Barrierefreiheit im Internet als Rechtsanspruch?

Das Thema Recht auf barrierefreien Zugang lockte am 2. Oktober 2007 wieder viele InteressentInnen zum Accessibility-Stammtisch.

Lumpe vergrößert das Wort Recht
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Der Referent, Martin Ladstätter von BIZEPS-Zentrum für Selbstbestimmtes Leben und stellvertretender Vorsitzender von accessible media, verstand es hervorragend, der eher trockenen Materie Leben zu verleihen.

An den Anfang stellte er die wohl allen Webanbietern unter den Nägeln brennende Frage: „Muss meine Webseite barrierefrei sein?“

Die österreichische Gesetzeslandschaft

Im ersten Teil erläuterte Martin Ladstätter die gesetzlichen Bestimmungen. Er las die wichtigsten Passagen nicht nur vor, sondern gab sie zum besseren Verständnis auch in eigenen Worten wieder.

Dass Webseiten von Ministerien und nachgeordneten Stellen dem e-Government-Gesetz unterliegen, ist inzwischen bekannt, dass aber auch all jene Seiten, die mit Bundesgeldern ganz oder teilweise finanziert werden, ebenfalls darunter fallen, mag für den einen oder anderen neu gewesen sein.

Auch bei der Frage, auf welche Webanbieter das Behindertengleichstellungsgesetz anzuwenden ist, gibt es große Unsicherheiten. Immerhin stellte der Referent unmissverständlich klar, dass alle Anbieter, die unter das Konsumentenschutzgesetz fallen, bereits seit Jänner 2006 ihre Webauftritte barrierefrei gestalten müssen.

Anmerkung: Ein Blick in die Weblandschaft zeigt deutlich, dass diese Rechtslage nicht allzu vielen bewusst sein dürfte. Was also tun, wenn man sich durch mangelnde Zugänglichkeit benachteiligt fühlt?

Schlichten statt richten

Im zweiten Teil behandelte Martin Ladstätter das Thema Schlichtung, seiner Meinung nach die gewinnbringendste Auswirkung des Behindertengleichstellungsesetzes. Er betonte, dass Schlichtungen vor dem Bundessozialamt eine große Chance sowohl für die Betreiber einer Webseite als auch für die Schlichtungswerber darstellen.

Im Schlichtungsverfahren geht es in erster Linie darum, eine für beide Diskussionspartner akzeptable Problemlösung, also einen Kompromiss zu finden, mit dem beide Schlichtungspartner einverstanden sind.

Der Wert dieser Gesprächsrunden liegt aber nicht nur in der Problemlösung selbst, sondern vor allem im Zugewinn an Wissen um bestehende Barrieren und im Entstehen neuer Sichtweisen auf beiden Seiten.

Stellvertretend berichtete der Experte in Sachen Menschenrecht über fünf Schlichtungen, die durchwegs positiv verliefen.

Der letzte Ausweg

Wenn Schlichtungsverfahren zu keiner Einigung führen, besteht die Möglichkeit einer Klage. Eingeklagt werden kann einerseits ein tatsächlich erlittener finanzieller Schaden, andererseits ist eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung in Form eines Mindestbetrags vorgesehen.

„Die Klage“, so der Referent, „ist aber nicht das Ziel, denn durch diese besteht kein Recht auf Beseitigung der Diskriminierung sondern nur auf eine Entschädigung für dieselbe.“ Anders als in den USA gibt es in Österreich keine Möglichkeit einer Sammelklage; „man kann aber Klagen sammeln“, so Martin Ladstätter. So könnte etwa die Situation entstehen, dass ein Webanbieter für ein und dieselbe Benachteiligung von mehreren Geschädigten geklagt wird.

Persönliches Fazit

Ein Sprichwort sagt: Vorbeugen ist besser als heilen. Übertragen auf das Recht auf uneingeschränkte Teilnahme an modernen Informationsmedien könnte es heißen: Schlichten ist besser als klagen.

Barrierefrei wonach?

In den Diskussionsbeiträgen kam vor allem die Unsicherheit zur Sprache, nach welchen Richtlinien und Normen das Maß an Barrierefreiheit im Streitfall bemessen werden kann. Da es neben den Richtlinien des W3C in Österreich keine Durchführungsbestimmungen für die Umsetzung gibt und darüber hinaus auch keine Zertifizierung existiert, wird zumindest mittelfristig kein Instrumentarium zur ausschließlich objektiven Beurteilung der Zugänglichkeit zur Verfügung stehen.

Dieses Manko könnte aber gleichzeitig eine große Chance sein, die Webanbieter, Webagenturen und NutzerInnen zu Dialog und Einigung über das notwendige und wirtschaftlich leistbare Maß an Zugänglichkeit nutzen könnten – ähnlich, wie dies bei einem Schlichtungsverfahren geschieht.
Hier können Sie Bilder vom Stammtisch von accessible media ansehen

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