Lebenshilfe Österreich: Eugenische Indikation ist unmenschlich

Menschenwürde und Chancengleichheit im Leben ist umfassend.

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Bei dem Pressegespräch zum Thema „Menschenwürde und Chancengleichheit auf dem Prüfstand“ stellten sich der Behindertensprecher des ÖVP-Parlamentsklubs, Dr. Franz-Joseph Huainigg, Dr. Klaus Voget, Präsident des Behindertenverbandes ÖAR, und Univ.Prof. Dr. Germain Weber von der Lebenshilfe Österreich einer brisanten und aktuellen Frage der Zeit: „Wie kann die Menschenwürde und Chancengleichheit für behinderte Menschen gesichert werden?“

Behinderung ist kein Ausdruck von Krankheit, sondern von Anderssein

Menschenwürde und Chancengleichheit im Leben ist umfassend. Sie beginnt bereits vor der Geburt und geht über den Tod hinaus. Die Eugenischen Indikation und die Betreuung von behinderten Menschen im Alter zeigen deutlich, dass Menschenwürde und Chancengleichheit für behinderte Menschen nicht selbstverständlich ist.

„Behinderung ist nicht Ausdruck von Krankheit, sondern von einem Anderssein. Es ist ein Spiegel der Vielfalt des menschlichen Lebens.“ stellt Uni.Prof. Dr. Germain Weber, Präsident der Lebenshilfe Österreich, fest.

Eugenische Indikation ist menschenunwürdig

Der Passus des „Abtreibungsparagraphen“ § 97 Abs. 1 Ziffer 2, 2. Fall des StGB regelt die sogenannte „eugenische Indikation“. Danach können selbständig lebensfähige Föten, bei denen die Gefahr einer schweren körperlichen oder geistigen Schädigung besteht, bis unmittelbar vor der Geburt getötet werden.

Über die Fristenlösung, wonach die Frau innerhalb der 3-Monats-Frist keine Begründung angeben muss, warum sie das Kind abtreiben will, besteht aus Sicht der Lebenshilfe Österreich kein Diskussionsbedarf. Die Möglichkeit der Abtreibung über die 3-Monats-Frist hinaus, wenn eine „ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde“, stellt jedoch eine schwere Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen dar.

„Es ist unter jeder Menschenwürde, dass behindertes Leben vom Gesetzgeber als unerwünscht und lebensunwert betrachtet wird. Aus diesem Grunde fordern wir von der Lebenshilfe die ersatzlose Streichung der Eugenischen Indikation“ stellt Weber klar. Darüber hinaus verstoßt die Eugenische Indikation gegen die Chancengleichheit, wie sie im Art.7 des Bundes-Verfassungsgesetz sowie im Gleichstellungspaket formuliert ist. Demnach darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Lösung nach deutschem Vorbild

Als mögliche Lösung bezieht sich Weber auf die Gesetzeslage in Deutschland. Dort wurde die Sonderbestimmung zur Abtreibung wegen Behinderung bereits 1995 fallengelassen. Sollte sich eine Behinderung des Ungeborenen herausstellen, hat die Frau die Möglichkeit, im Rahmen der medizinischen Indikation (Gefahr eines schweren Schadens für die seelische Gesundheit der Frau) das Kind abzutreiben.

Weber wörtlich „Die individuelle Entscheidung der betroffenen Frau steht im Vordergrund, und nicht ein vom Gesetzgeber unterbreiteter Vorschlag. Das ist ein großer Unterschied.“ Die gleichen Überlegungen müssen auch in Österreich getroffen werden.“

„Aus Gesprächen mit jungen Eltern von behinderten Kindern wissen wir, dass sie bereits mancherorts zur Rede gestellt werden, ob sie nicht gewusst hätten, dass man das Kind hätte abtreiben können. Gerade weil wir um die Notlage der Betroffenen wissen, fordern wir von der Lebenshilfe eine umfassende Beratung der Schwangeren und ihrer Partner, und zwar vor und nach der Geburt, z.B. durch qualifizierte Beratungsteams auf Geburtsstationen.“ umreißt Weber einen möglichen Lösungsweg.

„Die Beratung soll von unabhängigen Stellen durchgeführt werden und die Betroffenen zu einer Entscheidung führen, die sie im besten Wissen und Gewissen vor sich selbst verantworten können.“

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3 Kommentare

  • Ich finde diesen Artikel in erster Linie gut. Doch was ist mit dem Recht auf Leben bis zur 12SSW?Wird dem Baby dies abgesprochen weil es noch kleiner ist? Hat dieses Kind keine Chancengleichheit? Meines Erachtens gehört auch an der Fristenlösung gerüttelt. Doch vermutlich sprengt dieses Thema hier den Rahmen. Deshalb finde ich es gut, dass bei der eugenischen Indikation nach bessern Lösungen gesucht wird.

  • Natürlich wäre die Streichung der eugenischen Indikation (unter Beibehaltung der medizinischen) schon ein grosser Erfolg für alle ungeborene und geborenen Menschen mit Behinderung im Sinne der Anti-Diskriminierung. Gleichzeitig die Streichung der medizinischen Indikation zu fordern, ist unrealistisch. Hr. Lichtenauer hat aber m.E. recht, wenn er prophezeit, dass es dann hinkünftig vermehrt Spätabtreibungsfälle aufgrund der medizinischen Indikation geben wird, wenn es nicht gelingt, ein positives Behindertenbild in der Bevölkerung zu erzeugen und vor allem ausreichende finanzielle und personelle Entlastungsangebote für betroffene Familien zur Verfügung zu stellen. Wir sollten uns daher vor allem auf diesen Aspekt konzentrieren, denn sonst wird die Streichung der eugenischen Indikation auch nicht zu weniger Spätabtreibungen führen (analog gilt dies auch für eine andere „Ausweichmöglichkeit“ aus der eugenischen Indikation: wenn durch immer ausgefeiltere Methoden der Pränataldiagnostik die Diagnose für Behinderung bereits innerhalb der Fristenlösung gestellt werden kann, werden auch hier immer mehr Eltern trotz Streichung der Eugenischen Indikation sich für die Abtreibung entscheiden, wenn wir nicht gesellschaftspolitisch gegensteuern….).

  • Die Tötungen wegen Behinderung des Kindes würden mit einer Regelung wie in Deutschland nicht weniger stattfinden. Die Rechtsstaatlichkeit würde trotz anderer Verpackung nicht wiederhergestellt. Was hier von der Lebenshilfe als Ausweg skizziert wird: „Die individuelle Entscheidung der betroffenen Frau steht im Vordergrund, und nicht ein vom Gesetzgeber unterbreiteter Vorschlag. Das ist ein großer Unterschied.“ Ist genau das Problem!
    Die unermessliche Last, die ein behindertes Kind für die Eltern/Mütter bedeutet, muß von einer solidarischen Gesellschaft weitgehend abgenommen werden, erst dann kann der Lebensschutz greifen. Alles andere ist Heuchelei oder Abschieben der Verantwortung.
    Forderung: Unterhaltspflicht und Betreuungsaufwand etc. darf bei einem behinderten Kind nicht über das Maß eines nichtbehinderten Kindes hinausgehen (Entlastungen und tatsächlicher Nachteilsausgleich). Es muß ein garantiertes Recht auf bedarfsgerechte Pflege/Hilfe/Unterstützung geben. Möglichkeiten ein behindertes Kind einer Pflege- oder Adoptivfamilie (bzw. einer ähnlichen Lebens- und Gemeinschaftsform) anzuvertrauen, müssen ausgebaut werden, lebbar sein und in der gesellschaftlichen Akzeptanz völlig normal werden. Solange die LAST nicht gemeinsam getragen wird, haben wir ALLE Teil am Unrecht!