Trübswasser: Nicht an einen Rollstuhl, sondern an einen Zug „gefesselt“

ÖBB-Dienstanweisung für modernste Triebfahrzeuge mit fatalen Folgen für mobilitätseingeschränkte Personen im Nahverkehr

Gunther Trübswasser befährt Rampe
GRÜNE

„Was hilft es, wenn Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer zwar auf den modernen Bahnhof-Aushängeschildern Linz und Wels einsteigen können, auf der Fahrt eine behindertengerechte WC-Anlage benützen können, aber es nahezu nirgends möglich ist, auch auszusteigen“, zeigt sich der OÖ-Verkehrssprecher Gunther Trübswasser verärgert.

Er präsentierte in Linz Medienvertretern eine mit 6. Juni 2008 datierte ÖBB-„Anweisung zu Twg Reihe 5022 – Ergänzende Bestimmungen für den Betrieb“ in der es heißt: „Die Verwendung der Rollstuhlrampe an Bahnsteigen mit einer Nennhöhe geringer als 380 mm ist wegen der dadurch entstehenden Neigung der Rampe nicht zulässig. Ebenso ist es nicht zulässig, dass an solchen Bahnsteigen Rollstühle manuell hinein- oder hinausgehoben werden“.

Und bei ausreichend hohen Bahnsteigen wird in der ÖBB-Anweisung noch im Detail festgehalten: „Bei der Verwendung der Rollstuhlrampe ist auch auf die Breite des Bahnsteiges zu achten. Ist diese offenkundig zu gering und ist daher eine gefahrloses Befahren nicht möglich, darf die Rollstuhlrampe nicht verwendet werden.“

Trübswasser, der sich in der Vergangenheit massiv für die Anschaffung von gut benutzbaren Rampen für den Nahverkehrszug Talent eingesetzt hat, zeigt die Folgen auf.

Unzugänglich

Die Folgen sind:

  • „In OÖ auf 230 Bahnsteigen in 139 Bahnhöfen kein Einstieg und kein Ausstieg möglich,
  • 7 von 18 Bezirksstädten sind nicht mit dem Zug barrierefrei erreichbar.“

„Von dieser Anweisung sind allein in Oberösterreich 230 Bahnsteige auf 139 Bahnhöfen, respektive Haltestellen betroffen – damit ist barrierefreies Reisen trotz Einsatzes millionenteurer Nahverkehrstriebwagen nahezu im ganzen Bundesland unmöglich. Mit Braunau, Schärding, Eferding, Freistadt, Gmunden, Perg und Ried sind somit insgesamt 7 von 18 Bezirkshauptstädten im Bahnregionalverkehr nicht mehr barrierefrei erreichbar“, hält er in den Presseunterlagen fest.

Landesförderung in Millionenhöhe

In Oberösterreich werden mittlerweile mit Landesförderungen in Millionenhöhe 16 Talent- und 9 Desiro-Triebwagen eingesetzt. „3 Desiro auf der Donauuferbahn und 6 Talent auf der Mühlkreisbahn. Beide Bahnstrecken weisen insgesamt 23 Bahnsteige unter 38 cm auf“, erläutert der Abgeordnete.

ÖBB nimmt Stellung

Die ÖBB bestätigt im Wesentlichen, die von Abg. Trübswasser präsentierten Fakten. „Aufgrund von behördlichen Bestimmungen ist es uns aus Sicherheitsgründen nicht möglich, die Rollstuhlrampe an Bahnsteigen unter 38 cm einzusetzen. Das wird auch bestimmt im Zulassungsbescheid des BMVIT für Talent und Desiro“, hält Mag. Monika Kerck von der ÖBB-Konzernkommunikation gegenüber BIZEPS-INFO fest.

„Dazu muss natürlich die Dienstanweisung erfolgen, damit die Mitarbeiter wissen, wie sie sich den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend zu verhalten haben“, führt sie weiters aus und kündigt an: „Natürlich helfen unsere Kollegen, sofern es in ihren Möglichkeiten liegt.“

Die Mitarbeiterin der ÖBB-Konzernkommunikation erwähnt abschließend: „Auch das Hinein- und Hinausheben von Fahrgästen im Rollstuhl wird vom BMVIT in den Zulassungsbescheiden geregelt. Und zwar ist es zu unterstützen, an allen Bahnsteigen, die mindestens 38 cm hoch sind. Ein Hinein- und Hinausheben an niedrigeren Bahnsteigen ist unzulässig. Das hat natürlich sicherheitstechnische Gründe – für den Fahrgast und auch für den Mitarbeiter.“

Viele Fragen bleiben offen

Selbst nach der ÖBB-Stellungnahme bleiben eine Reihe von Fragen offen.

  • Warum wurde jetzt diese Anweisung herausgegeben, wo doch diese Züge bekanntlich seit Jahren in Österreich verkehren?
  • Im vor Jahren erstellten BMVIT Zulassungebescheid hatte der Talent eine andere – wirklich unbrauchbare – Rampe. Gelten die damaligen BMVIT-Bedenken auch für die aktuelle Rampe?
  • Sollen die ÖBB in Oberösterreich wirklich auch in Zukunft Landesförderung in Millionenhöhe erhalten ohne dafür Auflagen (wie beispielsweise das Anbieten von Hebelift an ALLEN relevanten Bahnsteigen) erfüllen zu müssen?
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