Der Kampf um das „normale“ Leben – Befürsorgung im Wandel?

Bürgerinitiative "Daheim statt Heim": Einkommens- und Vermögensbezug bei Zuschüssen zur Betreuung zuhause widersprechen dem Teilhabegedanken.

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Daheim-statt-Heim

Abgesehen, davon, dass die angebliche „Förderung“ einer angeblich bis zu „24-Stunden-Betreuung zu Hause“ bei weitem nicht das ist, was sie zu sein vorgibt und schon gar kein „Meilenstein“ oder „Durchbruch“ in der Pflegefrage, nimmt die Bürgerinitiative „Daheim statt Heim“ zum Aspekt des Einkommens- und Vermögensbezuges, insbesondere der Vermögensobergrenze von 5.000 Euro wie folgt Stellung:

Unsachlich

Wesentliche Unterschiede zwischen daheim und „Heim“ sind nicht berücksichtigt. Zum Unterschied einer „Unterbringung“ in einem so genannten „Heim“, bleiben beim Leben im wirklichen „Daheim“ viele Aspekte eines menschenwürdigen Lebens mit seinen Entfaltungsmöglichkeiten erhalten: Soziale Inklusion auf der Grundlage individueller Autonomie und freier Lebensgestaltung sowie das Zusammenleben in den natürlichen, lebenslang gewachsenen Beziehungen und Gemeinschaften im persönlichen Mikrokosmos des sozialen Umfeldes (Familie, Verwandtschaft, Freundeskreis, Nachbarschaft, Vereine, Gemeinde, Ortsgemeinde und Religionsgemeinschaft etc.).

Mit der Betonung dieser Unterschiede und des daraus nötigen Umsteuerungsbedarfs, welchen sich die Bürgerinitiative „Daheim statt Heim“ seit ihrem Start am 1. Juni zum Ziel gesetzt hat, geht es nicht um Schlechtreden oder gar „Dämonisierung“ von „Heimen“, wie Sozialminister Dr. Buchinger in der ORF- Sendung „Im Zentrum“ vergangenen Sonntag in einem Nebensatz die Kritik an „Heimen“ bezeichnete. Es geht darum, klarzustellen, was Sache ist, was „Heime“ können und was sie nicht können, was sie sind und was sie nicht sind.

Eine umfassende Inklusion und Beachtung von Menschenrechten für behinderte Menschen lassen sich mit dem Auslaufmodell „Heim“ nicht realisieren.

Mit dem Aufbau weiterer Mauern der Fremdbestimmung im Bereich der häuslichen assistenzgestützten Lebens- und Wohnformen wird kein Fortschritt erzielt.

Die seit einem halben Jahr vorliegende UN- Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sollte nicht nur auf dem Papier unterschrieben werden, sondern im Praxisbezug aller Gesetze und verwaltungstechnischen Regelungen umgesetzt werden.

Entsozialisierend

Die Grundlagen der österreichischen „Sozialhilfe“ sind nicht konzipiert für einen langfristigen Unterstützungsbedarf von Menschen mit Hilfebedarf. Obwohl die Sozialhilfegesetze in den Einleitungsparagraphen teilweise tollste Formulierungen beinhalten, in der Realität bleibt es beim Prinzip der „Notstandshilfe“ und Ökonomisierung auf niedrigstem Niveau.

Diese Ansätze sind nicht zeitgemäß für ein modernes Hilfesystem. Die Aspekte einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und eines Nachteilsausgleiches für die Betroffenen und Mit-Betroffenen sind in der Praxis nicht vorhanden.

Die Einführung von Obergrenzen bei den wirtschaftlichen Existenzgrundlagen drängen die Menschen in die Armut und völlige Abhängigkeit. Sie berauben den Menschen seiner Autonomie und Individualität, somit auch seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, wie es zu Zeiten seiner Nichtbetroffenheit meist über Jahrzehnte entwickelt und aufgebaut wurde und es seiner individuellen Normalität entspricht.

Gegen die Menschenwürde

Einkommen, Vermögen und Angespartes gehören unverzichtbar zu den Freiheitsrechten und der Würde eines Menschen. Es muss z.B. das Mobilitätsbedürfnis aufrecht erhalten bleiben (auch mal eine Autoreparatur bzw- Neuanschaffung möglich bleiben) und die Instandhaltung des Eigenheimes für sich und ggf. für die Angehörigen (z.B. Dachreparatur, Fenster- oder Heizkesseltausch etc.) möglich bleiben. Es wäre auch unsozial, die Möglichkeit von Urlaub und Reisen dem Betroffenen und seinen Angehörigen zu nehmen. Ersparte Reserven, dürfen nicht angetastet werden. Es gibt durch den Hilfebedarf bereits ohnehin viele Nachteile, dazu dürfen nicht noch weitere Einschränkungen dazukommen.

Ungerecht

Wenn die Angleichung der Förderungen zwischen stationären und privaten Betreuungsformen, wie sie mittlerweile von beiden Regierungsparteien als Ziel bekundet wird, annähernd ernst zu nehmen wäre, müssten auch umfassende Aspekte der „Hotelkosten“ beider Formen ausreichend Berücksichtigung finden. Zum Unterschied vom Leben im „Heim“ muss das Wohnbedürfnis und der Lebensunterhalt mit allen Kosten, Risiken und Verpflichtungen bestritten und aufrecht erhalten werden.

Für das „Heim-Modell“ gibt die Öffentlichkeit pro Betroffenem ein Vielfaches aus gegenüber dem menschlicheren und individuelleren „Daheim-Modell“, obwohl sich mehr als 80 % der Bevölkerung die letztere der beiden Unterstützungsformen wünschen. Dies zu ignorieren, missachtet den demokratischen Handlungsauftrag des österreichischen „Souveräns“, denn „wir sind das Volk“!

Für Betreuung- und Assistenz zuhause gibt es trotz Pflegepakets keine gerechte und angemessene Förderung, die Anliegen von behinderten und pflegebedürftigen Menschen werden ignoriert. Von einem bedarfsorientierten Beitrag, soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu „sichern“ sowie davon, die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben (zu Hause) zu führen, wie es der §1 des Pflegegeldgesetzes vorsieht, sind wir noch weit entfernt. Ein Betreuungs- bzw. Assistenzerfordernis im Ausmaß von vielen Stunden täglich bleibt zu Hause nur für ganz wenige Betroffene erschwinglich und wird durch das neue Pflegepaket nicht leistbarer sondern für alle (!) nur teurer.

Unnütz und realitätsfremd

Die Vertrauensseligkeit des Sozialministers in die Ehrlichkeit der Österreicher in Ehren, aber in solchen existenziellen Notlagen und der somit viel bewusster wahrgenommenen Absicherungsbedürfnisse, werden die meisten Menschen bei der Vermögenserklärung eher pragmatisch vorgehen und das eine oder andere Sparbuch oder Aktienpaket nach dem Prinzip der Nützlichkeit einfach im Stress „übersehen“. Draufzahlen würden wieder einmal nur jene, welche eine unbedingte Ehrlichkeit über den eigenen Vorteil stellen.

Die angebliche „Lösung des Pflegenotstandes“ (für die nächsten sechs Monate) oder die „Vernünftige Lösung im Sinne der Betroffenen“, die „garantiert, dass Menschen in ihrer vertrauten Umgebung alt werden können“, wird aber ohnehin kaum jemand in Anspruch nehmen, weil es aufgrund der Amnestie nicht zwingend nötig ist und für die Betroffenen trotz Zuschuss nur teurer würde. Offensichtlich werden hier Mechanismen des „Positven Denkens“ bemüht, welche sich in der Realität sehr schnell als Illusion herausstellen werden.

Inakzeptabel

Wenn seitens Bundesbehinderten-Beirats für den Sozialminister am 19. Juni 2007 „keine neue überzeugende Argumentation dargelegt wurde, die die bisherige Linie hätte erschüttern können“, liegt es daran, dass die Einführung dieses Aspekts überfallsartig erst am Schluss aller Debatten aus dem Hut gezaubert wurde und kein Diskussionsprozess stattfand.

Die Mitverantwortung für diese unsoziale und unsachliche Fehlentscheidung tragen der Ministerrat, Bundeskanzler und Vizekanzler, die laut Aussagen des Sozialministers zugestimmt haben. Weiß man jetzt schon – „Geld pflegt nicht“ – so wird man auch noch zur Erkenntnis gelangen müssen „schöne Worte pflegen auch nicht“!

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