Wagner: „Ziel war ein Fußballfest für ALLE“

Mag. Britta Wagner von der Hilfsgemeinschaft erzählt im Interview, wie es zum Projekt "football 4 all" kam und welche Erfahrungen im Rahmen der Europameisterschaft 2008 gemacht wurden.

Britta Wagner
Hilfsgemeinschaft

BIZEPS-INFO: Wie kam es zu dem Projekt?

Britta Wagner: Die Idee kam von Bruno Etzenberger und zwar bereits Ende 2006. Er kannte das Service der Audiodescription aus Deutschland. Als eingefleischter Fußballfan wollte er sich die EURO in Österreich auf keinen Fall entgehen lassen und kam mit seinem Anliegen zu mir.

Bruno hat sofort die Aufgabe übernommen, die verschiedenen Organisationen bzw. ihre Vertreter an Bord zu holen. Rasch haben wir damit begonnen, Kontakte zu unseren deutschen Kollegen zu knüpfen. In Deutschland gibt es viele Fanclubs und Vereine von Fußballfans mit Behinderungen. Das gehört zur Fankultur.

Einige davon haben im Vorfeld der WM 2006 mitgearbeitet, an die haben wir uns gewandt. Und sie haben uns super unterstützt! Da gab’s Erfahrungswerte und Know-how, mit dem wir arbeiten konnten.

BIZEPS-INFO: Worin bestand das Service der Plattform?

Britta Wagner: Einerseits installierten wir also eine Website, für die wir sehr viel recherchiert haben. Da ging es auch darum, das Angebot an barrierefreien Hotels etc. zu recherchieren. Andererseits haben wir ein Service-Telefon und eine E-Mailadresse eingerichtet.

Das klingt jetzt vielleicht nicht sehr spektakulär, ist aber sehr arbeitsintensiv, wenn man es richtig macht. Jeder kennt das: Man ruft irgendwo an und wird weitergeleitet, verbunden, hängt in Warteschleifen und hat zum Schluss wieder keine Antwort. Das wollten wir unbedingt vermeiden.

Ein anderes Kapitel ist das Ticketing: Dafür wurde eine eigene kleine Datenbank eingerichtet. Wir mussten ja sicherstellen, dass unser Prinzip first come – first served richtig funktioniert. Die ersten 10 kamen zum Zug. Die wurden auf ihre Berechtigung überprüft, bei einem Ausfall rückte der nächste nach. Danach erhielten die Fans ein Infomail mit den Zahlungsdaten usw. Wir haben also über Wochen sehr intensiv mit den Fans kommuniziert und versucht, ein Service zu bieten, das keinen Vergleich zu scheuen braucht.

BIZEPS-INFO: Wie viele behinderte Fans wurden in diesem Zeitraum informiert?

Britta Wagner: Das ist natürlich sehr schwer zu sagen. Ich habe zwei Zahlen: Das eine sind die Visits (insgesamt etwas über 25.000), das andere ist die Anzahl der Tickets, die wir vertrieben haben. Für sehbehinderte und blinde Fans waren das 160 Stück, für Fans im Rollstuhl 400 Stück plus jeweils 1 Begleitperson gratis.

Wobei das natürlich nicht sehr aussagekräftig ist. Denn im Vordergrund stand für mich immer das Service für die Fans und mit manchen Fans hab’ ich bis zu 5- 6 mal telefoniert oder E-Mails beantwortet.

BIZEPS-INFO: Es wird einen Nachhaltigkeitsbericht geben. Wer macht den und warum wird er erstellt?

Britta Wagner: Österreich und die Schweiz haben gemeinsam mit der UEFA ein Nachhaltigkeitskonzept für die EURO entwickelt. In Österreich hat Umweltminister Josef Pröll den Auftrag dazu erteilt. Im Wesentlichen sollten die Bereiche Umwelt, Wirtschaft und Soziales bzw. Kultur berücksichtigt werden.

Regelmäßig gibt es Zwischenberichte, die auch dem Ministerrat vorgelegt werden. Die Austragungsländer werden am Ende eine Gesamtevaluation durchführen und eine Bilanz über die Umsetzung ziehen.

Mit dem Endbericht soll eine Basis für die nachhaltige Durchführung künftiger Sportgroßveranstaltungen geschaffen werden und auch die UEFA soll profitieren und Nachhaltigkeitsaspekte künftig besser integrieren können. Wir sind in regelmäßigem Kontakt mit einem der Verantwortlichen für die Erstellung des Nachhaltigkeitskonzeptes, um unsere Aspekte einzubringen.

Das Thema Barrierefreiheit wird also sicher in den Endbericht einfließen. Unsere Erfahrungen und Lösungen, die wir erarbeitet haben, können dann auch für künftige Großprojekte sehr wertvoll sein. Z. B. die Erfahrungen mit dem Service des Audiokommentars für blinde und sehbehinderte Fans.

BIZEPS-INFO: Es gab sehr viele positive Reaktionen und kaum negative? Warum war das Ihrer Meinung nach so?

Britta Wagner: Ja, es gibt sehr viele positive Reaktionen. Manchmal sind wir alle im Team schon sehr gerührt und freuen uns wirklich über das Feedback. Ich glaube, es hängt damit zusammen, dass wir uns ehrlich bemüht und engagiert haben. Da kann man dann auch über Kleinigkeiten leichter hinwegsehen.

Das Schlimme ist ja nicht, wenn Dinge nicht perfekt sind, sondern wenn man das Gefühl hat, ignoriert oder nicht ernst genommen zu werden. Das zweite ist, dass der Veranstalter- also die UEFA – die gesetzlichen Vorgaben ausgezeichnet umgesetzt hat. In der Praxis ist es so, dass trotzdem Fehler passieren, man kann solche Dinge ja immer so oder so umsetzen. Ich weiß, dass die UEFA sehr genau darauf geachtet hat, dass auch die Praxis funktioniert!

BIZEPS-INFO: Wie stark wurde die Homepage www.football4all.eu genutzt?

Britta Wagner: Insgesamt gab es ca. 25.000 Visits. Wobei die Zugriffe während des Ticketings und jetzt, während der EURO am häufigsten waren. Besonders erfreulich sind natürlich die vielen Fanberichte, wobei ich manchmal schon das Gefühl habe, hoffentlich denken die Leute nicht, wir hätten sie selbst geschrieben. Sie sind wirklich authentisch!

BIZEPS-INFO: Sie haben mit der UEFA zusammengearbeitet. Worum ging es dabei konkret?

Britta Wagner: Die Zusammenarbeit mit der UEFA war im Grunde recht simpel. Es gab auf beiden Seiten einen Ansprechpartner und von unserer Seite ein Kernteam, das an den Meetings teilnahm. Von Seiten der UEFA war unser Ansprechpartner von Beginn an der österreichische Turnierdirektor Christian Schmölzer. Das war für uns natürlich Gold wert.

Jeder, der mal versucht hat, an konkrete Informationen heranzukommen, was bei einer großen Veranstaltung geplant ist, weiß, wie schwierig das ist. Wenn ich allerdings einen Kontakt habe, der mir die Informationen, die ich brauche, sofort zukommen lässt, ist das eine ungeheure Erleichterung. Und Herr Schmölzer war für uns immer erreichbar und hat sich sehr genau über unsere Anliegen informiert.

Neben der sehr guten Kommunikation war ein weiteres Thema natürlich das Ticketing. Das Angebot der UEFA beinhaltete eine gratis Begleitperson, die Tickets der Preiskategorie 1 wurden uns von der UEFA zum Preis der Kategorie 3 überlassen. Zusätzlich konnten Parkplätze bestellt werden, die mit den Tickets mitgeliefert wurden. Sowohl für blinde Fans als auch für Fans im Rollstuhl.

Wir wollten den Fans ein ganzes Package liefern, das Ziel war eine möglichst barrierefreie EURO und ein Fußballfest für alle. Dazu braucht es Information, Service, moderierte Plätze, zugängliche Stadien, die Tickets und einen möglichst reibungslosen Ablauf. Den wollten wir gewährleisten und ich hoffe, das ist uns gelungen. Wir mussten den Verantwortlichen natürlich nicht sagen, wie man barrierefrei baut, das wissen sie schon selbst.

Grundlegende Voraussetzung waren entsprechende gesetzliche Vorgaben und das Bekenntnis der UEFA zu einer möglichst barrierefreien EURO.

BIZEPS-INFO: Wie waren die Rückmeldungen bezüglich der Barrierefreiheit der Stadien?

Britta Wagner: Die beiden Volunteers vor Ort, die selbst einen Rollstuhl benutzen, können das natürlich am besten beurteilen, aber die Rückmeldungen der Besucher waren bislang durchwegs positiv, vor allem was Klagenfurt, Innsbruck und Salzburg betrifft.

Ein ewiges „Problemkind“ ist natürlich das alte Ernst-Happel Stadion, das noch zu einer Zeit gebaut wurde, wo Barrierefreiheit kein Thema war. Für die EURO wurde das Stadion tatsächlich gut zugänglich gestaltet, und die Rampe ist auch gut gelungen. Das berichten mir zumindest meine PlattformkollegInnen. Es ist natürlich nicht dasselbe wie in einem neuen Stadion, das ist schon klar.

Was allerdings nach der EURO ist, ist wieder ein anderes Kapitel, da ändert sich dann die Zuständigkeit wieder und der Stadionbetreiber ist verantwortlich.

BIZEPS-INFO: Wie geht es mit der Homepage nach der EM weiter?

Britta Wagner: Ich hoffe sehr, dass es die Website auch weiterhin gibt. Auch die Plattform football4all.eu soll weiterhin bestehen. Wir sind mittlerweile ein eingespieltes Team und haben Freude an diesem Projekt – und es gibt noch immer allerhand zu tun. Wobei wir wieder bei unseren deutschen Vorbildern wären…

BIZEPS-INFO: Vielen Dank für das Interview.

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