Buchinger: „Adäquate Plätze für Menschen mit Behinderungen sind in Österreichs Stadien notwendig“

BIZEPS-INFO führte dazu mit Sozialminister Dr. Erwin Buchinger (SPÖ) ein schriftliches Interview zum aktuellen Thema Fussball-Europameisterschaft und der Barrierefreiheit der Angebote.

Erwin Buchinger
SPÖ

BIZEPS-INFO: Welchen drei Mannschaften trauen Sie einen Europameistertitel zu?

Erwin Buchinger: Meine Favoriten sind Spanien, Frankreich und Deutschland. Für Spanien spricht die kreative Genialität der Spieler, die Franzosen haben meines Erachtens das kompletteste Team und die Deutschen sind die perfekte Turniermannschaft.

BIZEPS-INFO: Österreich ist im Fussballfieber. Ist die Fussball-Europameisterschaft auch für behinderte Menschen eine gelungene Veranstaltung?

Erwin Buchinger: Ich hoffe, dass sich Menschen mit Behinderungen genauso sehr an den Leistungen der Nationalmannschaft erfreut haben, wie auch ich es getan habe. Bereits im Vorfeld war es mir wichtig gegenüber der UEFA und dem ÖFB klarzustellen, dass die barrierefreie Zugänglichkeit gewährleistet, sowie spezielle Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen, wie Behindertenparkplätze, vorgesehen sein müssen.

Der ÖFB versicherte mir in einem diesbezüglichen Schreiben sein Bemühen, allen BesucherInnen der Spiele der UEFA EURO 2008 ein bestmögliches Service bieten zu wollen. Mich beruhigt außerordentlich, dass der Geschäftsführer des Berufsbildungs- und Forschungszentrum für Blinde und Sehbehinderte mir den barrierefreien Zugang zu den EM-Stadien und die positiven Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen seitens der UEFA bestätigt hat.

BIZEPS-INFO: In manchen Stadien werden während der EM spezielle Tribünen für Menschen mit Behinderungen zur Verfügung stehen. Offenbar werden diese Tribünen nach der Europameisterschaft wieder abgebaut und es stehen nur minderwertige Plätze zur Verfügung. Werden Sie sich für die Schaffung von adäquaten Plätzen einsetzen?

Erwin Buchinger: Adäquate Plätze für Menschen mit Behinderungen sind in Österreichs Stadien notwendig, um auch ihnen den sportlichen Genuss ermöglichen zu können, den jede/r KäuferIn einer Eintrittskarte erwartet. Hier ist in der Vergangenheit beim Bau von Stadien oftmals nicht ausreichend auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen Rücksicht genommen worden. Die UEFA hat für die EM 2008 viele positive Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen umgesetzt.

Ich erwarte mir hier vom ÖFB auch nach der EM eine verstärkte Sensibilität gegenüber einer Gruppe unserer Gesellschaft, deren besondere Bedürfnisse auch besonderen Respekt verdienen. Gerne werde ich mich auch in Zukunft hierfür einsetzen und versuchen, bewußtseinsbildend auf die Stadionbetreiber einzuwirken.

BIZEPS-INFO: Wie könnte man grundsätzlich sportliche Events für behinderte Menschen zugänglicher machen?

Erwin Buchinger: Im 2006 erstellten Nachhaltigkeitskonzept des ÖFB für die UEFA EURO 2008 sind bereits Maßnahmen vorgesehen, damit RollstuhlfahrerInnen und Gehbehinderte in ihren Bedürfnissen besonders berücksichtigt werden. So sind rollstuhlgängige WC-Anlagen, die Vermeidung von Stufen und hohen Niveauunterschieden, rollstuhltaugliche Rampen, geeignete Sitz- und Stellplätze, geeignete Fluchtwege, kurze Wege (z.B. in Stadien vom Sitzplatz zum WC) und gleitsichere Böden vorgesehen.

Für blinde Personen und Sehbehinderte waren bereits 2006 Leit- und Orientierungssysteme, gut sichtbare und ertastbare Symbole, Informations- und Orientierungshilfen, eine gute Beleuchtung und die Vermeidung von Hindernissen auf den Verkehrswegen vorgesehen. Bei Berücksichtigung all dieser Maßnahmen in den vielen Österreichischen Sportstätten auch über die Zeit der Europameisterschaft hinaus bin ich mir sicher, dass Sportveranstaltungen auch für Menschen mit Behinderungen attraktiver werden.

Ich weise auch darauf hin, dass die Bestimmungen des Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes, die – wenngleich mit Übergangsfristen – in diesem Bereich zum Tragen kommen, auch für kräftige Akzente sorgen werden, um künftig die Zugänglichkeit zu Sportstätten zu verbessern.

BIZEPS-INFO: Wie sieht es aus Ihrer Sicht mit dem Informationszugang zur EURO 2008 für Menschen mit Behinderungen aus? Sie haben die Patronanz für die Website football4all übernommen. Warum war das wichtig für Sie, obwohl Sie nicht Sportminister sind?

Erwin Buchinger: Ich bin zwar nicht Sportminister, aber Minister für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Gerade in dieser Eigenschaft liegt mir die Gleichstellung in allen Lebensbereichen besonders am Herzen. Es war und ist für mich Auftrag und Verpflichtung zugleich, mich dafür einzusetzen, dass die Bewusstseinsbildung voranschreitet und schnellstmöglich eine Selbstverständlichkeit im gleichberechtigten Umgang mit Menschen mit Behinderungen Platz greift.

Diese Gleichberechtigung muss gerade auch bei so einem freudigen und festlichen Ereignis, wie es die EURO 2008 darstellt eingefordert und unterstützt werden. Eine Übernahme der Patronanz für die Seite football4all, war daher für mich ein selbstverständlicher Akt der Unterstützung und der Identifikation mit Menschen mit Behinderungen.

BIZEPS-INFO: Die Plattform football4all hat eng mit der UEFA zusammengearbeitet, um ein gutes Service für behinderte Fußballfans zu erreichen. Sind Sie mit dem Angebot zufrieden?

Erwin Buchinger: Das Service-Angebot von football4all ergänzt das bereits bestehende Informationsangebot für Menschen mit Behinderungen in hervorragender Weise. Die wichtigsten Auskünfte rund um das Großereignis – wie Stadien, Public Viewing Zonen, Ergebnisse – werden barrierefrei zur Verfügung gestellt. Zusätzlich erhalten Interessenten umfassende Informationen zur Euro 2008 in Gebärdensprache oder Moderationen über Kopfhörer für blinde Menschen.

BIZEPS-INFO: Die Informationsgesellschaft läuft Gefahr, sich in eine „2-Klassen-Gesellschaft“ zu entwickeln, sagen Expertinnen und Experten. Welche Vorhaben der Bundesregierung bzw. ihres Ministeriums gibt es, um die Teilhabe von behinderten Menschen als Teil der Informationsgesellschaft weiter zu forcieren?

Erwin Buchinger: Gerade als „e-Government Europameister“ ist es unsere Pflicht, auch das Thema Zugänglichkeit zu den Medien weiter voranzutreiben. Österreich hat sich als Mitgliedstaat in der EU dazu bekannt, die „Strategie i2010“ aktiv mitzugestalten, dass heißt, bis zum Jahr 2010 soll gegensteuert werden, damit jede/r BürgerIn Zugang zur Informationsgesellschaft hat.

Die Bundesregierung hat deshalb auch im e-Government Gesetz verankert, dass mit 1.1.2008 alle Websites der öffentlichen Verwaltung barrierefrei sein müssen. Darüber hinaus bietet die Verwaltungsakademie des Bundes für MitarbeiterInnen Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich barrierefreies Web an. Auf europäischer Ebene ist Österreich erstmals Gastgeber der e-Inclusion Konferenz im November dieses Jahres.

Bei dieser Veranstaltung wird die barrierefreie Zugänglichkeit in der Informationsgesellschaft ein zentrales Thema sein. Wir haben bereits einiges in diesem Bereich auf Schiene gebracht, dürfen uns aber gleichzeitig nicht auf dem Erreichten ausruhen. Als Sozialminister werde ich weiterhin entscheidende Akzente für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an der Informationsgesellschaft setzen.

BIZEPS-INFO: Sie sind selbst ein begeisterter Internet-User, der regelmäßig E-Mails checkt, einen Blog betreibt und viel Zeit im Netz verbringt. Wo „surft“ denn ein Sozialminister am liebsten?

Erwin Buchinger: Da ich derzeit leider keine Zeit zum lustvollen Surfen habe, beschränke ich mich weitgehend auf Online-Zeitungen.

BIZEPS-INFO: Wir danken für das Interview!

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