ORF setzt nächsten Schritt: FM4 ist neu

FM4 ist das vierte und zugleich jüngste Radioprogramm des Österreichischen Rundfunks. Am 21. Jänner 2009 präsentierte FM4 sein neu gestaltetes Internetangebot. Wie barrierefrei ist es?

Homepage FM4 des ORF aus dem Jahr 2009
BIZEPS

„Heute schieben wir mit Tränen in den Augen unsere alte Website und unser altes Redaktionssystem aufs Abstellgleis. Achteinhalb Jahre ist es alt geworden, in Menschenjahren sind das sicher an die 200“, schreibt die ORF-Redakteurin Ute Hölzl im Begrüßungsartikel zum neu gestalteten Internetangebot von FM4 und führt weiters aus: „Das neue fm4.ORF.at steht ganz in Tradition der Vorgängerseite, die Grundfarben sind nur minimal abgewandelt, das Layout und die Identität der Seite sind erhalten geblieben.“

Wie alt, verkommen und nicht barrierefrei dieses Angebot von FM4 war, soll nicht Thema dieses Artikels sein. Die Frage ist: Wie sieht das neue Angebot aus? Die FM4-Redaktion macht Hoffnungen, wenn sie schreibt: „Ein weiterer wichtiger Schritt: fm4.ORF.at ist endlich barrierefrei“.

fm4.orf.at im Test

Sylvia Egger, Webproducerin in Köln, „testete für BIZEPS-INFO den neuen ORF-Internetauftritt und schränkt ihre Ergebnisse vorab gleich ein. Man sieht, „an etlichen Stellen noch an, dass sie noch nicht ganz fertig sind. Insofern ist meine Kritik eher vorläufig oder in Beta.“

„Positiv ist zu verzeichnen: Navigationen als Listen, einige einigermaßen konsistente Überschriftenhierarchien – leider fehlt die erste H1“, erläutert sie und meint: „Insgesamt wurde wirklich sehr gute Arbeit geleistet, schließlich war die alte Webseite ein Layouttabellen-Paradies.“

Doch auch einige „unrunde Konzepte“ spricht sie an. „Gerade die Optimierung für Screenreader-Nutzer wurde hoffnungslos übertrieben. Diese enthalten sogar noch Extra-Informationen, die so für den normalen Nutzer nicht zur Verfügung stehen“.

Hilft dieses Zuviel?

„Eine Super-Optimierung, die der Screenreader-Nutzer nicht goutieren wird. So wird mit dem durchaus richtigen Konzept gearbeitet, für Screenreader-Nutzer Informationen aus dem sichtbaren Bereich rauszuschieben. Leider wird damit nur bedingt richtig umgegangen“, führt Egger aus und erläutert: „Für den Nutzer entstehen redundante Informationen – so wird bei Schriftgrafiken der Text versteckt zur Verfügung gestellt, teilweise noch weiter um Informationen ergänzt, die in der Schriftgrafik gar nicht vorliegen (Beispiel: Startseite – Hauptteasergrafiken, Teaserliste).“

Nachjustieren muss man auch beim Erkennen des aktiven Zustandes in der Navigationen. Die Kontraste und Farben sind soweit ganz gut gewählt, freilich bei einem derart dunklen Layout bleiben sie bei Grauabstufungen irgendwann dann ungenügend, meint die in Köln lebende Expertin und rät: „Da müsste man noch mal im Einzelfall unbedingt nachjustieren. Ich denke, jeder Nutzer hat mit Dunkel-Hellgrau-Kombinationen so seine Schwierigkeiten.“

„Leider sind noch kaum Formulare im neuen Layout. Einzig das Kontaktformular ist schon transferiert, ist jedoch in keiner Form barrierefrei optimiert. Das Formular selbst sitzt noch im Tabellenlayout, enthält keine Labels – der Screenreader liest daher bei den Feldern den redundanten Text ‚Geben Sie Text ein‘ vor. Es gibt keine Angabe, welche Felder verpflichtend sind. Schickt man das Formular ohne Eintragung ab, kommt man auf eine Fehlerseite, die man, ohne Javascript aktiviert zu haben, nicht mehr verlassen kann. Gerade im Formularbereich sollte wirklich noch kräftig nachgearbeitet werden“, zeigt die Expertin Verbesserungsbedarf auf.

Strategie in Richtung Barrierefreiheit

„Man erkennt sehr gut die Strategie, standardkonform (XHTML strict valide) und in Richtung Barrierefreiheit zu arbeiten“, fasst sie abschließend zusammen.

„Viele gute Alt-Texte“

„Viele gute Alt-Texte“, hält Markus Ladstätter, Accessibility-Experte bei BIZEPS, fest und verweist auf ein Beispiel eines neuen Artikels, in dem die Bildbeschriftungen „noch verbesserungswürdig sind“, weil derzeit kaum Information darin enthalten ist. Hier ist in Zukunft die Redaktion gefordert, die Barrierefreiheit durch aussagekräftige Alternativtexte zu fördern.

Die Sprungmarken sind optisch gut gelungen. Nicht wirklich zufrieden ist Ladstätter mit dem Sprungziel der Sprungmarken „zum Inhalt“. Man muss „dann noch vier Links überspringen, um zum Artikeltext zu gelangen“. Angetan ist er vom validen XHTML und der guten Struktur, meint er nach dem Test.

Abschließend erwähnt der Experte die „gute Bedienbarkeit“ des Angebotes, hält aber auch fest, dass die dunklen Farben die Augen nach längerem Lesen ermüden.

Natürlich noch nicht fertig

„Wie immer bei einem derartig umfangreichen Projekt wird es am Anfang noch kleine Unvollkommenheiten, Lücken und handgestrickte Tools geben, noch ist nicht alles zur Gänze implementiert und auch nicht an das neue Layout angepasst. Aber wir arbeiten daran“, hält FM4 abschließend fest. Das ist eine positive Herangehensweise.

ORF im Wandel

Die Internetangebote des ORF sind fast durchgängig nicht barrierefrei zugänglich und der ORF wurde wegen diesen Diskriminierungen mehrfach zu Schlichtungen gemäß Behindertengleichstellungsgesetz „eingeladen“.

Spätestens seit dem Jahr 2007 ist dem ORF und ORF-ON klar, dass hier dringender Handlungsbedarf gegeben ist. Zuerst versuchte der öffentlich-rechtliche Sender noch, die Forderungen abzulehnen bzw. zu ignorieren doch setzte sich langsam die Erkenntnis durch, dass auch der ORF das Diskriminierungsverbot befolgen muss.

Seither versucht der ORF – Schritt für Schritt – seine Angebote zu verbessern. Im Herbst 2008 erfolgte die Neugestaltung von futurezone.orf.at, nun folgte fm4.orf.at; weitere werden folgen.

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