Buchinger: „Bin nicht sicher, ob Gesetz der Stein des Weisen ist“

In einem Interview mit Pepo Meia (Radio Orange) zeigt Buchinger Verbesserungsmöglichkeiten beim Behindertengleichstellungsgesetz auf und kündigt eine Evaluierung an. Ähnlich hat er sich schon im Dezember 2007 geäußert.

Erwin Buchinger
SPÖ

Sozialminister Dr. Erwin Buchinger (SPÖ) erläutert im Interview, welche Bereiche sich im Rahmen der Evaluierung des Gleichstellungsrechtes für behinderte Menschen besonders anbieten.

Im SPÖ-ÖVP Regierungsprogramm wird „Monitoring, Evaluierung und Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechtes“ angekündigt.

Als zuständiger Minister gibt Buchinger Hinweise darauf, welche Bereiche im Rahmen der Evaluierung besonders genau angesehen werden könnten und wo Weiterentwicklungen angedacht werden.

Auch wenn diese Phase natürlich unabhängig von der Durchsetzung ist, wird interessant sein, welche Ergebnisse diese Evaluierung bringt.

Behindertengleichstellungspaket wird überprüft
SprecherIn: Dr. Erwin Buchinger (SPÖ)
Audioquelle: Pepo Meia/Radio Orange

Ich bin nicht sicher, ob das Behindertengleichstellungsrecht der Stein des Weisen ist. Im Gegenteil: Meine Vermutung ist, dass noch einiges zum verbessern ist. Aber ich möchte auch gar nicht zu viel Kritik üben. Es war von der Vorgängerregierung dieses Behindertengleichstellungspaket ein wichtiger Schritt, den möchte ich anerkennen.

Und wir haben ja bei der Regierungsbildung im Jänner 2007 beschlossen, dass wir dieses Behindertengleichstellungspaket einer Evaluierung unterziehen. Das findet im heurigen Jahr statt.

Da gehts auch um die Fragen, ob zum Schadensersatzanspruch auch ein Unterlassungsanspruch ergänzt werden soll; eine Forderung, die aus der Behindertenbewegung kommt. Es wird auch um die Frage der Verbandsklage gehen. Es wird auch darum gehen, ob die Stellung des Behindertenanwaltes, wie sie jetzt formuliert, eine richtige ist. Ich nehme die Ergebnisse nicht vorweg, aber es wird offen und ohne Scheuklappen evaluiert werden und dann werden Verbesserungsvorschläge erstattet.

Schon im Vorjahr

Minister Buchinger hat schon im Dezember 2007 im Rahmen einer Fragerunde zur Präsentation eines Berichtes positive sowie negative Aspekte des Behindertengleichstellungspaketes angesprochen.

Die Idee den Verein für Konsumenteninformation in die Rechtsdurchsetzung einzubeziehen hat er als eine „interessante Anregung“ empfunden und im April 2008 im Parlament angekündigt, dass er bereit sei, über den VKI eine Musterklage zu führen.

Er bestätigt auf Nachfrage, dass Mitte 2008 die Evaluierung des Behindertengleichstellungspaketes beginnen wird.

Fragerunde zum Behindertengleichstellungspaket
SprecherIn: Dr. Erwin Buchinger (SPÖ)
Audioquelle: BIZEPS

Journalistenfrage: Wie wir hören konnten, waren die Schlichtungen positiv und teilweise sehr positiv. Ich möchte meine Frage beziehen auf jene die nicht so positiv waren. Es hat sich in einigen Schlichtungen gezeigt, dass der Unterlassungsanspruch fehlt. Meine Frage an Sie Herr Minister: Werden Sie im nächsten Jahr auch evaluieren, ob dieser Unterlassungsanspruch nicht auch ins Gesetz gehört? erste Frage.

Und die zweite Frage ist: In einigen Schlichtungen haben betroffene Menschen gegen Großunternehmen eine Schlichtung geführt, wo wir sie begleitet haben und ich mir öfter gedacht hab: Wäre dies nicht auch Sache des VKI gewesen? Überlegen Sie auch, ob der VKI z. B. bei reihenweisen Schlichtungen gegen Banken sich nicht einbindet?

Buchinger: Wir haben ja im Zuge der Regierungsbildung diese Frage des Behindertengleichstellungspaktes sehr ausführlich mit unserem Regierungspartner erörtert, weil es aus Sicht – auch von mir und meinen Beraterinnen und Beratern – zum Teil ja auch aus dem Behindertenbereich – schon damals diese Hinweise gegeben hat, die bestehenden Schadenersatzansprüche durch echte Unterlassungsansprüche abzurunden und damit wirkungsvoller zu gestalten.

Die Einigung ist dann dergestalt erfolgt, dass wir zwei Jahre Behindertengleichstellungspakt abwarten, wie es sich in der Praxis bewährt und im Jahr 2008 eine Evaluierung vornehmen. Wo durchaus die Anregungen aufgegriffen werden können.

Das ist geplant, dass diese Evaluierung sehr, sehr breit – unter Einbeziehung aller Expertise von betroffenen Beteiligten – erstellt werden soll. Und da wird auch diese Frage der Ausweitung auf Unterlassungsklage, aber unter Umständen auch auf Verkürzung von Übergangsfristen … das werden zwei Themen sein. Ein drittes Thema kann sein die Stellung des Bundesbehindertenanwaltes. Ob der geändert, gestärkt werden soll.

Aus dem jetzigen Tätigkeitsbericht möchte ich noch keine großen Schlussfolgerungen ableiten, weil eben diese Einbindung der Betroffenenorganisationen für die Evaluierung und die seriöse wissenschaftliche Aufbereitung erforderlich sind, um hier zu gemeinsamen Vorhaben zu kommen. Aber die Fragen sind angesprochen worden.

Die Einbindung des VKI: Das ist bisher noch nicht überlegt worden. Das ist eine interessante Anregung, ob hier über Sammelklagen – so verstehe ich das – auch die Wirksamkeit, die Breitenwirkung auch verstärkt werden kann.

Ich möchte aber bei diesem Tätigkeitsbericht nicht versäumen, dass meine erste Einschätzung, die auch im Bundesbehindertenbeirat so geteilt wurde, ist, zusammenfassen, dass auch mit den derzeitigen Mitteln, die rechtlich zum Teil weich sind, eine Veränderung der Haltung bei vielen Unternehmen bereits bewirkt werden konnte.

Insbesondere durch die Schlichtungsverfahren. Und dass sich die Bereitschaft vieler Unternehmen über die gesetzlichen Verpflichtungen – auch in den Fristsetzungen – hinauszugehen bereit sind, dass das immer wieder positiv vermerkt wurde. Das mag ein Hinweis sein, dass bevor man rechtliche Änderungen überlegt, natürlich auch schauen wird, im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten noch umfassendere Anwendung das Potential auszuschöpfen.

Journalistenfrage: Wann wird es denn die Evaluierung geben, nächstes Jahr?

Buchinger: In Jahresmitte geplant. Jahresmitte 2008.

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