Gleichbehandlungsrichtlinie schützt auch Eltern behinderter Kinder

Die Gleichbehandlungsrichtlinie der Europäischen Union schützt nicht nur behinderte Menschen selbst, sondern auch deren Eltern, die sie unterstützen, vor Diskriminierungen. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EUGH) am Donnerstag entschieden.

Europäischer Gerichtshof
Cédric Puisney

In dem Grundsatzurteil des EuGH, das den Geltungsbereich der „EU-Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf“ an einem Einzelbeispiel beschreibt und damit deutlich ausweitet, geben die obersten EU-Richter einer jungen Frau recht, die gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber vor einem Londoner Gericht geklagt hatte, weil sie am Arbeitsplatz wegen ihres behinderten Kindes diskriminiert worden war.

Wie der Tagesspiegel berichtete, arbeitete Sharon Coleman 2002 als Anwaltssekretärin bei einer Kanzlei in London, als sie ein Kind bekam, das behindert ist. Ihr Sohn leidet seit der Geburt an Bronchomalazie und ist deshalb in hohem Maße auf Betreuung angewiesen. Fast drei Jahre später, die sie als Abfolge von Schikanen und diskriminierenden Beleidigungen darstellte, stimmte sie im März 2005 – offenbar zermürbt – ihrer „freiwilligen“ Entlassung zu.

Im August des gleichen Jahres jedoch schob Sharon Coleman eine Klage vor dem Londoner Arbeitsgericht nach: Sie sei Opfer einer erzwungenen Kündigung geworden, die eng im Zusammenhang mit ihrer Rolle als Betreuerin ihres behinderten Sohnes stehe. Nach der Rückkehr aus dem Mutterschaftsurlaub habe sich ihr Arbeitgeber nicht nur geweigert, sie an ihren früheren Arbeitsplatz zurückkehren zu lassen. Er habe ihr auch nicht die flexiblen Arbeitszeiten zugebilligt, die Kollegen mit nichtbehinderten Kindern durchaus zugestanden worden sein.

Stattdessen wurde sie dem Bericht des Tagesspiegels zufolge als „faul“ beschimpft, wenn sie freinehmen wollte, um ihr Kind zu betreuen. Das alles habe sich in einer Atmosphäre von Anfeindungen und diskriminierenden Bemerkungen abgespielt. So sei ihr zum Beispiel vorgeworfen worden, sie benutze ihr „Scheiß-Kind“, um ihre Arbeitsbedingungen zu „manipulieren“. Sie sei Disziplinarmaßnahmen ausgesetzt gewesen. Ihre formelle Beschwerde, die sie gegen die schlechte Behandlung vorgebracht hatte, sei unter den Teppich gekehrt worden.

Das von Sharon Coleman angerufene Londoner Arbeitsgericht hat sich nach den ersten Anhörungen an den Europäischen Gerichtshof mit der Bitte gewendet, in einer sogenannten Vorabentscheidung die EU-Gleichstellungsrichtlinie für diesen Fall auszulegen. Der EuGH hat nun das Ergebnis seiner Beratungen vorgelegt: Das Diskriminierungsverbot der EU-Richtlinie ist nicht alleine auf Behinderte beschränkt.

Angesichts der vor allem in Deutschland derzeit getätigten Anfeindungen gegen eine weitere Richtlinie zur Schließung von Lücken im Anti-Diskriminierungsrecht zeige dieses Urteil nach Ansicht der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) aufs Neue, wie wichtig klare Regelungen zum Schutz vor Diskriminierungen sind. Vor allem zeige es, dass Diskriminierungen nicht nur die direkt Betroffenen, sondern auch deren Angehörige treffen können.

Deshalb sei es für die Organisation völlig unverständlich, weshalb gerade vonseiten der CDU/CSU solch starker Widerstand gegen einen weiteren Diskriminierungsschutz bestünde. Wer nicht diskriminiere, bräuchte auch keine Angst zu haben, dies beweise nicht zuletzt die äußerst geringe Anzahl an Klagen in Deutschland.

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