Kommt die Konjunkturspritze für Barrierefreiheit?

Die große Koalition setzt heute in Berlin ihre Beratungen über ein zweites Konjunkturpaket fort.

Flagge Deutschland
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Der Sozialverband Deutschland erwartet nach dem Schutzschirm für die Banken nun auch einen Schutzschirm für die Menschen und forderte zum Beispiel, dass bei der Sanierung von Schulen die Herstellung von Barrierefreiheit zum Förderkriterium für die Geldvergabe gemacht wird (kobinet 7.1.09). Das Berliner Büro „barrierefrei planen“ von Heino Marx hält eine Konjunkturspritze für überfällig, damit auf dem Wachstumsmarkt barrierefreie Altbausanierung Arbeit für vielerlei Gewerbe geschaffen und ein bekanntes gesellschaftliches Problem in Deutschland endlich einer Lösung näher gebracht wird.

Als Bauberater des einstigen Movado-Projekts „Barrierefreies Berlin“ und seit fast sechs Jahren nun mit einem kleinen Ingenieurbüro tätig, hat er Erfahrungen mit den Sorgen von Wohnungsmietern und -eigentümern, die plötzlich eine barrierefreie Anpassung auf ihre eingeschränkte Mobilität brauchen (kobinet 11.2.08). Nicht nur Menschen mit Behinderungen brauchen barrierefreien Wohnraum. Für immer mehr ältere Menschen wird Barrierefreiheit Bedingung dafür, in der gewünschten gewohnten Umgebung zu bleiben, statt in eine ungewollte Pflegeeinrichtung einzuziehen. Immer weniger schaffen das auch.

Rollstuhlaktivisten wie Uschi Lehmann vom Spontanzusammenschluss Mobilität für Behinderte waren vor mehr als zwei Jahrzehnten die Vorkämpfer für mehr Barrierefreiheit, die inzwischen als Wert für viele Menschen begriffen wird. „Vor 21 Jahren haben wir selbst vor dem Kino BERLIN PALAST eine Betonrampe gebaut“, erinnert die Frau von den „Spontis“ an die Zeit, als zwischen Berlin und Frankfurt am Main ein Wettbewerb anging, wer mit ein paar Schippen Mörtel wieder eine Rampe mehr für Barrierefreiheit geschaffen hat. Die Rampe vor dem noblen Berliner Kino wurde später vom Bezirksamt Charlottenburg teuer wieder abgerissen. „Aber seit dieser Zeit war immer eine mobile Holzrampe Tag und Nacht davor angelegt“, so Lehmann.

Nun hat der Betreiber nach dem Umbau im Dezember vergangenen Jahres dieses Kino in die ASTOR FILM LOUNGE umbenannt. Der Eingang ist nicht mehr barrierefrei zugängig. Das wollen die Berliner „Spontis“ nicht ohne Protest hinnehmen.

Nur ein Prozent aller Wohnungen in Deutschland, so hat der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen herausgefunden, sind seniorengerecht. In den Niederlanden sind dagegen schon fünf Prozent altengerecht. Für den barrierefreien Umbau werden attraktive staatliche Zuschüsse vergeben. In Deutschland wurden die Bausünden aus den 60er und 70er Jahren in Ost und West von Experten längst erkannt. Die derzeit diskutierten Mittel für die Gebäudesanierung sind darum nicht nur unter energetischen Aspekten erforderlich. Auch der Wachstumsmarkt barrierefreie Altbausanierung kommt ohne spürbare Anschubfinanzierung wohl nicht in die Gänge. Ob das die derzeit regierenden Parteien auf die Reihe bringen, bleibt abzuwarten.

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