Maria Berger

Berger: Gleichberechtigter Zugang zum Richterberuf

Der Berufswunsch einer blinden Innsbruckerin löste wieder einmal eine Diskussion um Gleichstellung im Arbeitsbereich aus. BIZEPS-INFO führte dazu ein ausführliches Interview mit Justizministerin Dr. Maria Berger.

Kann eine blinde Person Richter werden? Diese Frage löste (wieder) eine Diskussion in Österreichs Medien aus. Nachdem wir mit einem Richter des Landesgerichtes Innsbruck ein Interview geführt haben, in dem er ausführlich seine Bedenken äußerte, haben wir die langjährige SPÖ-Abgeordnete im Europäischen Parlament und nunmehrige Justizministerin befragt.

Sie vermied in den Antworten nicht, deutlich ihren Standpunkt mitzuteilen. Beispielsweise sei ihrer Meinung nach in der Justiz zu wenig über die Entwicklung im Gleichstellungsbereich diskutiert worden. Sie kündigt auch einen Gesetzesvorschlag zur Abschaffung der Notariatsaktspflicht für blinde Menschen an, der demnächst in Begutachtung gehen solle.

„Es ist also klargestellt“

BIZEPS-INFO: Wie stehen Sie persönlich als Bundesministerin zum Thema „blinde Richterinnen und Richter“?

Justizministerin Dr. Maria Berger (SPÖ): Ganz allgemein möchte ich jenen Personen, die trotz fehlender Sehkraft das Jus-Studium abschließen, meine ganz persönliche Hochachtung für diese gewiss nicht alltägliche Leistung ausdrücken.

Dies gilt umso mehr, wenn das Amt des Richters / der Richterin angestrebt wird, denn der Weg dorthin ist wirklich nicht leicht. Es war lange Zeit vorherrschende Meinung in der Justiz, dass blinde Menschen die körperliche Eignung für den Beruf nicht aufweisen.

Letztes Jahr wurde durch das Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz eine Änderung herbeigeführt. Die entscheidende Bestimmung stellt seither nur mehr auf die „uneingeschränkte persönliche und fachliche Eignung“ ab, nicht mehr auf die „uneingeschränkte körperliche Eignung“. Es ist also klargestellt, dass auch Menschen mit Sehbehinderung gleichberechtigt Zugang zum Richterberuf finden sollen.

Bedenken? – „Nein“

BIZEPS-INFO: Gibt es Ihrer Meinung nach grundsätzliche Bedenken oder Probleme?

Dr. Maria Berger: Nein. Das Richteramt zu bekleiden ist nicht einfach, die Anforderungen sind wie gesagt sehr hoch. Das gilt aber für alle Personen, die dieses Amt anstreben. In diesem Sinne gilt für mich der Grundsatz, dass die „körperliche Eignung“ nicht darüber entscheiden soll, ob jemand RichterIn werden kann oder nicht.

Über die Ernennung wird von den entsprechenden Gremien so oder so einzeln entschieden – hier sollte tatsächlich allein die fachliche und persönliche Eignung ausschlaggebend sein.

Ich denke, die immer wieder geäußerten Bedenken sollten offen diskutiert werden. Nehmen wir das Beispiel der „Augenscheinobjekte“, also etwa der Beweismittel wie eine Tatwaffe. Skeptiker sagen, blinde Menschen könnten diese Beweismittel im Prozess nicht richtig bewerten. Es stimmt, sie können sie nicht „sehen“, aber solche Dinge können ja auch beschrieben werden, und es kann eine Person bereitgestellt werden, die das übernimmt.

BIZEPS-INFO: Wie erklären Sie sich, dass ein Jahr nach Inkrafttreten des Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetzes, die Berufsfähigkeit von blinden Menschen für das Richteramt noch diskutiert wird?

Dr. Maria Berger: In Sachen Behindertengleichstellung dürften die in den letzten zehn Jahren geschaffenen Gesetze in der Justiz zu wenig diskutiert worden sein, also auch die Antidiskriminierungsrichtlinien der EU oder die Ergänzung des Gleichheitssatzes der Bundesverfassung um die Passage: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten“.

Abschaffung der Notariatsaktspflicht

BIZEPS-INFO: Es gibt auch noch andere Bereiche, wo blinden Menschen die Fähigkeit der Selbstorganisation abgesprochen wird. Im Regierungsübereinkommen wird festgehalten: „Fortsetzung der Beseitigung von diskriminierenden Bestimmungen in den Materiengesetzen (z.B. Notariatsaktgesetz)“. Gibt es diesbezüglich einen Zeitplan, wann das Notariatsaktgesetz geändert wird?

Dr. Maria Berger: Das Justizministerium hat hier zunächst auf breiter Basis den Dialog mit den Interessenvertretungen der sehbehinderten Menschen gesucht. Ergebnis ist nun ein Gesetzesvorschlag im Rahmen des Berufsrechtsänderungsgesetzes. Konkret ist die Abschaffung der Notariatsaktspflicht für blinde Menschen vorgesehen.

Diese soll nur mehr bei Bürgschaften aufrecht erhalten bleiben. Der Entwurf wird bis zum Sommer in die Begutachtung gehen, und ich bin zuversichtlich, dass die neue gesetzliche Grundlage mit Beginn kommenden Jahres in Kraft treten wird.

Weitere Maßnahmen?

BIZEPS-INFO: Welche (weiteren) Maßnahmen setzt das Justizministerium, um die Gleichstellung behinderter Menschen im eigenen Wirkungsbereich voranzutreiben?

Dr. Maria Berger: Ich denke, dass es nach der Beseitigung der gesetzlichen Diskriminierungen vor allem um Bewusstseinsbildung und Aufklärung geht. In Deutschland gibt es rund 60 blinde Richterinnen und Richter – warum sollte das in Österreich nicht möglich sein?

Es stehen immer bessere und leichter verfügbare technische Hilfsmittel zur Verfügung – warum sollten diese im Rahmen des Möglichen nicht bei Gericht eingesetzt werden? Grundsätzlich bin ich aber sehr optimistisch. Vielmals sind Diskussionen wie die derzeit laufende der Anstoß für Veränderungen, die durch Gesetzesänderungen allein nicht passieren.

BIZEPS-INFO: Vielen Dank für das Interview.

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