anderen“.

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