Persönliche Assistenz in Niederösterreich

Die WAG Assistenzgenossenschaft Niederösterreich organisierte am 1. Oktober 2008 in St. Pölten eine interessante Veranstaltung unter dem Titel "Alltag, Arbeit, Assistenz - Leben mit Behinderung".

Christoph Dirnbacher bei der WAG Tagung und Danceability
BIZEPS

„Wir beraten zur Zeit 51 KundInnen in ganz NÖ, und koordinieren über 72 persönliche AssistentInnen“, berichtete der WAG-Geschäftsstellenleiter Mag. Christoph Dirnbacher und zeigte sich erfreut darüber, dass rund 65 Personen an der Veranstaltung in den Räumlichkeiten der Arbeiterkammer teilnahmen.

„Viele Menschen mit Behinderung benötigen Persönliche Assistenz sowohl im Alltag als auch bei der Arbeit. Unsere diesjährige Veranstaltung beschäftigt sich daher mit den Auswirkungen eines bundesweiten Assistenzsicherungsgesetzes“, hielt er fest.

Interessensvertretung ist wichtig

Mag. Josef Fraunbaum, Sozialrechtsexperte der Arbeiterkammer NÖ, erzählt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, welche Leistungen die Arbeiterkammer anbietet und „warum Interessensvertretung wichtig ist“.

Exemplarisch erwähnt er, dass Eltern behinderter Kinder nach der Betreuungszeit Anspruch auf Arbeitslosengeld haben können, sowie Prozesse um falsche Einstufungen beim Pflegegeld bei Kindern.

Der NÖ-Landesstellenleiter des Bundessozialamtes, Mag. Manfred Rötzer, sieht in der Persönlichen Assistenz „was ganz was Besonderes“ und betont, dass das Bundessozialamt seit Jahren „auf dem Weg zu einem Kompetenzzentrum“ ist. Die Persönliche Assistenz hält er für wichtig: „Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg.“

Stirnrunzeln ruft sein Statement zum Thema Behinderteneinstellungsgesetz hervor. Er weist darauf hin, dass man die „Begünstigen Eigenschaft“ – also beispielsweise den erhöhten Kündigungsschutz – „nicht wieder los wird“. Er sieht das negativ und dies ist seiner Meinung nach „ein Teufelskreis“. Daher warnt er seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „nicht leichtfertigt dafür zu werben“.

Niederösterreich holt auf

Wie es derzeit um die Persönliche Assistenz in Niederösterreich steht, zeigen Christoph Dirnbacher und Agnes Ehemoser (beide von der WAG) auf. Sie erzählen Fallbeispiele aus dem Beratungsalltag und halten fest: „Es gibt keine Patentlösungen.“

Die über 70, in ganz Niederösterreich tätigen, Persönlichen AssistentInnen sind bei der WAG NÖ entweder als Freie Dienstnehmerinnen bzw. Dienstnehmer beschäftigt, oder gemäß dem Kollektivvertrag für Gesundheits- und Sozialberufe angestellt.

Föderalismus als Hindernis

Wie negativ sich falsch verstandener Föderalismus auswirkt, zeigt Martin Ladstätter von BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben, in seinem Referat. Ob behinderte Menschen Persönliche Assistenz erhalten und unter welchen Kriterien sie diese erhalten, hängt derzeit noch vom Wohnort (und der Zuständigkeit des jeweiligen Bundeslandes) ab. Er forderte mit Nachdruck österreichweit einheitliche Regelungen für bedarfsgerechte Persönliche Assistenz.

Blick über den Tellerrand

Einen umfangreichen „Blick über den Tellerand“ gewährte Andreas Vega vom Verband behinderter ArbeitgeberInnen in seinem europäischen Vergleich der Assistenzregelungen. Er hebt besonders Schweden als Vorbild hervor und ergänzt: „Norwegen und Finnland dürften auch recht gute Lösungen haben.“

Massiv kritisiert er die Heimbetreiber, die höchstes wirtschaftliches Interesse an unselbständig gehalten Menschen hätten, und so gut verdienen und starkes Lobbying in der Politik betreiben.

Sehr gut angekommen sind auch die Erfahrungsberichte von Menschen, die mit Assistenz in Niederösterreich leben. Der Punkt war leider etwas spät angesetzt und so haben ihn nicht mehr alle gehört.

Kulturprogramm

Die Veranstaltung hatte auch ein begleitendes Kulturprogramm. Musikalische Einlagen von MC Ron und eine Tanzperformance lockerten den Tag auf.

Ausschnitte der Tanzperformance

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8 Kommentare

  • Guten Tag, ich suche für Deutsch Wagram einen Persönliche Assistenz für 3 mal die Woche gibt es das in NIederösterreich?

  • Und noch immer wird auf der NÖ-Homepage (http://www.noe.gv.at/Gesellschaft-Soziales/Behinderte.html) verschwiegen, dass ‚Persönliche Assistenz‘ (bereits seit mehr als fünf Jahren) zum Förderangebot des Landes gehört. Also wissen soll’s kaum jemand.
    Die Rechtswidrigkeit, dass Leistungen nur einer erlauchten Klientel von Landesfürsten Gnaden angeboten werden, ist der Landesregierung immerhin bewusst, wie sie am 3.10.2006 schriftlich dem Landtag mitteilte (http://katja.at/blog/1378/noe-richtlinien-wohnen-und-pa). Immerhin, die fürstenthümliche Landeshoheit ist dessen eingedenk, dass sie der Gesetzlosigkeit frönet und die Bundesverfassung weidlich missachtet.

  • Liebe Frau Pürrer, es gibt seit über drei Jahren die Richtlinien für Persönliche Assistenz in Niederösterreich als Landesgeheimnis, es soll vermutlich kaum jemand davon erfahren, sonst käme das dem Land NÖ zu teuer. Weitere Infos unter http://katja.at/blog/1378/noe-richtlinien-wohnen-und-pa
    Die „WAG – Assistenzgenossenschaft NÖ“ (www.wag.or.at/index.php?area=2&cont=77) ist Assistenz- Anbieter und gibt Beratungen.

  • Sehr geehrte Damen und Herren! Gibt es in NÖ eine persönliche Assistenz? Wie wird diese finanziert? Ich brauche diese nicht für mich persönlich (bin Rollstuhlfahrerin), sondern im Falle, dass wir Hilfe nach der Geburt unseres geplanten Babys brauchen. Möchte mich vorab erkundigen. Danke für Ihre Antwort. MfG, Pürrer Manuela

  • Sehr geehrte Damen und Herren, wie ich lese, sind die Beihilfen zur persönlichen Assistenz österreichweit unterschiedlich geregelt. Meine Frage: in welchen Bundesländern gibt es finanzielle Hilfen und wie schaut es in Vorarlberg aus?
    Danke im Voraus für Ihre Antwort, Gabi Sprickler-Falschlunger
    P.S: ich schreibe gerade das Parteiprogramm für den Bereich Soziales für die Vorarlberger SozialdemokratInnen.

  • Und sonst … bin ich natürlich auch noch für eine ganzheitliche, bundeseinheitliche Regelungen der Pers. Assistenz. Das Leben ist nicht so leicht zu trennen, wie jedeR weiß. Und die verschiedenen Abrechnungen, darf gar nicht daran denken, wieviel Zeit und Geld die verschlingen.

  • Bundessozialamt und Kompetenszentrum – noch meilenweit davon entfernt würde ich sagen! Nicht nur, dass sie in OÖ unfreundlich sind u.so tun, als würden sie die Leistungen aus der eigenen Tasche bezahlen. Ich habe das Gefühl, so vergönnen einem so manches nicht. Oder nur eine Tageslaune einer überarbeiteten Mitarbeiterin? Jedenfalls passiert mir so etwas Ähnliches fast jedesmal dort. Vielleicht könnte der Bund seine MitarbeiterInnen mal im Umgang mit KundInnen schulen? Weil sowas sind wir ja auch dort.
    Da lobe ich mir den Umgangston beim Land OÖ, dort kommst du dir jedenfalls wie ein Mensch vor und nicht wie eine Bittstellerin und Schnorrerin!

  • Föderalismus als Hindernis nicht nur bei Persönlicher Assistenz, sondern generell bei Behindertenhilfe. Das föderale Österreich ist kein „Rechtsstaat“ mehr, weil es kein einheitliches Recht gibt, also eine Unmenge von Rechtsnormen nicht für alle Österreicher gelten, sondern von deren Wohnort oder vom Geltungsbereich des Landesgesetzes abhängen. Wohlmeinend könnte man daher von einem Befindlichkeits-Rechtsstaat sprechen, genau genommen hat sich jedoch ein Beliebigkeits-Rechtsstaat längst zum Unrechtsstaat entwickelt.
    Die unterschiedlichen Rechtsnormen entsprechend der Länderkompetenzen scheinen durch die Verfassung zwar gedeckt. Die Ungleichbehandlung von behinderten Österreichern nach Ländern ist jedoch durch Übernahme folgender übergeordneter Rechtssysteme nicht mehr zulässig:
    1948 Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte, Artikel 1: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“.
    1997 Zusatz zur Verfassungsbestimmung des Benachteiligungsverbots (BV-G Artikel 7): ”Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. … in allen Bereichen des täglichen Lebens….”
    2008: Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (z.B. Artikel 19): …“Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Wohnsitz zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben“ … einschließlich der persönlichen Assistenz (unabhängig von der Behinderungsart!)
    Eine rechtliche Ungleichbehandlung von behinderten Österreichern, je nach Bundesland, ist seit 60 Jahren menschenrechtlich zweifelhaft und spätestens seit Juli 2008 nicht mehr gedeckt.